Aktivisten haben an der Schallschutzwand den Kalten Krieg wieder lebendig werden lassen - und den "Checkpoint Ali" aufgebaut.
Von Anna Hoben
Am Ende kommen beide Seiten doch noch kurz ins Gespräch: die Leute vom "Checkpoint Ali" und einige Anwohner, die die Sache bis dahin aus einigem Abstand beobachtet haben. Sie wünsche sich, "dass die Menschen in Neuperlach ihre Herzen öffnen", sagt eine junge Frau und erntet herzhaftes Gelächter. Es fällt das Wort "Bahnhofsklatscher", jene sollten doch alle einen Geflüchteten bei sich zu Hause aufnehmen, fordert ein älterer Mann. Der Rest ist grimmiges Schweigen.
Es ist eine skurrile Szenerie am Mittwochnachmittag in Perlach: Auf einem Bürgersteig ein kleines, weißes Häuschen, daneben Menschen mit grünen Filzjackets am Leib und Rotkäppchen-Sektflaschen in der Hand. Einer stimmt die "Internationale" an; es folgen Rufe: "Die Mauer muss weg, die Mauer muss weg!" Die Mauer, das ist die Lärmschutzwand, neben der die Versammlung stattfindet. Sie trennt ein Wohngebiet von einer noch nicht bezogenen Unterkunft für 160 jugendliche Flüchtlinge und hat es zu fragwürdiger Berühmtheit gebracht, seit ein Stadtteilpolitiker ein Video mit Luftaufnahmen ins Internet gestellt hat, gefilmt mit einer Drohne.
Etwa 50 Menschen passieren von 16 Uhr an den Grenzübergang, der "ein historisches Zeichen für Weltoffenheit" sein soll, zwei Stunden lang ist der Übertritt möglich. Die satirische Aktion mit dem "Checkpoint Ali" ausgedacht haben sich der Kleinkunstveranstalter Till Hofmann und seine Truppe vom Flüchtlingsprojekt Bellevue di Monaco. "Wir tragen die große Hoffnung, dass von dieser Stelle aus ein großer Schritt für die Völkerverständigung ausgehen wird", hieß es.
Kammerspiel-Intendant Matthias Lilienthal ist gekommen, Münchner Prominente wie die Schauspielerin Brigitte Hobmeier, der Musiker Peter Brugger von Sportfreunde Stiller, der Kabarettist Urban Priol und die Regisseurin Doris Dörrie unterstützten die Aktion. Ihre Gesichter sind auf einer Fotomontage zu sehen, mit der die Macher für die Aktion warben. Alle zwölf Prominente tragen Uniformen der Nationalen Volksarmee, die aus dem Fundus des Volkstheaters stammen.
Auch der einstige Fußballspieler Jimmy Hartwig, der in den Siebzigern in Diensten des TSV 1860 München stand und heute als Integrationsbotschafter des Deutschen Fußball-Bundes in Flüchtlingsheimen unterwegs ist. Die Mauer muss seiner Ansicht nach ganz schnell wieder weg, sagt er: "Ich bin erschrocken, dass die Kinder da eingesperrt werden."
Über solche Äußerungen schütteln die Anwohner die Köpfe. Es gehe einzig und allein um den Lärmschutz, sagen sie. Ein Polizist älteren Semesters, der die Demonstration begleitet, erzählt indes amüsiert, dass es zu seinen Ausbildungszeiten auch noch solche Filzjackets gegeben habe, wie sie die "Beamten" vom "Checkpoint Ali" tragen. Was das Problem mit der Lärmschutzmauer ist, versteht er dagegen nicht ganz. "Ist doch besser so, als wenn nachher wegen Beschwerden immer die Polizei kommen muss."