Auf der Arno-Nitzsche-Straße entsteht für 19 Millionen Euro eine Flüchtlingsunterkunft. Bis zu 368 Personen sollen ab März 2018 dort Obdach finden. Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) nennt das Vorhaben ein „wichtiges Puzzlestück“.
Leipzig. Die geplante Flüchtlingsunterkunft auf der Arno-Nitzsche-Straße war am Donnerstagabend Thema einer Informationsveranstaltung in der Paul-Gerhardt-Kirche. Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) und Sozialamtsleiterin Martina Kador-Probst erläuterten das Vorhaben und stellten sich den Fragen der rund 80 erschienenen Bürger. Mit anwesend waren zudem mehrere Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes. Der besonnenen Atmosphäre tat dies keinen Abbruch. Obschon kritische Stimmen – vornehmlich von älteren Menschen – nicht ausblieben.
Für Fabian stellt der Neubau „ein ganz wichtiges Puzzlestück“ dar – speziell im Hinblick auf die Verteilung der Asylbewerber über das gesamte Stadtgebiet hinweg. Das sei schließlich ein ausdrückliches Ziel der Stadtverwaltung. Darüber hinaus sei der Standort durch die Nähe sowohl zu öffentlichen Verkehrsmitteln als auch zu Einkaufsmöglichkeiten „sehr gut“.
Ein Mammutprojekt für 19 Millionen Euro
Dass es unbedingt eine komplette Neuerrichtung sein müsse, begründete der Sozialbürgermeister mit einer besonderen Nachhaltigkeit: „Ein fester Bau ist langfristig viel kostengünstiger als eine Unterbringung in Containern. Zumal dort die Abnutzung sehr hoch ist.“ Die Unterkunft im multikulturellen Connewitz soll aus zwei Wohnblöcken mit vier und fünf Etagen bestehen. Außerdem soll es einen Spielplatz und ein Sportfeld geben. Unklar sei noch, was aus dem derzeit sanierten Bestandsgebäude wird, das sich ebenfalls auf dem weitläufigen Gelände befindet, so Fabian.
Die Fertigstellung ist laut Kador-Probst für Januar 2018 anvisiert. Ende März sollen dann die ersten Geflüchteten einziehen. Von bis zu 368 Personen ist die Rede. Auf die Frage, wer denn genau dort wohnen werde, konnte die Sozialamtsleiterin indes keine Antwort geben: „Dafür müssen viele Dinge berücksichtigt werden.“ Auf jeden Fall sollen es aber Asylbewerber sein – Einzelpersonen und Familien – die zum ersten Mal in Leipzig ankommen. Für ihre Betreuung seien bis zu sieben Sozialarbeiter anberaumt. Beabsichtigt ist, dass die Geflüchteten jeweils sechs Monate nach ihrer Ankunft eine eigene Wohnung beziehen.
Die seit Juni bekannten Finanzierungspläne wurden von Kador-Probst bestätigt. Demnach soll die Unterkunft 19 Millionen Euro kosten, bezahlt über ein sogenanntes Miet-Kauf-Modell. Die kommunale Baufirma LESG leihe sich das Geld bei Banken und werde für 20 Jahre Eigner der Anlage. In dieser Zeit agiere die Stadt als Mieter. Spätestens 2038 soll dann aber alles in ihren Besitz übergehen. Angepeilt werde eine Gesamtnutzungsdauer von bis zu 60 Jahren, so Kador-Probst. Die jährlichen Betreibungskosten sollen bei voller Auslastung bei 3,5 Millionen Euro liegen. Davon entfielen allein 1,3 Millionen auf die Miete.
Aktuell laufen auf dem Gelände die Gründungsarbeiten. Seit Montag werden die Wände für den Rohbau in Gang gebracht.
Faktencheck Asylbewerber in Leipzig, Stand Oktober 2016
Ende September 2016 lebten insgesamt 4434 Asylbewerber in den Unterkünften der Messestadt. Weitere 363 warteten noch in den Erstaufnahmen darauf, dass ihr Asylantrag zur Bearbeitung aufgenommen und sie deshalb die Notunterkünfte des Freistaats verlassen können. Dazu kommen 5821 Migranten, die schon länger als vier Jahre in Leipzig leben und 355 sogenannte unbegleitete minderjährige Asylbewerber.
Im bisherigen Jahresverlauf hat Leipzig insgesamt 1789 neue Flüchtlinge aufgenommen – deutlich weniger als im vergangenen Jahr, als noch mehr als 4000 Menschen zu uns kamen. Ein Drittel von ihnen kam aus dem zerstörten Kriegsgebiet in Syrien, ein weiteres Drittel aus den Krisenregionen Afghanistan und Irak. Insgesamt haben die Flüchtlinge in Leipzig 25 verschiedene Nationalitäten.
Die Hälfte aller Asylbewerber in Leipzig lebt in den aktuell 36 verschiedenen Gemeinschaftsunterkünften im gesamten Stadtgebiet. Der Rest konnte bereits eine eigene Wohnung beziehen, zu großen Teilen sogar mit eigenem Mietvertrag. Im Gegensatz zu anderen Städten gibt es in Leipzig keine zusammengewürfelten WGs einander ungekannter Flüchtlinge: In den Wohnungen leben nur Einzelpersonen oder Familien.
Die Zahl der Plätze in Leipziger Flüchtlingsheimen ist ziemlich dynamisch – auch um bestehende Notlösungen abzubauen. Ende Oktober wird beispielsweise die Unterkunft in der Messehalle 17 geschlossen, zum Jahresende geht die Zeltstadt am Deutschen Platz vom Netz. Parallel dazu entstehen in den kommenden Monaten und Jahren weiterhin neue Objekte: Im November wird zum Beispiel ein ehemaliges Wohnheim in der Bornaischen Straße, im Dezember ein früheres Autohaus in der Lindenthaler Straße und ein Ausstellungspavillon in der Straße des 18. Oktober als neue Asylunterkunft bezogen.
Für die kommenden Jahre plant der Freistaat weiterhin mit vergleichsweise hohen Flüchtlingszahlen, die laut des Königsteiner Schlüssels (Einwohnerzahl und Wirtschaftsleistung) auf alle Kommunen verteilt werden. Den Prognosen der Landesregierung zufolge wird die Messestadt in diesem Jahr 3448 neue Asylbewerber aufgenommen haben, im kommenden Jahr 2758 und in 2018 letztlich noch 2069.