Es soll ein Zeichen gegen die Rechte-Szene sein: Der österreichische Innenminister will das Geburtshaus von Adolf Hitler in Braunau am Inn abreißen lassen. Das Haus ist für viele Nazis eine Pilgerstätte.
Braunau. „Jimach Schemo“ – möge sein Name ausgelöscht sein. Einer der schlimmsten Flüche im Hebräischen gilt Adolf Hitler (1889-1945). Das Geburtshaus des Diktators, der in seinem Rassenwahn sechs Millionen Juden ermorden ließ, könnte nun ein Beispiel für die zumindest vordergründige Erfüllung dieses Wunsches liefern. Denn die Immobilie im österreichischen Braunau am Inn wird nach langem Gezänk enteignet – und damit wäre auch ein Abriss denkbar.
Im Oktober will das Parlament den Enteignungs-Beschluss der Regierung absegnen. Damit ist die Debatte um die Nachnutzung des Gebäudes in der 16.700-Einwohner-Stadt an der österreichisch-deutschen Grenze vollends eröffnet. Eine Art „Weisen-Rat“ von zwölf Mitgliedern aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft soll bald Vorschläge vorlegen.
Entscheidung über Hitler-Haus-Abriss bis Ende des Jahres
Das Innenministerium geht davon aus, dass bis Ende 2016 der Kurs für Nutzung oder Abriss klar ist. „Die Vorschläge werden erst nach getaner Arbeit veröffentlicht“, erklärte ein Sprecher. Auch die Namen der Mitglieder der Kommission werden nicht offensiv kommuniziert. Zu ihnen gehören aber der Wiener Historiker Oliver Rathkolb und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Oskar Deutsch.
Inzwischen haben sich – mit jeweils achtbaren Gründen – das Abriss- und das Nicht-Abriss-Lager geformt. Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat den Abriss gefordert. „Mein Vorschlag liegt klar auf der Hand. Abriss und ein neues Statement. Was immer man dort bauen möchte. Eine Erinnerungsstätte mit Sicherheit nicht“, sagte Sobotka.
Keine Pilgerstätte für Nazis mehr
Für eine völlige Entpolitisierung des Ortes, an dem Hitler sein erstes Lebensjahr verbracht hat, ist der Leiter des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands, Gerhard Baumgartner. „Wir müssen dort etwas hinstellen, vor dem sich niemand wirklich fotografieren lassen will – einen Supermarkt, einen Humana-Markt, ein Feuerwehrhaus“, plädierte auch er im Radiosender Ö1 mit Blick auf die Neonazi-Szene für einen Abriss. Europaweit habe der Tourismus der „Ewig-Gestrigen“ wieder zugenommen – zum Beispiel sei ein Bus aus Ungarn vorgefahren.
Der Supermarkt-Vorschlag ist für den Stadtverein Braunau indiskutabel. „Damit ist für uns die Schmerzgrenze an Peinlichkeit überschritten worden“, teilte Vereinschef Ingo Engel mit. „Das ist Unsinn“, hält auch Florian Kotanko vom Verein Braunau-History dagegen. Alle müssten sich im Klaren sein, dass ein Abriss nicht das Ende der Geschichte wäre. „Das funktioniert nicht nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn“, sagt Kotanko. Auch auf dem nahen Obersalzberg, wo mit dem „Berghof“ das Landhaus Hitlers stand, würden Menschen Stellen fotografieren, wo einst Gebäude waren, die aber nach der Zerstörung durch die US-Militärs nicht mehr da sind.
Geburtshaus steht unter Denkmalschutz
Der Staat hatte Hitlers Geburtshaus 1972 gemietet. Jahrelang war darin eine Behindertenwerkstatt untergebracht. Weil die Besitzerin Umbauten verweigerte, stand das Gebäude seit 2011 leer. Rund 300.000 Euro Miete hat der Staat seitdem überwiesen, um der Gefahr einer nicht-adäquaten Nutzung vorzubeugen. Als Teil des Ensembles Salzburger Vorstadt steht das Gebäude seit 1993 unter Denkmalschutz, was Nachnutzung oder Abriss nicht einfacher macht. Ein „Haus der Verantwortung“ wird seit vielen Jahren diskutiert.
Kotanko könnte sich vor oder im Gebäude historische Informationen vorstellen, mit einer vertiefenden Schau im Bezirksmuseum. Zugleich könnten die Räume als Malwerkstatt für ein Therapiezentrum oder als Integrationszentrum im Zeichen der Flüchtlingskrise genutzt werden. „Weder Wegreißen noch Verschweigen bringt etwas“, meint der ehemalige Schuldirektor. Nach dem Vorbild Nürnbergs, dort ist das Reichsparteitagsgelände der Nazis inzwischen historisch voll erschlossen, verspreche eine offensive Nutzung am meisten.
Bürgermeister Johannes Waidbacher ist nach wie vor für sozial-edukative Nachnutzung – als Standort der Volkshochschule oder der Volkshilfe. „Wir wollen einen historisch korrekten Umgang mit dem Hitler-Haus.“ Dass Hitler hier geboren worden sei, bleibe in den Köpfen der Menschen. „Damit stehen wir in den Geschichtsbüchern.“