Welche Leipziger Familie kann über 3000 Euro pro Monat für ihre Wohnungsmiete aufbringen? Diese Frage stellt sich angesichts eines aktuellen Projekts der kommunalen Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) in Stötteritz.
Welche Leipziger Familie kann über 3000 Euro pro Monat für ihre Wohnungsmiete aufbringen? Diese Frage stellt sich angesichts eines Projekts der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) in Stötteritz. Vermutlich ist dem kommunalen Unternehmen die Sache selbst nicht ganz geheuer. Denn auf der LWB-Internetseite findet sich kein Hinweis auf die neuen Luxusquartiere, die gegenwärtig in der Gletschersteinstraße 53 entstehen.
Für Stötteritz wird bei den Mietangeboten nur eine einzige freie Wohnung angezeigt. Sie befindet sich in der Holzhäuser Straße 32, ist komfortabel saniert und kostet 5,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter. Im gleichen Stadtteil gehört der LWB aber noch ein ähnliches Gebäude, für das jetzt Mieter mit dicker Brieftasche gesucht werden. Nur eben nicht auf der normalen Internetseite des Unternehmens. Dafür hängst an der bereits fertig sanierten Fassade vor Ort eine Werbeplane: „Stilvoll wohnen: 80 bis 210 Quadratmeter, www.gletschersteinstraße.de“.
In der Umgebung bis zur Alten Messe hat Leipzigs größter Vermieter (36 000 Wohnungen) noch riesige Werbetafeln dazu gebucht, um auf das Projekt in der Gletschersteinstraße hinzuweisen. Seltsam: Wer die dazu angegebene Internetseite aufruft, erfährt erst mal gar nichts. Man muss sich dort vielmehr umfangreich registrieren, dann auf Post warten.
Einige Neugierige haben das schon getan und waren bald darauf geschockt. „Gehört es etwa zum Konzept eines städtischen Wohnungsunternehmens, Luxuswohnungen zu schaffen?“, schrieb zum Beispiel unser Leser Hansgeorg Gäbelein an die Redaktion. Um die Sache zu überprüfen, meldete sich ein LVZ-Mitarbeiter ebenfalls unter www.gletschersteinstraße.de an. Gleich am nächsten Tag bekam er eine Antwort-E-Mail. Demnach sollen die zwölf Wohnungen in dem Haus Ende 2016 oder im ersten Quartal 2017 bezugsfertig sein. Ihre Größen liegen zwischen 82 und 211 Quadratmetern, wobei sehr große Einheiten überwiegen. Schließlich hieß es in der Mail noch: „Der Kaltmietpreis beläuft sich dabei je nach Ausstattung auf 12 bis 14 Euro pro Quadratmeter. Hinzu kommen Nebenkosten in Höhe von 2,20 bis 2,50 Euro pro Quadratmeter.“
Hierzu muss man wissen, dass Stötteritz im Allgemeinen leicht unterhalb der Mitte im Leipziger Mietenniveau liegt. Laut einer Studie der Maklerfirma Pisa von diesem Sommer werden dort bei Erstbezügen im Durchschnitt 6,95 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter verlangt, in der City hingegen 11,37 Euro. Die teuersten Luxusobjekte in der Messestadt erreichen derzeit „in der Spitze 13,86 Euro“, so Pisa.
„Jenseits von Gut und Böse“ seien die Preisvorstellungen der LWB an jener Stelle, findet Silvio Krekow, Chef der renommierten Immobilienfirma Koengeter & Krekow. „Die Lage mit Blick zum Wasserturm und Völkerschlachtdenkmal ist sehr schön. Doch für Stötteritz wären aktuell neun bis zehn Euro schon recht sportlich.“
Die LWB-Wunsch-Warmmiete beträgt indes mindestens 1189 Euro, für mehrere der großen Luxuswohnungen weit über 3000 Euro im Monat, hat Roman Grabolle vom Bündnis „Stadt für alle“ ausgerechnet. „Normalverdienende Familien können das niemals bezahlen“, kritisiert er.
LWB-Sprecherin Samira Sachse betont auf Nachfrage, dass der Großvermieter weit mehr Quartiere für einkommensschwache Haushalte zur Verfügung stelle als dies vom Gesellschafter Stadt Leipzig vorgeschrieben sei. Zum Gesellschafterauftrag gehöre aber ebenfalls ein „Angebot für alle Bevölkerungsgruppen“, was besonders hochwertige Objekte einschließe. „Auch nach solchen Wohnungen gibt es eine Nachfrage, die die LWB bislang nicht befriedigen kann“, so Sachse. Das denkmalgeschützte Haus in Stötteritz habe sehr lange leer gestanden, der Sanierungsaufwand sei deshalb hoch.
Übrigens bekam der LVZ-Mitarbeiter bald noch eine Plastikkarte per Post zugeschickt. Auf ihr stand der Freischaltcode für eine extra eingerichtete LWB-App zur Gletschersteinstraße 53. „Ich bin die, die deinen Nachbarn neidisch macht“, lockte in der App eine der „Traumwohnungen“. Außerdem verriet die Datei, dass erst ein einziger solcher Traum reserviert wurde.
Von Jens Rometsch