Interview mit einer Vertreterin der Revolutionären Aktion Stuttgart mit Einschätzungen und Infos zum Revolutionären 1. Mai.
Bereits im 7. Jahr in Folge wird es 2010 in Stuttgart eine Revolutionäre 1. Mai Mobilisierung geben. Eine Vertreterin der Revolutionären Aktion Stuttgart informiert im Interview über die diesjährigen Planungen.
Stattweb:
Zunächst vielleicht ein kurzer Rückblick. 2004 wurde in Stuttgart die
Tradition eigenständiger revolutionärer Demonstrationen am 1. Mai
wieder aufgenommen. Ihr habt sie damals initiiert und seitdem in jedem
Jahr mitgetragen, wie verliefen die Mobilisierungen seither aus Eurer
Sicht?
Eva:
Als 2004 erstmalig seit mehreren Jahren am 1. Mai wieder eine
Revolutionäre Demo in Stuttgart organisiert wurde gab es natürlich
große Skepsis. Berlin und Zürich, aber auch Nürnberg, sowie die
Aktivitäten gegen die verschiedenen Nazi-Aufmärsche am 1. Mai ziehen
immer auch aus der Region Stuttgart Leute an. Daher war nicht klar ob
sich an diesem Termin überhaupt eine größere Anzahl Leute mobilisieren
lässt. Dazu kam, dass ein Teil der sich als antikapitalistisch
begreifenden Organisationen zur DGB Demo mobilisiert und aus
verschiedenen Gründen nicht zu einer eigenständigen revolutionären
Demo.
Die Skepsis ist allerdings recht schnell verflogen und die
Revolutionäre 1. Mai Demo hat sich hier ebenso wie das anschließende
Fest etabliert. Es nahmen immer mehrere hundert Menschen teil und die
Mobilisierung in Stuttgart gehört mittlerweile zu den größten
Revolutionären 1. Mai Demonstrationen bundesweit. Auch Repressalien wie
Polizeiübergriffe auf die Demo und Strafverfahren gegen den Anmelder
haben nicht zu einer Schwächung der Mobilisierung geführt.
Es wurde auch geschafft auf Schwierigkeiten zu reagieren. Im letzten
Jahr wurden am 1. Mai z.B. etwa 200 Menschen nach Ulm zu Aktivitäten
gegen den dortigen Naziaufmarsch mobilisiert. Am nächsten Tag haben
sich dann immer noch mehrere hundert Menschen an einer revolutionären
Demo in Stuttgart beteiligt.
Wir versuchen die Mobilisierung auch sonst immer möglichst
abwechslungsreich zu gestalten, so wurden einmal z.B. während der Demo
mehrere hundert DVDs verteilt. Darauf waren diverse Videos, Musik,
Texte und Audiodateien zur Beschäftigung mit der Geschichte der
revolutionären Linken zu finden. Dazu gab es im Vorfeld schon Open Air
Kino Vorführungen, ein abwechslungsreiches Programm beim Fest am 1. Mai
und kleine Agit-Prop Aufführunge bei der Demo. Es soll auch in diesem
Jahr über eine normale Demo, die von A nach B läuft und dann zu Ende
ist hinausgehen.
Wichtig ist auch, dass die Beteiligung bei den Demos erfreulich breit
gefächert ist: es nehmen Leute aus sehr unterschiedlichen Spektren
teil, die sich aber darin einig sind, dass der Kapitalismus überwunden
und eine befreite Gesellschaftsordnung verwirklicht werden muss.
Stattweb: Gab und gibt es im Vorfeld der Demo auch wieder Aktivitäten und Veranstaltungen zur Mobilisierung?
Eva:
Bisher gab es bei einigen Demos und Kundgebungen Stellwände zur
Revolutionären 1. Mai Mobilisierung, etwa bei einer Kundgebung im
Rahmen der Sozialproteste und beim Ostermarsch. Darauf waren Bilder und
kurze Berichte der letzten Jahre zu finden und es wurden Flyer für die
diesjährige Mobilisierung verteilt.
Veranstaltungen gab es im Vorfeld des 1. Mai zwei: Eine zur
Kulturrevolution in China, bei der es um eine sachliche
Auseinandersetzung mit den damaligen Erfahrungen ging. Wir halten
dieses Kapitel linker Geschichte gerade im Hinblick auf eine Bekämpfung
bürokratischer und kapitalistischer Entwicklungen innerhalb
sozialistischer Revolutionen für recht wichtig.
Die zweite Veranstaltung ging um die Novemberrevolution 1918 und
weitere bewaffnete Aufstände bis 1923. Hier wurde insbesondere die
damalige Organisierung der revolutionären Linken thematisiert. Auch
hier halten wir viele der damaligen Erkenntnisse für unseren heutigen
Kampf für wichtig, etwa die Problematik des Fehlens einer starken
revolutionären Organisation.
