Am Samstag fürchtete Wirtin Ute Stöhr eine Demo vorm Haus und sperrte zu. Zwei Tage später holt eine Schar den Protest nach – für eine Handvoll alter Flyer.
Dresden. Kleiner Eklat im Albertsaal: Zu Beginn einer AfD-Veranstaltung unter dem Dach des Schießhauses schreien offenbar ungebetene Gäste herum. Noch bevor Referent Hans Hermann Gockel, der früher die Nachrichten bei Sat 1 modierte, über den „Mut zur Wahrheit“ sprechen kann, entlädt sich im Saal die Wut der Minderheit. Schließlich werden die Demonstranten hinaus und von der Polizei die Treppe hinunter vor die Tür gebeten.
Das Traditionslokal am Schützenplatz ist seit geraumer Zeit im Visier der Antifa. Den Zorn der Autonomen hatte Wirtin Ute Stöhr auf sich gezogen, weil sie einer obskuren rechten Sekte namens „Freundeskreis der Ludendorff-Bewegung“ den großen Saal für eine Veranstaltung überlassen haben soll. Obwohl den ungebetenen Gästen schon vor Wochen abgesagt wurde, hatten Linke für vergangenen Samstag zur Demo vorm Schießhaus aufgerufen. Am Wochenende sind sie jedoch nicht gekommen, dafür aber am Montag.
Am frühen Montagabend steht zunächst nur ein Streifenwagen vor dem Gasthaus. Im Laufe des Abends erhöht sich die Zahl der Beamten kontinuierlich, später fahren auch Mannschafts-Transporter vor.
Die rund 30 Leute aus dem Dunstkreis der Antifa stehen im Regen und verhandeln vor der Tür mit der Polizei die Modalitäten ihrer spontanen Versammlung. Im geheizten Saal hören rund 50 Besucher die Worte des Redners und überhören die Sprechchöre von draußen. In der Gaststube tafelt eine große Familie und mehrere Freundeskreise verteilen sich an den übrigen Tischen, darunter auch eine Runde ehemaliger Bürgermeister.
Mittendrin eine ziemlich verwirrte Wirtin. Seit Beginn der Hexenjagd hadert Ute Stöhr mit sich und der Welt. In der Vergangenheit ist sie wohl zu naiv bei einzelnen Buchungen gewesen oder hat andere zu unreflektiert einfach machen lassen? Die Wirtin übt sich in Selbstkritik und weist alles rechte Gedankengut weit von sich – doch der einen oder anderen Fraktion der Antifa reicht das nicht.
Zwar sei dem „Freundeskreis der Ludendorff-Bewegung“, den obskuren Anbetern der „Himmler-Bibel“, schon lange abgesagt worden, was zuerst Zeit-Online mittels seiner Rubrik Störungsmelder kundtat. Doch nur zwei Tage später trifft sich die die AfD im Schießhaus. Die rechtspopulistische Partei ist bei der Antifa ebenso nicht beliebt. Ein Affront von rechts? Oder Hysterie von links? Und wo steht nun Ute Stöhr?
Die Buchung sei doch ebenfalls schon älter, sagt die Wirtin. Eine Agentur habe die Veranstaltung angemeldet, niemand hätte sich den Kopf darüber zerbrochen. Schließlich haben auch auch schon Gewerkschaften, SPD, CDU und die Linke in dem Haus getagt. Zukünftig aber wolle sie alles persönlich prüfen und bei fragwürdigen Gästen gleich den Gastronomie-Verband oder die Polizei zu Rate ziehen.
Die bittet unterdessen draußen vor der Tür die Demonstranten, den Weg zum Eingang freizugeben, damit Besucher das Gasthaus überhaupt betreten können. Die kleine lautstarke Gruppe sortiert sich rechts vom Haus, wobei das natürlich nur eine Frage der Perspektive ist. Die Demonstranten halten Regenschirme und Banner, skandieren die obligatorischen Sprüche.
Eine Sprecherin verweigert dem Reporter ihren Namen. Dafür weiß sie angeblich, dass die Gastwirtin nur einmal zu den Deutschkursen für Flüchtlinge im Umweltzentrum gewesen sei und diesen Umstand nun für ihre Vita nutze. Als Flüchtlings-Freundin gebe diese sich deshalb aus. Angesprochen auf die Behauptung schüttelt Wirtin Ute Stöhr mit dem Kopf: „Wir waren natürlich viel öfter dort, da können sie den Leiter des Umweltzentrums fragen und in den Termin-Listen steht das ja auch drin.“
In solchen Momenten verstehe Stöhr für einen Augenblick die Welt nicht mehr. Doch zum Glück, so sagt sie, gebe es viele Menschen, die ihr gute Nerven wünschen und helfen wollen.
Unterm Dach im Albertsaal feiert sich derweil die AfD für ihre aufklärenden Anträge im Landtag. Auf der Straße verteilen die Demonstranten Flyer, die Nachbarn gegen das Gasthaus aufwiegeln sollen – und das nicht mit einem Sponti-Zettel aus dem Copy-Shop, sondern per Vierfarb-Druck im bürgerlich gepflegten Look auf glänzendem Papier. Ein Absender bleibt die gedruckte Botschaft jedoch schuldig.
Glänzende Idee? Gerade heutzutage sei es wichtig, eine aufrechte Haltung zu bewahren, texten die Verantwortlichen und übernehmen dabei selbst gerne die Rolle der Gesinnungspolizei. Was die regulären Beamten wiederum nicht weiter beeindruckt, stehen sie sich doch wie jeden Montag die Beine in den Bauch. Diesmal aber vor anderer Kulisse.