AfD-Fraktion beschäftigt Mitarbeiter mit extrem rechter Vergangenheit

Erstveröffentlicht: 
10.11.2016
Vor sechs Jahren organisierten sie eine Vortragsreihe für die Wortführer der Neuen Rechten. Heute arbeiten sie für die AfD. Einer von Ihnen will sogar Deputierter werden.

 

 

Eine Parlamentsfraktion ist nur so gut wie die Organisation, die sie trägt. Wer erfolgreich politisch arbeiten will, braucht Leute, die Termine koordinieren, Protokolle anfertigen, Stellungnahmen formulieren, Informationen einholen, Akten anlegen und verwalten. Dafür beschäftigen die Bürgerschaftsfraktionen Mitarbeiter. So auch die AfD.

 

Doch wer für die Rechtspopulisten in der Hamburger Bürgerschaft arbeitet, war bislang weitgehend unbekannt. Die Fraktion veröffentlicht keine Namen. Nun aber liegen ZEIT ONLINE Dokumente vor, aus denen hervorgeht, dass zwei Mitarbeiter der AfD-Fraktion in der Vergangenheit Kontakte ins extrem rechte Lager pflegten. Es handelt es sich um Torsten Uhrhammer und Justus Burgdorf. Beide seien bei der AfD-Fraktion beschäftigt, bestätigte der Fraktionsvorsitzende Jörn Kruse.

 

Urhammer war in der Vergangenheit vorgeworfen worden, er sei Mitglied der DVU gewesen. Die rechtsextremistische Partei hatte sich 2011 aufgelöst. Diese Mitgliedschaft hatte eine Debatte darüber entfacht, ob Urhammer Mitglied der AfD werden könne. 2014 teilte die AfD dem Hamburger Abendblatt mit, dass Uhrhammer "kein Vollmitglied" und "nicht stimmberechtigt" sei. 

 

Jugendsünde DVU-Mitgliedschaft?


Doch offenbar nimmt die Fraktion Urhammers Dienste dennoch gerne in Anspruch. Fraktionschef Kruse sagte ZEIT ONLINE, die Abgeordneten hätten Urhammers DVU-Vergangenheit diskutiert. Er selbst halte das jedoch für eine Jugendsünde. Urhammer sei ein sehr politisch denkender Kopf.

 

Auch Burgdorf lobte Kruse als wichtigen Mitarbeiter und hervorragenden Juristen. Von Verbindungen Burgdorfs in die extrem rechte Szene wisse er nichts. Bis Sommer war der Rechtsanwalt zudem Mitglied des Schiedsgerichts der AfD. Nun möchte er für die AfD als Deputierter in die Justizbehörde gewählt werden. Als Deputierter nähme er Teil an grundsätzlichen Entscheidungen in der Behörde, etwa an der Aufstellung und Durchführung des Haushaltsplans, und er würde sich mit Personalvorschlägen befassen. Bislang allerdings lehnten es die anderen Bürgerschaftsfraktionen ab, Burgdorf in dieses Amt zu wählen.

 

Dafür gibt es gute Gründe. Es liegen weitere Belege dafür vor, dass Urhammer und Burgdorf enge Kontakte in die rechte Szene pflegten. Die beiden Männer organisierten 2009 eine Reihe rechtsintellektueller Bildungsveranstaltungen, deren Vortagsliste sich wie ein Who's who der Neuen Rechten liest. 

 

Eine Bühne für die Neue Rechte


Urhammer publizierte damals des Öfteren in der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit und der neurechten Zeitschrift Sezession. Außerdem engagierte er sich in Hamburg für die älteste politische Bildungsvereinigung rechts der CDU, die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft e.V. (SWG). Diese Gesellschaft hatte im Laufe ihrer mehr als 50-jährigen Vereinsgeschichte immer wieder ehemaligen Angehörigen von NSDAP, SA und SS, aber auch nationalkonservativen Vertriebenenpolitiker und Vordenker der Neuen Rechten eine Bühne verschafft. So ging es auf den Veranstaltungen der SWG unter anderem um die Leugnung der deutschen Schuld am Zweiten Weltkrieg, die "Ehrenrettung" von Wehrmacht und Waffen-SS, die Rückgewinnung der ehemaligen deutschen Ostgebiete und die Relativierung des Holocausts.

 

Anfang der 2000er Jahre drohte die SWG zu überaltern und suchte nach Möglichkeiten, junge Leute für sich zu gewinnen. So legte die Gesellschaft 2009 ein neues Veranstaltungsformat namens Hamburger Freiheitsgespräche (HF) auf. Uhrhammer wurde zur gleichen Zeit neuer Regionalleiter der SWG. Um sich ein jüngeres Publikum zu erschließen, fanden die Veranstaltungen meist im Haus der Studentenverbindung Landsmannschaft Mecklenburgia Rostock (LMR) statt. Von Seiten dieser schlagenden Verbindung aus der Sierichstraße zeichnete Justus Burgdorf "mit besten Grüßen" neben Uhrhammer als Verantwortlicher in mehreren Einladungen. 

