Ein Großaufgebot der Polizei hat seit dem frühen Mittwochmorgen 18 Wohnungen und Objekte in Dresden und in Heidenau durchsucht. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden ermittelt gegen die rechtsextreme Freie Kameradschaft Dresden wegen Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Es gebe 17 Beschuldigte, teilte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft auf unsere Anfrage mit. Sechs Verdächtige wurden festgenommen, Haftbefehle liegen vor. Ein Haftrichter entscheidet nun im Tagesverlauf, ob diese in Untersuchungshaft müssen. Bereits am Mittag wurden nach unseren Informationen am Dresdner Amtsgericht zwei Verdächtige von vermummten Beamten ins Gericht gebracht.
Vorwürfe der Generalstaatsanwaltschaft
Die Gruppe steht im
Verdacht, 14 Straftaten, u. a. Beteiligung an der Herbeiführung einer
Sprengstoffexplosion, versuchte Brandstiftung, Landfriedensbruch im
besonders schweren Fall, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen
begangen zu haben. Zudem wurden sie bei Tathandlungen im Bereich von
Asylunterkünften in Freital, Heidenau, Dresden und bei Tathandlungen
gegen Asylsuchende und politische Gegner festgestellt. Bei den
Mitgliedern handelt es sich um 15 Männer sowie zwei Frauen im Alter
zwischen 16 und 30 Jahren.
Razzia beispielsweise auf der Bodenbacher Straße
Bei
der Durchsuchung von Wohnungen und Gebäuden in Dresden und Heidenau sei
eine große Anzahl an Pyrotechnik, sowie Smartphones sichergestellt
worden, teilten die Ermittler mit. Nach unseren Informationen ist zum
Beispiel ein Objekt an der Bodenbacher Straße am Morgen durchsucht
worden. Beamte in Schutzmontur durchsuchten ein Gebäude in der Nähe der
Rennplatzstraße.
Die Beamten des Operativen Abwehrzentrums wurden bei
den Durchsuchungen durch Polizeibeamte der Polizeidirektion Leipzig,
der Polizeidirektion Dresden, des Landeskriminalamts Sachsen und der
Bereitschaftspolizei unterstützt.
Anschläge und Angriffe in Dresden und Freital
Die
Freie Kameradschaft Dresden ist in den vergangenen Monaten und Jahren
immer wieder bei Demonstrationen in Erscheinung getreten, soll
insbesondere in Laubegast und Niedersedlitz präsent gewesen sein. Wie
die Generalstaatsanwaltschaft mitteilte, sollen Mitglieder versucht
haben, den ehemaligen Real Markt in Freital auf der Burgker Straße
anzuzünden. Es gab immer wieder das Gerücht, dass dort Flüchtlinge
einquartiert werden. Auch ein Sprengstoffanschlag im November 2015 auf
das alternative Wohnprojekt 'Mangelwirtschaft' in der Overbeckstraße in
Dresden wird der Gruppe zugerechnet.
Bürgerwehr jagte Ausländer beim Stadtfest
Ein
Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft sagte uns zudem, dass die Gruppe
zum Stadtfest Dresden eine "Kleine Bürgerwehr" gegründet habe und Jagd
auf Ausländer gemacht haben soll. Mindestens ein Mensch wurde am 20.
August 2016 an den Elbwiesen von Mitgliedern der Gruppe mit Schlägen und
Tritten traktiert, er kam schwer verletzt ins Krankenhaus. Auch an den
Ausschreitungen vor der Asylunterkunft auf der Bremer Straße im Sommer
2015 waren Mitglieder der Kameradschaft beteiligt, so der Vorwurf.
Drei Mitglieder bereits im Juni verurteilt
Auch
an einem Anschlag auf eine Asylunterkunft in Stetzsch und ein Angriff
auf linke Jugendliche am Alaunplatz waren Mitglieder beteiligt. Drei
Mitglieder der Gruppe erhielten deswegen im Juni Bewährungsstrafen. Auch der Kopf der unter Terrorverdacht stehenden "Gruppe Freital" war bei Facebook mit der Freien Kameradschaft befreundet.
Verfassungsschutz beobachtete Kameradschaft
Die Kameradschaft wird auch vom Verfassungsschutz beobachtet. Im aktuellen Jahresbericht für 2015 (PDF, 5MB) heißt es:
"Durch
die fortdauernde Aufnahme von Asylbewerbern in Deutschland kam es in
dieser Szene zu einem anhaltenden Politisierungsprozess. Dieser führte
in der sonst eher strukturarmen subkulturell geprägten
rechtsextremistischen Szene zu diversen Gruppenbildungen, aus denen in
Einzelfällen auch neue neonationalsozialistische Gruppierungen
entstanden. Ein Beispiel hierfür ist die „Freie Kameradschaft Dresden“,
auch bekannt als „Freie Aktivisten Dresden“.
Weiterhin schreibt der sächsische Verfassungsschutz:
"Während
die vormals als „Freie Kräfte Dresden“ aktiven Strukturen, wie
beschrieben, im Wesentlichen im JN-Stützpunkt Dresden aufgegangen sind,
wurde die öffentliche Wahrnehmbarkeit von Strukturen mit teils
subkultureller, teils neonationalsozialistischer Ausrichtung geprägt,
die mit Facebook-Profilen wie „Freie Kameradschaft Dresden“ und „Freie
Aktivisten Dresden“ an die Öffentlichkeit drängten. Über diese auf
Facebook verwendeten Bezeichnungen hinaus wurde jedoch auf die
Verwendung von Gruppennamen verzichtet. Die Strukturen verfügen zudem
über Verbindungen in die subkulturell geprägte rechtsextremistische
Szene, einschließlich zu Hooligans. Die Grenzen verlaufen dabei fließend
bzw. verwischen zunehmend."
Freie Kameradschaft in Verbindung mit JN
Die Freie Kameradschaft ist laut Verfassungsschutz offenbar auch eng verzahnt mit der NPD-Jugendorganisation "JN":
"Gleichzeitig
sympathisierten und kooperierten die JN Dresden mit den oben
beschriebenen im Jahr 2015 neu entstandenen lokalen
neonationalsozialistischen Strukturen. So forderten die JN Dresden in
einer Veröffentlichung auf dem Facebook-Profil der „Freien Kameradschaft
Dresden”: „Kameradschaft ist mehr als ein Wort“ öffentlich zum Dialog
und Schulterschluss auf: „Wenn dem so ist, dann sollte man sich auch für
eine gemeinsame Arbeit in Dresden stark machen.“Analog dazu war der
Aufruf auf dem Facebook-Profil der JN Dresden veröffentlicht worden, wo
für das Facebook-Profil der Freien Aktivisten Dresden mit dem Hinweis
„hier könnt ihr aber getrost mal ein ‘Gefällt mir‘ dalassen“ geworben
wurde."