Generell hätten wir im Vorfeld des 1. Mai gerne noch mehr Veranstaltungen oder Mobilisierungsaktionen gemacht, es liefen und laufen aber einige weitere Aktivitäten die recht viele Kapazitäten verschlungen haben – unter anderem die Solidaritätsarbeit zum Prozess gegen sieben Antifaschisten, ein neues Hausprojekt und schon die Vorbereitung zweier Mobilisierungen im Juni und im Juli, einmal im Rahmen der bundesweiten Sozialproteste und einmal gegen ein öffentliches Gelöbnis in Stuttgart. Da bei diesen Aktivitäten aber auch viel diskutiert und erarbeitet wurde und sie in die 1. Mai Mobilisierung mit einfließen, ist es nicht weiter tragisch dass es dieses Jahr nicht noch für Aktionen wie ein Open Air Kino im Vorfeld o.ä. gereicht hat.
Stattweb: Welchen inhaltlichen Schwerpunkt, bzw. welche Stoßrichtung setzt ihr bei der diesjährigen Revolutionären 1. Mai Mobilisierung?
Eva:
Im Rahmen der Initiative für einen Revolutionären 1. Mai, dem Bündnis
in dem die verschiedenen Gruppen und AktivistInnen zum 1. Mai in
Stuttgart arbeiten, wurde sich darauf verständigt, insbesondere die
Notwendigkeit des Klassenkampfes in der kapitalistischen Krise zu
thematisieren. Kurz zusammengefasst: Wenn versucht wird auf die
Krisenerscheinungen des Kapitalismus mit Entlassungen, Kürzungen im
sozialen und kulturellen Bereich, mit einer Verschärfung der
Ausbeutung, der immer weiter reichenden Ausrichtung gesellschaftlicher
Bereiche nach Kapitalinteressen, aber auch mit imperialistischen
Kriegen zu reagieren, gibt es nur eine richtige Antwort – nicht
zurückstecken, sondern dieser Politik den Kampf ansagen! Dieser Kampf
muss natürlich im Bereich des politischen Widerstandes stattfinden,
also bei Mobilisierungen gegen Krieg, Umweltzerstörung, die aktuelle
Bildungspolitik etc. Er muss aber auch in den Betrieben, durch
Arbeitskämpfe, die Vorbereitung politischer Streikaktionen und
ähnliches geführt werden. Es ist nicht die Sache einiger Linker die
Verhältnisse zu verändern, sondern kann letztlich nur die Sache der
Klasse der Lohnabhängigen als ganzes sein.
Der Inhalt des Aufrufes und das Motto „Den Klassenkampf organisieren –
Kapitalismus abschaffen! Heraus zum Revolutionären 1. Mai!“ wurde
entsprechend dieser inhaltlichen Stoßrichtung gewählt.
Für uns als Organisation und den GenossInnen die mit uns eng
zusammenarbeiten, haben wir außerdem die Organisierungsfrage als
zentrales Element der Mobilisierung herausgestellt. Wir halten es u.a.
deswegen, weil sich die konkreten Bedingungen revolutionärer Politik
hier massiv verändern – etwa der Klassenwiderspruch immer offener
zutage tritt – für notwendig einen revolutionäre Aufbauprozess
voranzutreiben. Unser Ziel muss es sein nicht nur Kämpfe zu entfalten,
sondern Strukturen auf verschiedenen Ebenen und auch eine revolutionäre
kommunistische Organisation in der BRD aufzubauen. Die 1. Mai
Mobilisierung bietet sich dafür an diesen Anspruch zu thematisieren, da
sie wie keine andere Mobilisierung eben für einen offensiven Kampf, für
eine Überwindung des kapitalistischen Systems und eine revolutionäre
Perspektive steht. Für all dies ist der Aufbau von Strukturen, ist eine
Organisierung zentral.
Wir haben dementsprechend auf einer Plakatreihe zum Klassenkampf, sowie
dem Kampf gegen Repression und gegen Militarismus, aber auch den
revolutionären Prozess im Allgemeinen die Notwendigkeit von Aktivitäten
und den Aufbau von Strukturen thematisiert.
Mehr dazu ist in unserer 1. Mai Zeitung zu finden, die in den Tagen vor dem 1. Mai erscheinen wird.
Neben diesen inhaltlichen Schwerpunkten werden im Rahmen des 1. Mai auch verschiedene Aktivitäten thematisiert: Der Prozess hier gegen sieben Antifaschisten, die Mobilisierung am 12. Juni in Stuttgart, zu einer Großdemo im Rahmen der Sozialproteste, zu Aktionen gegen ein öffentliches Gelöbnis am 30. Juli, sowie die Schaffung einer neuen Infrastruktur für linke und antifaschistische Politik im Rahmen eines Sozialen Zentrums in Stuttgart. Zu all dem wird es am 1. Mai verschiedene Info- und Mobilisierungsmaterialien, Redebeiträge u.ä. geben.
