Prozessbericht zur Repression gegen die Spontandemonstration im Juni 2015 in Leipzig

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Am 5. Juni 2015 gab es bei einer Spontandemonstration gegen den G7-Gipfel in Elmau in der Leipziger Innenstadt Auseinandersetzungen mit der Polizei. Im Rahmen eines Angriffs der Polizei auf die Demonstration kam es zu einer Festnahme, die übrigen DemonstrantInnen wurden zerstreut. Es folgte eine Hausdurchsuchung(LINK I, LINK II) sowie ein Jahr später eine DNA-Abnahme(LINK). Am 24. August begann nun der Prozess gegen den Festgenommenen vor dem Schöffengericht am Leipziger Amtsgericht. Es folgten zwei weitere Termine am 31. August und am 7. September. Das Verfahren ist immer noch nicht zu Ende und wird in den kommenden Wochen fortgesetzt.

 

Prozesstag I, 24. August 2016

 

Der erste Prozesstag fand unter besonderen Sicherheitsmaßnahmen statt, das Amtsgericht wirkte wie belagert von PolizistInnen. Neben denen, welche als ZeugInnen geladen waren, hielten sich weitere vor und im Gerichtsgebäude auf. Alle Zuschauer wurden kontrolliert und mussten ihre Handys abgeben.

Inhaltlich wurde der Tag bestimmt durch ZeugInnenvernehmungen. In chronologischer Reihenfolge wurden zuerst der Hinweisgeber, welcher die Polizei über eine sich versammelnde Menschengruppe informierte, vernommen. Dieser sagte aus, er hätte eine Gruppe von ca 100 Leuten gesehen, von denen er vermutete, dass sie die Kirche ansprühen wollten. Er selbst sei im Park grillen gewesen und hätte dann auf dem Heimweg die Polizei verständigt.

 

Auf ihn folgte eine Übersicht über den Polizeieinsatz des Abends durch den Zugführer der BFE.

 

Danach wurden die Wachpolizisten des amerikanischen Konsulats, das an der Aufzugsstrecke lag, vernommen. Sie berichteten von einer Demonstration, die an ihnen vorbei gezogen sei. Diese hatten sie zunächst für ein Event des Stadtfestes gehalten. Eine Weile später sei das Konsulat dann mit Farbbeuteln und Steinen beworfen worden.

 

Auf sie folgten 4 Polizisten der BFE, welche schilderten, wie sie an der Kreuzung, wo sie den Aufzug stoppten, ankamen. Dort seien sie dann mit Steinen, Pyrotechnik und Mollis beworfen worden, bis sie mit auf das Kommando „Luft“ des Einsatzleiters vorstürmten, um die Menge zu zerstreuen.

 

Insgesamt wurden 8 Polizisten vernommen. Personen, die sich während der Verhandlung auf dem Gang aufhielten, stellten fest, dass sich die Polizisten zwischen den Vernehmungen auf dem Gang in Bezug auf das Verfahren absprachen. Hierbei wurde auch erwähnt, dass sich „die Gruppe nicht umsonst gegründet haben solle“, welche Gruppe dies sei, konnte jedoch nicht geklärt werden.

 

Tag II, 31. August 2016

 

Auch am zweite Tag wurde anscheinend mit Schwierigkeiten im Gerichtssaal gerechnet. Diesmal saßen gleich bis zu sechs PolizistInnen der BFE in voller Montur im Publikum, womit sie auch schon die größte ZuschauerInnengruppe ausmachten.

Die Verhandlung war gefüllt mit Zeugenvernehmungen, alles in allem 14 Personen. Neben weiteren Polizisten wurden hier auch ZeugInnen gehört, welche augenscheinlich in Krähenfüße gefahren waren, welche im Umfeld der Spontandemonstration gelegen haben sollen. Der Fahrer eines Reisebusses, der in die Kreuzung, auf welcher die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstration stattfanden, eingefahren war, berichtete, dass sich die PolizistInnen, anstatt ihn zu warnen, hinter seinem Bus versteckt hätten. Der Bus sei dann beim Ausfahren aus dem Kreuzungsbereich von einem Stein getroffen worden.

 

Befragt wurden an diesem Tag auch die Polizisten, welche an der Festnahme beteiligt waren, deren Ablauf nun von Festnahme bis zum Entlassung aus dem Polizeigewahrsam geschildert wurde. Auffällig hierbei war, dass der Festgenommene nach Aussage des festnehmenden Polizisten zu Beginn der Festnahme noch unverletzt war, er jedoch später Verletzungen im Gesicht aufwies. Dazu, wie dies geschehen war, konnte oder wollte jedoch kein Beamter Angaben machen.

 

Zu einem Kuriosum kam es während der Vernehmung eines Belastunsgzeugen, welcher angab, er hätte gesehen, wie ein Kollege Steine aus einem Beutel kippte, welchen der Angeklagte mit sich geführt haben soll. Bevor er eine Aussage machen konnte, kam es zu einer Unterbrechung der Verhandlung, da es einen Streit um die Wortlautprotokollierung des Zeugen gab. Diese Unterbrechung nutzte der Zeuge, um unter dem Zeugenpult ein Dokument zu lesen. Vom Verteidiger des Angeklagten darauf angesprochen, flüchtete der Zeuge aus dem Gerichtssaal. Der Verteidiger folgte ihm und stellte fest, dass der Polizist sich in sein Dienstauto geflüchtet hatte und dort weiterlas. Als der Polizist in den Verhandlungssaal zurückkehrte berichtete er, dass er lediglich einen anderen Bericht, der nichts mit dem Verfahren zu tun habe, studiert hätte. Eine Rolle für die Glaubwürdigkeit des Zeugen spielt dies selbstredend nicht. Er ist ja schließlich ein Polizist, von dem, wie der Richter stark betonte, zu erwarten sei, dass er das Beste für sein Land tue, wenn er in Uniform ist.

