Wenn Elternteile ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen, springen Kommunen ein, zahlen den „Unterhaltsvorschuss“. Um das Geld von säumigen Eltern einzufordern, fehle ein Druckmittel, sagt Burkhard Jung (SPD) – und schlägt vor, Führerscheine einzuziehen.
Wenn Elternteile ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen, springen Kommunen ein, zahlen den „Unterhaltsvorschuss“. Um das Geld von säumigen Eltern einzufordern, fehle ein Druckmittel, sagt Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) – und schlägt vor, Führerscheine einzuziehen. Meist werde schon die Androhung reichen, vermutet der Stadtchef.
„Mütter oder Väter, die ihre Kinder alleine groß ziehen, tragen oft auch die Verantwortung alleine“, erklärt Burkhard Jung. Allzu oft würden sie auch finanziell alleine dastehen, „weil der andere Elternteil nicht zahlen kann – oder nicht zahlen will.“ Einige Mütter und Väter – meist seien es die Väter – würden sich ihrer Verantwortung entziehen, nicht für ihre Kinder sorgen. Dann springen die Behörden in die Bresche, helfen mit dem „Unterhaltsvorschuss“ aus. „In Leipzig trifft das rund 5000 Jungen und Mädchen, die Stadt geht mit knapp zehn Millionen Euro pro Jahr in Vorleistung, damit diese Kinder finanziell unterstützt werden“, so der Stadtchef.
Das Geld werde allerdings nur bis zum zwölften Lebensjahr ausgezahlt und auch nur für höchstens sechs Jahre. Die Bundesregierung will diese Einschränkungen mit einem neuen Unterhaltsvorschussgesetz kippen. Jung: „Ich halte diese Gesetzesänderung grundsätzlich für richtig, aus einem einfachen Grund: Die Kinder können nichts für ihre Eltern. Und schon gar nichts können sie für deren Zahlungsfähigkeit oder Zahlungsmoral. Daher ist es richtig, dass der Staat hier einspringt – und sich später das Geld von den säumigen Eltern zurückholt.“
Aber dafür müsse den Behörden das entsprechende Werkzeug an die Hand gegeben werden, so der Stadtchef. „Neben denen, die nicht zahlen können, erleben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes bei denen, die nicht zahlen wollen, die abenteuerlichsten Geschichten. Hier ist kein Argument zu platt und kein Trick zu verwinkelt, wenn es darum geht, die Allgemeinheit für die eigenen Kinder zur Kasse zu bitten. Ein echtes Druckmittel, um diese Väter an ihre Verantwortung zu erinnern und Geld zurückzufordern, haben die Behörden kaum.“
In anderen Ländern sei es selbstverständlich, dass Eltern, die nicht für ihre Kinder sorgen wollen, mit dem Entzug der Fahrerlaubnis gedroht wird. „Und meist reicht die bloße Androhung auch aus“, so OBM Jung. „Die Zahlungsmoral erhöht sich sprunghaft, wenn der Führerschein in Gefahr ist. Es wäre die effektivste Waffe im Kampf gegen zahlungsunwillige Väter. In Deutschland ist dies bisher nicht möglich.“
Die geplante Gesetzesänderung des Bundes sei in der Sache richtig, aber vorschnell auf den Weg gebracht, so Jung. Für Leipzig würde das neue Gesetz bedeuten: zehn Millionen Euro mehr Ausgaben, 50 neue Personalstellen im Jugendamt, die allein die zahlreichen neuen Anträge bearbeiten müssten. „Bis zum geplanten Beginn am 1. Januar 2017 wird das nicht funktionieren. Keine Kommune hat diese gigantischen Kosten eingeplant, deren Finanzierung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden überhaupt nicht vereinbart ist.
Der Arbeitsmarkt gibt diese riesige Zahl an Verwaltungsfachleuten auf einen Schlag auch nicht her. Würde das Gesetz wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten, dann käme auf einen Schlag eine Welle an berechtigten Anträgen auf die Kommunen zu, die diese aber gar nicht bearbeiten können. Wir müssten die Hoffnungen von tausenden von Eltern, die sich eine bessere Unterstützung für ihre Kinder herbeisehnen, grob enttäuschen. Das kann niemand wollen.“ Städte und Gemeinden in Deutschland bräuchten mindestens ein halbes Jahr mehr Zeit, um sich auf die Gesetzesänderung vorzubereiten.