StattWeb:
Inhaltlich ist die Mobilisierung also gut gefüllt, kommen wir dann zu
den konkreten Aktivitäten. Sag doch zuerst was zur Mobilisierung zur
DGB Demo. Ihr ruft dort zur Beteiligung an einem klassenkämpferischen
Block auf, was aber offenbar nicht von allen Gruppen im Bündnis
unterstützt wird...
Eva:
Ja, der Tag beginnt mit der Mobilisierung zu DGB Demo um 10 Uhr am
Marienplatz. Dort soll deutlich gemacht werden, dass die Zugeständnisse
ans Kapital, die Stillhaltepolitik der Gewerkschaftsführung der falsche
Weg ist. Gerade in den Gewerkschaften, die die Aufgabe haben die
Interessen der gesamten ArbeiterInnenklasse zu vertreten ist das
Eintreten für die richtige Linie zentral: Die Beschäftigten der
verschiedenen Länder, Branchen, Betriebe und der verschiedenen
Beschäftigungsverhältnisse – LeiharbeiterInnen, tariflich Bezahlte usw.
– dürfen sich nicht gegeneinander ausspielen lassen. Genau das
geschieht aber mit den ständigen Zugeständnissen an die
Kapitalistenklasse und das Hinnehmen der Politik der bürgerlichen
Parteien. Das Auseinanderklaffen der Schere zwischen arm und reich, die
zunehmende Armut und immer miesere Arbeitsbedingungen, sowie der
Vertrauens- und damit auch Mitgliederverlust der Gewerkschaften ist
auch Folge dieser Zugeständnisse. Außerdem ist eine Festlegung der
Gewerkschaftsforderungen ausschließlich auf Veränderungen innerhalb des
Kapitalismus ein Verrat an den Interessen der Beschäftigten. Spätestens
wenn dieses System für immer weitere Angriffe auf die Rechte am
Arbeitsplatz, auf Löhne und die soziale Absicherung steht, dürfen die
Gewerkschaften eine Alternative zumindest nicht ausschließen.
Mit einer Beteiligung an der Demo geht es folglich darum innerhalb der
Gewerkschaften für eine klassenkämpferische Linie einzutreten und die
AktivistInnen und Strukturen die diese dort vertreten zu unterstützen.
Es geht aber auch darum, deutlich zu machen dass eine Ablehnung der
Gewerkschaften als Ganzes der falsche Weg ist. Positionen die
behaupten, ohne die hemmenden Gewerkschaftsstrukturen könnten sich die
Klassenkämpfe besser entfalten, lehnen wir ab. Es zeigt sich vielfach,
dass es gerade dort wo keine Gewerkschaftsstrukturen vorhanden sind,
nicht mehr sondern sogar noch weniger Klassenbewusstsein und noch
weniger Arbeitskämpfe gibt. Als Revolutionäre haben wir die Aufgabe,
die Gewerkschaften nicht den sozialdemokratischen und bürgerlichen
Kräften zu überlassen und sowohl innerhalb als auch außerhalb der
Gewerkschaften für eine klassenkämpferische Linie einzutreten.
Konkret rufen wir und weitere Gruppen also dazu auf, an der
Gewerkschaftsdemonstration teilzunehmen und dort mit Schildern,
Transparenten und Parolen für ein Ende der Zugeständnisse ans Kapital
und für den offensiven Klassenkampf einzutreten. Der
klassenkämpferische Block soll sich vom Rest der Demo aber nicht
abkapseln! D.h. er soll nicht wie z.B. bei militanten Demos
geschlossen, vermummt o.ä. auftreten, sondern ist eher als ein Bereich
der Demo geplant in dem die genannten Positionen sichtbar vertreten
werden. Das ganze kann sich auch über die Demo verteilen, wichtig ist
die Präsenz und nicht die Selbstdarstellung.
Mehr dazu ist in einem Aufruf zur Gewerkschaftsdemo zu finden, der u.a.
auf unserer Homepage veröffentlicht ist und bereits in einer Auflage
von mehreren tausend Exemplaren verteilt wurde.
Da es im Bündnis auch eine Gruppe gibt, die nicht zur Gewerkschaftsdemo
mobilisieren will, wurde er nicht vom Bündnis sondern von einzelnen
Gruppen veröffentlicht.
StattWeb: Nach der Gewerkschaftsdemonstration geht es dann direkt weiter mit der Revolutionären 1. Mai Demo. Kannst Du dazu kurz ein paar Infos geben?
