Als die Alternative für Deutschland (AfD) bei ihren sächsischen Kreisverbänden wegen einer Bundestagskandidatur der Parteichefin nachfragte, hagelte es fast ausschließlich Abfuhren. Einzig aus Meißen und der Sächsischen Schweiz wurden positive Signale an die Führung gesendet.
Dresden. Es war ein gehöriger Schuss vor den Bug, den Frauke Petry im Spätsommer verkraften musste: Als die Alternative für Deutschland (AfD) bei ihren sächsischen Kreisverbänden wegen einer Bundestagskandidatur der Parteichefin nachfragte, hagelte es fast ausschließlich Abfuhren. Der Bautzener AfD-Kreis-Chef Rudolf Spitz verstieg sich gar zu der Aussage, man brauche keine Importlösung. Einzig aus Meißen und der Sächsischen Schweiz wurden positive Signale an die Führung gesendet – und genau auf diese Wahlkreise läuft die Direktkandidatur der AfD-Bundessprecherin und Landeschefin im nächsten Jahr nun auch hinaus, sagt Sachsens AfD-Generalsekretär Uwe Wurlitzer der LVZ. Bislang galt aufgrund der Gemengelage eine Kandidatur ausschließlich auf der Landesliste der Partei als sicher, war ein direkter Schlagabtausch mit Konkurrenten fraglich.
Denn Frauke Petry hat lange ein Geheimnis aus ihrer Direktkandidatur gemacht. Leipzig, ihre neue Heimat, hätte – wie bei anderen Bewerbern, die in ihrer unmittelbaren Umgebung antreten – auf der Hand gelegen. Das Problem dabei: Der Süden der Stadt, in dessen Wahlkreis die AfD-Chefin wohnt, gilt als links, auch wenn aktuell der CDU-Mann Thomas Feist im Bundestag sitzt und soeben wieder nominiert wurde. Im Norden stand bislang Bettina Kudla für die Union an der Spitze, deren Mandat vom ehemaligen Rad-Weltmeister Jens Lehmann übernommen werden soll. Die Aussichten wurden in beiden Fällen offenbar als nicht optimal eingeschätzt. Dresden wurde dagegen von vornherein ausgeschlossen, da Pegida eine Kandidatur mit diversen verbalen Ausfälligkeiten torpedieren könnte. „Wir möchten, dass Frauke Petry in einem Wahlkreis antritt, der ihrem Posten gerecht wird“, macht Uwe Wurlitzer klar, „und wir wollen mit dem Pfund in einer Gegend wuchern, in der wir ansonsten Probleme haben, an die Menschen heranzukommen.“
Deshalb also Meißen oder die Sächsische Schweiz. Für die deutschlandweit bekannte Weinregion hat gegenwärtig kein Geringerer als Bundesinnenminister Thomas de Maizière das Direktmandat inne, der 2013 mit überwältigender Mehrheit in den Bundestag geschickt wurde. Käme es tatsächlich zu dem Duell, wäre dies für beide Seiten pikant: Thomas de Maizière darf sich keine Blöße geben und möglicherweise den Kürzeren ziehen – umgekehrt muss Frauke Petry auf ihre innerparteiliche Reputation achten, eine Niederlage gegen den Minister könnte sich deshalb schnell zu einem Debakel auswachsen und die angeschlagene Parteisprecherin ins Abseits manövrieren.
In dieser Beziehung könnte sich die Sächsische Schweiz als der bessere Griff für die AfD-Chefin erweisen: Für die Region zwischen Pirna und Bad Schandau sitzt Klaus Brähmig seit 1990 im Bundestag und dort seit 2009 immerhin Chef des Tourismus-Ausschusses, in der Heimat ist er außerdem Vorsitzender des Tourismusverbandes Sächsische Schweiz. Kein Leichtgewicht, aber eine Hausnummer, die für Frauke Petry durchaus schlagbar sein könnte – selbst als jemand, der als Auswärtige nur ein Gratisticket nach Berlin möchte und nicht die urbane Ausstrahlung eines Klaus Brähmig besitzt. Nicht ohne Grund geht elbaufwärts die Angst um: Nach den schädlichen Schlagzeilen vor einigen Jahren, als die NPD in der Region zweistellige Werte erringen konnte, droht nun mit der AfD und der daraus folgenden bundesweiten Berichterstattung die nächste Image-Delle, befürchten Touristiker, heute noch hinter vorgehaltener Hand. Der sächsische AfD-Generalsekretär strotzt hingegen vor Selbstbewusstsein: „Wenn Frauke Petry in einer strukturschwachen Region antritt, sind uns Sendezeiten in den Tagesthemen quasi sicher.“
Dass das AfD-Gesicht überhaupt einen eigenen Wahlkreis braucht, ist eine Prestigefrage: Denn eigentlich ist Frauke Petry auch ohne direktes Mandat schon so gut wie in Berlin. Im Januar will die AfD in Sachsen ihre Landesliste – also die für die Zweitstimmen entscheidenden Bundestagskandidaten – aufstellen, und es gilt als ausgemacht, dass die 41-jährige Unternehmerin an der Spitze stehen wird. Schon im Jahr 2013, zur bislang letzten Bundestagswahl, hatte die Alternative für Deutschland in Sachsen aus dem Stand und ohne Direktkandidaten 6,8 Prozent eingefahren – bei der Abstimmung 2017 soll der Wert in etwa verdoppelt werden. „10 bis 15 Prozent sind realistisch. Alles andere wäre eine schöne Zugabe“, müht sich Uwe Wurlitzer in Untertreibung. Aktuell kommt seine Partei in Umfragen auf 21 bis 22 Prozent im Freistaat. Gemessen an den Stimmenanteilen von 2013 würde dies für acht bis zehn Sitze im Bundestag allein über die Landesliste reichen. Zum Vergleich: Die sächsische SPD, die vor drei Jahren auf 14,6 Prozent kam, bringt es momentan auf sechs Abgeordnete in Berlin. Möglicherweise könnten für die AfD noch direkt gewonnene Mandate hinzukommen. Immerhin treten die Rechtsaußen erstmals sachsenweit mit Kandidaten in allen Wahlkreisen an.
Deshalb gilt der Abschied von Frauke Petry aus Sachsen als reine Formsache, muss auch Uwe Wurlitzer eingestehen. Zwar ist innerhalb der Bundespartei noch umstritten, ob sie als Spitzenkandidatin antreten darf – in Sachsen steht dies aber außer Frage. Wenn schon nicht als Direktsiegerin, so soll sie wenigstens über die Landesliste abgesichert sein und einen Bundestagssitz erhalten. „Wir werden nach ihrem Abschied einen neuen Fraktionschef für den Landtag wählen und es wird für sie jemand nachrücken“, erklärt der AfD-Generalsekretär, der gleichzeitig Spekulationen über eigene Berliner Ambitionen abwehrt: „Ich bleibe definitiv in Sachsen.“ Dagegen gibt es in den Kreisverbänden schon seit Wochen ein Wettrennen um aussichtsreiche Listenplätze und Wahlkreise, um Tickets nach Berlin zu ergattern. Nicht ohne Grund sprach der Bautzner AfD-Chef unlängst von einer Importlösung, als es um Frauke Petry ging. Die Konkurrenz läuft noch rund vier Wochen, danach wird die Liste erstellt, über die Anfang 2017 ein Landesparteitag abstimmen wird.
Von Andreas Debski