 

Ein weiterer Belastungszeuge, derjenige, welcher den Beutel des Angeklagten ausgeleert haben will, machte einen ungewöhnlichen Eindruck. Er sprach immer wieder von der schwarzen Wand, welche von der Polizei hätte zerschlagen werden müssen, gemeint war die Demonstration. Ihm sei das alles wie im Kriegsfilm vorgekommen, wie er mehrfach erwähnte, was möglicherweise daran lag, das er immer wieder Fäkalienbeutel abbekommen habe. Auf Nachfrage war das mit den Fäkalienbeuteln dann doch nur eine Vermutung.

 

Da der Angeklagte auch viermal wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung angeklagt ist, wurde auch stets gefragt, ob jemand verletzt worden sei. Tatsächlich haben einige Polizisten eine Verletzung davon getragen, während sie in einem „kriegsähnlichen Steinhagel“ standen: Bekannt wurden eine Schürfwunde am Knie, ein blauer Fleck präzise in der Form eines Pflastersteins und eine Platzwunde am Schienbein. Viele denken hier natürlich gleich an Kabul und Afghanistan.

 

Tag III

 

Am dritten Tag war ausnahmsweise einmal kaum Polizei anwesend. Der Prozesstag startete mit einer Darstellung des Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse. Der Richter gab sich hierbei Mühe, persönliche Details durch Nachfragen an die Öffentlichkeit zu bringen.

Nach der In-Augenscheinnahme diverser Aktenseiten und Beweismittel, stellte der Verteidiger vier Beweisanträge.

Der erste Antrag bezog sich auf die Tonbandaufnahme eines Zeugen, der sich selbst insgesamt zu häufig widersprochen hatte. Konkret will er einerseits einen Beutel mit Steinen bei einer Durchsuchung beim Angeklagten gefunden haben, in einer anderen Vernehmung betont er, dass er den Angeklagten und die Dinge, die er mit sich führte, nicht durchsucht habe.

Der zweite Beweisantrag befasste sich mit der Relation von Spontandemo-Teilnehmer_innen und sichergestellten Steinen/Spurengegenständen. Daraus gehe hervor, dass der Aufzug lediglich Kulisse für Auseinandersetzungen, aber nicht insgesamt unfriedlich gewesen sei.

Mit dem dritten Antrag sollte erreicht werden, dass die bei der Festnahme gefertigten Video-Bilder als Einzelbilder in Augenschein genommen werden. Darauf sei zu erkennen, dass der helle Stoffbeutel, auf den sich mehrere Aussagen von Polizisten bezogen, dem Angeklagten erst während der Festnahme umgehängt wurde.

Der letzte Beweisantrag legte dar, dass die bei der Festnahme erlittenen Verletzungen des Angeklagten die schwersten in der Verhandlung bekannt gewordenen Verletzungen waren. Es bestehe der Verdacht der Körperverletzung im Amt, da der Angeklagte zu Beginn der Festnahme unverletzt war, am Ende jedoch eine gebrochene Nase, eine Schädelprellung und weitere Verletzungen hatte. Die ED-Bilder, der ärztliche Befund und die Video-Einzelbilder sollten gesichtet bzw. verlesen werden, ausserdem wurde die Zeugenvernehmung weiterer Polizisten, die an der Festnahme beteiligt waren, aber bisher nicht gehört wurden, beantragt.

 

Einer der Zuschauer fiel durch Fotografieren des Publikums und des Angeklagten auf. Als er von anderen ZuschauerInnen aufgefordert wurde, sein Telefon zur Überprüfung der Löschung der Fotos herauszugeben, wurde der Richter auf den Zwischenfall aufmerksam. Er löschte die Bilder und belehrte den Zuschauer über die nötige Sondererlaubnis zum Fotografieren.

Bei dem Zuschauer handelte es sich nicht um einen Journalisten. Auf Nachfrage gab er an, dass er lediglich die Stimmung im Gerichtssaal hatte einfangen wollen.

 

 

Weitere Termine / Ausblick

 

Es sind zwei weitere Termine angesetzt, mit Option auf weitere. Wann genau das Verfahren endet, ist unklar. Vernommen werden müssen nun noch weitere Polizisten, sowie den Beweisanträgen der Verteidigung nachgegangen werden.

 

Insgesamt macht es den Endruck, dass zwar wenig Belastendes bisher zusammengetragen wurde, was den Angeklagten konkret betrifft. Der Richter macht jedoch den Eindruck, dass er auf jeden Fall verurteilen will. Damit wird voraussichtlich er der medialen Stimmung folgen, welche bereits im Vorfeld und auch während des Verfahrens gegen den Angeklagten aufgebaut wurde und wird.

 

Die nächsten Termine sind

15.09.2016 um 13h, Raum 205

20.09.2016, vermutlich um 9h, der Raum ist noch unklar.

 

Kommt vorbei!