Eva:
Die revolutionäre 1. Mai Demonstration beginnt um 11 Uhr auf dem
Marktplatz, also unweit des Abschlusskundgebungsplatzes der DGB Demo.
Die Route führt dann u.a. am Landgericht vorbei, wo die staatliche
Repression und der Antifa-Prozess thematisiert werden, nach Stuttgart
Heslach. Die Abschlusskundgebung findet wieder auf dem Erwin Schöttle
Platz statt, wo wenige Meter entfernt direkt im Anschluss auch das 1.
Mai losgeht.
Bei der Demo wird es u.a. Reden zu staatlicher Repression, zu Stuttgart 21 und zu den kommenden Mobilisierungen geben.
Wir hoffen auf eine kraftvolle Demo, die motivierend wirkt und ihren
klassenkämpferischen und revolutionären Standpunkt gut rüberbringt..
Dementsprechend wird auch versucht darauf hinzuwirken, dass sich die
TeilnehmerInnen dementsprechend einbringen. D.h. es sollen viele Fahnen
und Schilder präsent sein und Parolen gerufen werden, die mehr
vermitteln als die Wut auf das Polizeiaufgebot bei der Demo. Das
oftmals recht szenige und abschottende Auftreten linker Demos, mit
teilweise recht pöbeligen Parolen u.ä. soll zukünftig immer weiter
überwunden werden. Das kann an dieser Stelle auch noch mal als Aufruf
formuliert werden: Kommt zur Demo, bringt Fahnen, Schilder und Trommeln
oder ähnliches mit und tragt zu einem ansprechendem Auftreten der Demo
bei.
StattWeb: Im Anschluss gibt es auch wieder das 1. Mai Fest in Stuttgart-Heslach, was ist dieses Jahr für dort geplant?
Eva: Das
Fest findet im Generationenhaus in Stuttgart-Heslach statt. Es gibt ort eine große Freifläche bei der man das gute Wetter genießen kann
und auch einen großen Saal für den Fall dass es regnen sollte. Für
ausreichende Bewirtung ist dort gesorgt, dazu wird es wieder ein
Polit-Quiz mit verschiedenen Preisen und Infotische geben. Am
Nachmittag, gegen 16.30 Uhr tritt der Kabarettist Peter Grohmann auf.
Am Abend findet für die Freundinnen und Freunde von Punk und Hardcore
auch noch ein Konzert im Komma in Esslingen statt. Es ist also den
ganzen Tag etwas geboten.
StattWeb:
Kannst Du zuletzt noch etwas zum Spektrum sagen dass den Revolutionären
1. Mai organisiert bzw. sich daran beteiligt. Hat sich dort über die
Jahre etwas verändert oder blieb das konstant?
Eva:
Mit der „Libertären Initiative Stuttgart (List)“ ist in diesem Jahr
eine Gruppe nicht mehr dabei, die sich im vergangenen Jahr noch
beteiligt hatte. Der Grund dafür sind relativ tiefgehende politische
Differenzen. Sie hatten u.a. bei einer Rede die Linkspartei mehr oder
weniger mit der NPD gleichgesetzt und sind auch ansonsten mit
sektiererischen, verbalradikalen aber perspektivlosen Positionen statt
mit irgendeiner sinnvollen politischen Praxis aufgetreten. Es gab daher
für uns und auch für andere Gruppen im Bündnis keinerlei Bedarf nach
einer erneuten Zusammenarbeit.
Das Bündnis wird ansonsten nach wie vor von Gruppen und AktivistInnen
sowohl kommunistischer als auch libertärer Strömungen getragen. Der
Kreis ist allerdings im Gegensatz zu den revolutionären 1. Mai Demos in
Berlin oder Nürnberg nach wie vor sehr überschaubar. Wir werden auch
zukünftig versuchen darauf hinzuwirken, dass sich bei der Organisierung
im Vorfeld noch mehr Gruppen und AktivistInnen einbringen.
Fie Beteiligung an der Demonstration war in den vergangenen Jahren sehr
vielfältig: es kamen Linke aus verschiedenen Strömungen, Aktive aus den
Bildungsprotesten, Leute von Attac, der Linkspartei und weiteren linken
Gruppen, sowie aus der Schwulen und Lesben Bewegung, AktivistInnen des
kurdischen Befreiungskampfes, GewerkschafterInnen usw.
Es ist auch der Anspruch der Demo für alle offen zu sein, die die
Überwindung des Kapitalismus und den Aufbau einer befreiten
Gesellschaftsordnung anstreben.
StattWeb: Danke für das Interview, möchtest Du den LeserInnen zum Schluss noch was sagen?
Eva:
Beteiligt Euch noch an der Mobilisierung, macht die Demo bekannt, kommt
schon am morgen des 1. Mai zur Gewerkschaftsdemo und bringt gute
Stimmung mit.