 

Pegida-Ideengeber Kubitschek zu Gast


Den Auftakt der HF machte im März 2009 einer der inzwischen wohl bekanntesten Vordenker der Neuen Rechten, Götz Kubitschek, zum Thema "Was ist für Konservative heute zu tun?". Kubitschek gilt sowohl als Ideengeber für Pegida, wo er mehrfach als Redner auftrat, als auch für die völkische Identitäre Bewegung. Zudem unterhält er gute Kontakte zum rechten Flügel der AfD um Björn Höcke.

 

Kubitschek hatte das neurechte Institut für Staatspolitik (IfS) gegründet, das auch die Sezession herausgibt. Sowohl das IfS als auch ein Lesertreff Hamburg der Sezession waren neben der SWG Mitveranstalter mehrerer Freiheitsgespräche. Das geht aus Ankündigungen und Einladungen hervor, die ZEIT ONLINE einsehen konnte. Als weitere Referenten wurden angekündigt:

  • Felix Menzel (Mai 2009), als Chefredakteur der neurechten Jugendzeitung Blaue Narzisse. Menzel gilt heute als Schlüsselfigur der Identitären Bewegung.
  • Erik Lehnert (September 2009), seit 2008 Geschäftsführer des IfS. Er sollte zusammen mit Kubitschek über den ehemaligen Obersturmführer und Kriegsberichterstatter der SS, Joachim Fernau, vortragen.
  • Ellen Kositza (November 2009) zum Thema "Gender Mainstreaming". Kositza ist mit Kubitschek verheiratet und eine der wenigen Frauen der Neuen Rechten. Sie schreibt ebenfalls für die Junge Freiheit und ist Redakteurin der Sezession.
  • Karlheinz Weißmann (Dezember 2009) zum Thema "Konservativer Katechismus".  Weißmann gründete mit Kubitschek das IfS und war bis 2014 für das Institut tätig, außerdem publizierte er lange Zeit für die Sezession.
  • Menno Aden (Oktober 2011). Der SWG-Vorsitzende betätigt sich als Geschichtsrevisionist und stellte die offiziellen Zahlen der im Holocaust ermordeten Juden in Frage. Dennoch wurde er 2014 als AfD-Kandidat für das Europaparlament vorgeschlagen.

Die Veranstaltungsreihe von Uhrhammer und Burgdorf erwies sich schon nach kurzer Zeit als Erfolg. Manfred Backerra, früherer Regionalleiter der SWG, zog im Juni 2009 Bilanz: Über die Ausdehnung des Interessentenkreises auf "akademische Verbindungen und andere der SWG geistig nahe stehende Institutionen" sei es gelungen, mehr und jüngere Teilnehmer anzuziehen. 

 

Burschenschaft feiert Tiroler Feuernacht


Doch nicht nur die wichtigsten Ideologen der Neuen Rechten wurden zu den HF eingeladen, sondern mit Gisa Pahl auch eine der umtriebigsten Rechtsanwältinnen der Naziszene. Der frühere Hamburger Leiter des Verfassungsschutzes Manfred Murck bezeichnete Pahl als "eine wichtige Stütze der aktiven, gewaltorientierten rechtsextremistischen Szene in Norddeutschland und darüber hinaus". Schon im Hamburger Verfassungsschutzbericht für 2010 wurde Pahl namentlich erwähnt: "Pahl hat in der gesamten rechtsextremistischen Szene eine hohe Akzep­tanz und wird häufig für Rechtsschulungen eingeladen, u.a. von Parteiglie­derungen der NPD." Trotzdem wurde sie ein Jahr später für den 28. März 2011 zu einem Vortrag in das Haus von Burgdorfs schlagender Verbindung eingeladen. Kurzfristig wurde die Veranstaltung mit Pahl dann ins Hotel Baseler Hof verlegt, wo sie allerdings wegen Protesten auch nicht stattfinden konnte. Als Kontaktadresse für die verlegte Veranstaltung und weitere der HF wurde aber bis Mai 2011 immer noch die Landsmannschaft Mecklenburgia angegeben.

 

2014 wurde Burgdorf in den Alt-Herren-Convent der Landsmannschaft Mecklenburgia aufgenommen. Die Verbindung ist so harmlos nicht. Schon 1993 wurde sie in einem vertraulichem Verfassungsschutzbericht als "zumindest rechtsextremistisch beeinflusst" aufgeführt. Die Mecklenburgia gehört dem Hamburger Waffenring an, einem Zusammenschluss schlagender Verbindungen. Sie pflegt gute Kontakte zur extrem rechten Burschenschaft Germania und machte auch eigenständig schon einschlägige Veranstaltungen. Wie beispielsweise 2011 eine Semesterabschlusskneipe mit dem Titel "Im Heil’gen Land Tirol", anlässlich des "50. Jahrestages der Südtiroler Feuernacht, dem flammenden Fanal wider die italienische Fremdherrschaft". Bei dem als "flammendes Fanal" verharmlosten Anschlägen starb der Straßenarbeiter Giovanni Postal durch eine Bombe, die Südtirolseparatisten gelegt hatten.

 

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