Roma - Von unserem Redakteur Joachim Röderer
Die Unterkünfte sind voll belegt: Seit Jahresanfang sind 137
Roma-Flüchtlinge aus dem Kosovo nach Freiburg gekommen. Damit leben 850
Roma-Flüchtlinge in Freiburg — im übrigen Baden-Württemberg sind es nur
weitere 250. Die Stadt liegt deswegen in Clinch mit dem Land. Die
Landesregierung weigert sich, für eine bessere Verteilung zu sorgen. Sie
will sich auch nicht an den Kosten beteiligen. In Stuttgart glaubt man,
Freiburg werde von den Roma gezielt angesteuert, weil sich der
Gemeinderat 2006 per Resolution für ein Bleiberecht ausgesprochen hat.
Die Zahl der Roma, die in Freiburg
landen, ist konstant hoch: Es sind etwa zehn Menschen, die jede Woche
aus dem ehemaligen Jugoslawien ankommen. Diese neue Fluchtwelle hat
offenbar ihren Grund: Denn zum Jahresanfang ist Serbien dem sogenannten
Schengen-Raum beigetreten. Das bedeutet konkret: Serbische Staatsbürger
können für 90 Tage als Touristen in EU-Länder reisen. Die Stadt
vermutet, dass Schleuserbanden Roma, die einen serbischen Pass besitzen,
nach Deutschland bringen. Das bevorzugte und offenbar nahezu einzige
Ziel in Baden-Württemberg scheint Freiburg zu sein. In Deutschland
angekommen, werfen die Flüchtlinge ihren Pass weg. In Freiburg
angekommen, beantragen sie weder Asyl noch reklamieren sie den Status
als Flüchtlinge. Was wiederum heißt: Sie fallen unter die Kategorie
"illegale Ausländer" — und diese werden nicht nach einem festgelegten
Verteilerschlüssel von der Landeserfassungsstelle für Flüchtlinge auf
ganz Baden-Württemberg verteilt. "Illegale Ausländer" , so das
Landesgesetz, bleiben in der Stadt oder dem Landkreis, in dem sie sich
gemeldet haben.
Der Zustrom an
neuen Migranten führe die Stadt logistisch und finanziell an ihre
Grenzen, hat nun OB Dieter Salomon an Ministerpräsident Stefan Mappus
geschrieben. Keine andere Stadt in Baden-Württemberg habe eine ähnliche
hohe Anzahl an Flüchtlingen aus dem Kosovo aufnehmen müssen, so Salomon
in dem Brief, aus dem jetzt die Stuttgarter Nachrichten
zitierten. Salomon stellt gegenüber der BZ klar, dass es nur um die neu
hinzugekommenen Flüchtlinge gehe und nicht um die Roma, die zum Teil
schon seit 1999 in Freiburg lebten.
20 Millionen Euro habe danach die Stadt
in den vergangenen fünf Jahren für die Flüchtlinge ausgegeben. Allein
für die rund 140 Neuankömmlinge des Jahres 2010 müssten rund eine
Million Euro aufgewendet werden, schätzt Finanzbürgermeister Otto
Neideck. Die Stadt verlangt eine bessere Verteilung im Land: "Es kann
nicht sein, dass wir hier bald Turnhallen belegen müssen und in anderen
Städten und Kreisen stehen Flüchtlingsheime leer" , so Neideck. Er
verlangt auch eine finanzielle Unterstützung vom Land. Neideck hat auch
Gespräche mit dem Regierungspräsidium geführt — dort sieht man durchaus
das Freiburger Problem und unterstützt die Stadt durch ein Schreiben an
die Landesregierung.
In Stuttgart sieht
man jedoch überhaupt keine Veranlassung, Freiburg bei dem Problem
entgegen zu kommen. Alice Loyson-Siemering, die Sprecherin von
Innenminister Heribert Rech, erklärt klipp und klar: Nach den
Bestimmungen des Landes müsse ein illegal eingereister Ausländer in dem
Stadt- oder Landkreis bleiben, in dem er sich gemeldet hat. "Deswegen
kann es auch keine Verteilung auf andere Städte oder Kreise geben" ,
sagt die Sprecherin. Auch auf finanzielle Unterstützung könne die Stadt
nicht hoffen. Und Loyson-Siemering verweist auf die Resolution für ein
Bleiberecht der Roma, die der Freiburger Gemeinderat 2006 einstimmig
verabschiedet hat. Im Ministerium sieht man darin offenbar so etwas wie
eine Einladung an Flüchtlinge, sich in Freiburg niederzulassen.
Diesen
Vorwurf weist man in Freiburg zurück. Es wird eng: Es wurden nahe der
Neuen Messe bereits Container aufgestellt, es gibt Kritik und Debatten
an der menschenunwürdigen Unterbringungen.
Die
Kapazitäten in den Unterkünften sind bis auf 20 Restplätze erschöpft.
Das Land dürfe sich nicht zurücklehnen, sagt Sozialbürgermeister Ulrich
von Kirchbach: Seit zehn Tagen, berichtet er, erhalten die Flüchtlinge
von der Stadt kein Geld mehr, sondern nur noch Sachleistungen. Es bleibt
die Hoffnung im Rathaus, dass wegen des nun fehlenden Bargelds das
Interesse der Schleuser am Ziel Freiburg nachlässt.
Stadtrat Coinneach McCabe (Grüne
Alternative) dagegen sieht keine Beweise, dass Schleuser überhaupt im
Einsatz sind: "Das sind alles nur Vermutungen" , erklärt er. McCabe
kritisiert auch das Umstellen der Stadt auf Sachleistungen — für ihn
Teil einer Abschreckungspolitik: "Die Stadt gibt den Druck einfach nach
unten an die Menschen weiter" .