Dunkeldeutschland? Was ich den Sachsen-Kritikern zu sagen habe

Erstveröffentlicht: 
23.10.2016

Ein Kommentar von Sebastian Günther

Sachsen ist krank. Wir leiden akut an Zuneigungs-Mangel. Ein Tumor hat sich auf unsere Sympathie gelegt. Und alle Sachsen sind betroffen. Aber: Tumor ist, wenn man trotzdem lacht!

 

Mag sein, dass unser Bundesland in letzter Zeit etwas fragwürdig daherkam. Grölende Evolutionsbremsen zum Einheitstag auf der Straße. Beamte, die eher niveauflexibel agierten und ein Terrorist, der auch nicht gerade für Bombenstimmung sorgte. 

 

Ja, ich gebe zu, in unserer Heimat ist es gerade wie bei so einem Spaziergang durch den Vorgarten. Alle paar Meter ein Vollpfosten. Aber ganz ehrlich: Das ändert sich auch nicht, wenn man über die Landesgrenze schreitet.

 

Deppen gibt es überall. Nur bei uns wird gerade der Scheinwerfer draufgehalten. Weil es schön einfach klingt, „die da in Sachsen sind die Doofen“. Aber wir wissen doch genau, dass die Doofen unter uns allen sind. Nur wenn man auf andere zeigt, bleibt der Unrat in den eigenen Reihen verborgen. Vorerst.

 

Die AfD gibt es nicht nur in Sachsen. Im Gegenteil. Zum Westen unterscheiden sich ein paar Prozentpunkte. Aber zweistellig sind sie dort schon längst. 

Auch sind nicht alle AfD-Wähler gleich Rassisten. In Sachsen jedenfalls nicht. Sie sind nur so verantwortungslos und dulden welche unter sich. 

 

Der Polizei-Beamte, der in Dresden lautstark PEGIDA einen erfolgreichen Tag wünschte, war ein Wessi. Verunglimpft auf unserem Pflaster Tausende Beamte. Danke! Und ob Terrorabwehr oder im Kampf gegen Rassisten. Politiker, die nur deshalb an die Spitze gelangten, weil sie keine Fähigkeiten haben, derentwegen man sie unten festhalten mochte, gibt es in ganz Deutschland. Auf der ganzen Welt, trump, äh, trust me.

 

Schlichte Gemüter gehören zu unserer Gesellschaft. Überall. Wie sonst bekommt ein Yotta eine eigene Fernsehshow. Samt Zuschauer. Aber andauernd Doofe zu verunglimpfen oder sie gar alle als Nazi zu beschimpfen, macht sie auch nicht schlauer. Sondern aggressiver, stärker und vor allem lauter. Dabei sind solche Intelligenz-Allergiker in der absoluten Minderheit. 

 

Ich wohne seit genau 33 Jahren in Sachsen und kann bezeugen: hier leben viele viele viele Menschen, die keine Nazis sind. Mag für die etlichen neuen Facharbeiter vom Institut für angewandte Sachsenkritik jetzt komisch klingen. Ist aber so. Um die 90 Prozent sind politisch relativ normal! Mindestens.

 

Warum diese vielen Menschen nicht gegen Fremdenhass auf die Straße gehen, wird uns aus der Ferne immer wieder vorgeworfen. 

 

Aus nächster Nähe kann ich das beantworten: 


Die Gegenproteste zu PEGIDA wurden auch von Chaoten aus dem anderen politischen Lager missbraucht. Es gab Hetzjagden durch die Innenstadt, Steinwürfe und Randale. Der an sich meinungsstarke, aber eben auch besinnliche Sachse lässt sich nicht missbrauchen für Lagerkämpfe irgendwelcher Extremisten. Und hängt vor allem an seiner Gesundheit. Aber zu einer rein bürgerlichen Gegendemo auf dem Neumarkt kamen 35.000 Menschen. Sie lauschten den Worten von Unternehmern, Politikern und Migranten. Ein friedliches Event, dessen Bilder leider nicht in die weite Welt gingen.

 

Weil darauf keine Hohlbirnen Hass-Parolen schreien. Auch ein Friedens-Konzert gegen Fremdenhass in der Innenstadt sorgte für Massen-Andrang. Da waren sie die Sachsen. Hat nur außerhalb keiner bemerkt. Wie auch vieles andere plötzlich verdrängt wird.

 

Sachsen ist seit Jahren bei allen PISA-Studien vorn. Hat im Osten die besten Wirtschaftswerte, den niedrigsten Schuldenschnitt und wiederbelebte Kultur von Weltniveau. 

 

Und plötzlich soll hier „Dunkeldeutschland“ sein, weil alle von außerhalb das sagen und schreiben? Wie tief ein Baum verwurzelt ist, interessiert die Säge nicht.

Sachsen ist so viel mehr als es gerade scheint. Wir sind jede Menge coole Leute, voller Freude, Schaffensdrang und Spaß. Wir sind laute Musik und schrille Partys. Techno, Rap und Oper. Künstler, Maler, Virtuosen. Originelle Gastronomen, kreative Unternehmer und Erfinder. Ehrgeizige Sportler, Visionäre und Verrückte. Wir lieben das Land und unser Leben. Sind etliche Vereine, Stiftungen und Firmen. Familien, Freunde, Einzelkämpfer. Genießer, Träumer und auch Spinner.

 

Wir ertragen jetzt den Spott auf allen Kanälen. Weil er auch berechtigt ist. Und derzeit nun mal keine WM läuft, in der alle über Holland lachen. Fernsehclowns wie Olli Welke, Böhmermann und Co dürfen sich nun wieder ewig vor Millionenpublikum über Sachsen lustig machen. 

 

Wir lachen sogar mit. Aber umso öfter auch anderswo immer nur von „den Sachsen“ die Rede ist, verallgemeinern die Kritiker genauso dumm, wie Rassisten es tun. Das ist nicht unser Niveau. Jedenfalls in Sachsen nicht. Größtenteils. Zum Glück.


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