Irritationen um Informanten - Neue Sondersitzung zur "Gruppe Freital"

Erstveröffentlicht: 
12.11.2016

Der Verfassungs- und Rechtsausschuss des Sächsischen Landtags soll sich erneut mit möglichen Verbindungen des Verfassungsschutzes zur rechtsextremen "Gruppe Freital" befassen.

 

Ausschuss-Vorsitzender Klaus Bartl von der Linkspartei sagte MDR SACHSEN, seine Fraktion werde eine Sondersitzung beantragen. Auf ihr solle unter anderem geklärt werden, ob ein mutmaßliches Mitglied und entscheidender Hinweisgeber zum Auffliegen der Gruppe Kontakt zum sächsischen Verfassungsschutz hatte. Und das unmittelbar vor dem letzten Anschlag am 1. November 2015 auf eine Flüchtlingsunterkunft in Freital. Das sei dem Ausschuss seitens der sächsischen Behörden bei einer Sondersitzung am 28. April dieses Jahres mit "Nein" beantwortet worden. Sollte sich bewahrheiten, dass es doch einen solchen Kontakt gegeben hat, gebe es für die zuständigen Minister "Erklärungsbedarf in erheblichem Umfang", so Bartl. Zugleich sei dann fraglich, inwieweit die Aussagen des Informanten vor Gericht überhaupt verwendet werden können. 

 

Verfassungsschutz: Wir wussten nichts von Anschlagsplan


"Der Spiegel" berichtet in seiner aktuellen Ausgabe von Kontakten zwischen dem Informanten und dem Verfassungsschutz wenige Tage vor dem Anschlag. Der Pressesprecher des Landesamtes für Verfassungsschutz, Martin Döring, versicherte, dass die Behörde nichts von dem Anschlagsplan wusste. Zur Frage, ob es besagten Kontakt gab, erklärte Döring, zum operativen Geschäft mache das Amt grundsätzlich keine Angaben.

 

Der innenpolitische Sprecher der Grünen im Sächsischen Landtag, Valentin Lippmann, sagte MDR SACHSEN, sollte sich der Verdacht des Kontakts bestätigen, drohe dem Freistaat ein weiterer Verfassungsschutzskandal. Denn dann hätte der Anschlag möglicherweise unter den Augen des Geheimdienstes stattgefunden.

Lippmann ist zudem darüber aufgebracht, dass den Abgeordneten möglicherweise Informationen vorsätzlich verschwiegen wurden. In mehreren Anfragen sowie im Ausschuss habe die Frage nach Informanten mehrfach im Raum gestanden. Sollte es den Kontakt tatsächlich gegeben haben, hätte die Landesregierung die Abgeordneten belogen, so Lippmann. 

 

Angriff wurde kurzfristig verabredet

 

Dass der Informant konkrete Hinweise zum Anschlag am 1. November 2015 gemacht hat, ist nach Informationen von MDR SACHSEN eher zweifelhaft. Denn wenn er, wie "Der Spiegel" berichtet, am 20. Oktober bei der Polizei war, am 27. Oktober eine Aussage gemacht hat und am 28. Oktober mit seiner Freundin nach Ägypten geflogen ist, war er zum Tatzeitpunkt gar nicht da.

 

Indizien sprechen dagegen, dass er in die Vorbereitungen einbezogen war. Laut Anklageschrift des Generalbundesanwalts haben sich die Angreifer am 31. Oktober bei einem Treffen an einer Tankstelle in Freital zu dem Angriff verabredet und ihn in der folgenden Nacht durchgeführt. Anders als bei anderen Taten sei der Angriff auf die Flüchtlingsunterkunft nicht über den sogenannten schwarzen Chat koordiniert worden, zu dem besagter Informant Zugang hatte. Dem schwarzen Chat gehörten MDR-Informationen zufolge 16 Personen an. Sie wurden speziell eingeladen. Der Verfassungsschutz erhielt wohl erst am 27. Oktober, durch die Aussage des Zeugen, Zugang zu dem streng geheimen Forum.

 

"Gruppe Freital" Die Gruppe Freital bildete sich im Sommer 2015 und beging eine Serie von zunehmend gefährlichen Anschlägen. Der letzte ereignete sich in der Nacht auf den 1. November 2015, als die Gruppe eine Unterkunft für Asylbewerber aufsuchte und von außen Feuerwerkskörper an den Fensterscheiben anbrachte. Die pyrotechnischen Sprengsätze stammten aus Tschechien


und waren in Deutschland verboten. Als sie explodierten, flog Glas aus den geborstenen Fenstern umher. Ein Bewohner der Unterkunft erlitt Schnittwunden im Gesicht.

Die Terrorgruppe soll auch Sprengsätze am Auto eines Stadtrats der Linkspartei angebracht haben sowie am Freitaler Büro der Partei. Außerdem soll die Gruppe das Gebäude des alternativen Wohnprojekts "Mangelwirtschaft" in Dresden angegriffen haben.

Im April übernahm der Generalbundesanwalt in Karlsruhe den Fall und ermittelte wegen Terrorismusverdachts. Inzwischen ist Medienberichten zufolge Anklage erhoben worden. Eine offizielle Bestätigung steht noch aus. Den acht Beschuldigten wird versuchter Mord und die Bildung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen.