Neues aus dem Prozess gegen indigene AktivistInnen und AnarchistInnen in Neuseeland

Liberators not Terrorists! Demo 2007

Wellington, April 2010

 

Am 15. Oktober 2007 durchsuchte die Polizei in ganz Neuseeland etwa 60 Häuser unter erstmaliger Anwendung des Anti-Terrorismus Gesetzes. Betroffen waren vor allem indigene AktivistInnen und AnarchistInnen. Die Polizei gab vor, eine terroristische Vereinigung ausgemacht zu haben und behauptete, dass diese in einer abgelegenen indigenen Region "paramilitärische Trainingscamps" durchführte. Kinder, die von schwer bewaffneten Spezialeinheiten über Stunden festgehalten wurden, waren da nur Kollateralschaden.

 

18 AktivistInnen verbrachten bis zu vier Wochen im Gefängnis während der Generalstaatsanwalt eine Anklage gegen 12 von ihnen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung prüfte. Wegen "mangelnder Beweislage" gab dieser am 8. November 2007 bekannt, dass eine Anklage nicht möglich sei denn terroristische Aktivitäten gab es schlicht und einfach nicht.

Alle 18 kamen aus der Untersuchungshaft frei, wurden allerdings wegen Verstosses gegen das Waffengesetz angeklagt und nach einem ein-monatigem Vorprozess im August 2008 wurden fünf von ihnen auch noch wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung angeklagt.

Das Verfahren basiert auf einer 18-monatigen Polizei-Operation bei der dutzende von Telefonen abgehört, mehrere Häuser und Autos verwanzt und AktivistInnen von zivilpolizisten der Anti-Terrorismus Einheit rund um die Uhr überwacht wurden.

Prozess im August 2011

Auch jetzt, 2.5 Jahre nach den Razzien, ist eine Hauptverhandlung nach wie vor in weiter Ferne. Provisorisch soll der Prozess am 8. August 2011 in Auckland beginnen und wird wohl etwa drei Monate dauern. Bis dahin werden noch einige Anträge der Verteidigung verhandelt, v.a. in Verbindung mit der Gültigkeit der Durchsungs- und Überwachungsbeschlüsse.

Der nächste Verhandlungstermin ist für Juni im Appelationsgericht in Wellington angesetzt. Die Angeklagten haben immer noch Aufflagen (Ausreiseverbot), müssen sich aber mittlerweilen nur noch drei mal im Jahr bei der Polizei melden (und nicht mehr zwei mal die Woche) und die Kontaktsperre ist auch aufgehoben.

Neue Kampagne gegen Überwachungsgestz

Nach einer unglaublich erfolgreichen Kunstauktion letztes Jahr (die der Soli-Kasse über 10'000 Euro einbrachten) hat die October 15th Solidarity Gruppe in Wellington, die die Angeklagten seit Tag 1 unterstützt, eine Kampagne gegen ein neues Überwachungsgesetz initiiert.

Der Entwurf für das neue 'Search and Surveillance' Gesetz sieht vor, dass wesentliche Elemente des Westminster-Rechtssystems ausgehölt werden. So soll der Polizei ein Mittel gegeben werden, mit dem Menschen zu einer Aussage bei der Polizei gezwungen werden können - selbst wenn sie selber angeklagt sind. Das Aussageverweigerungsrecht wäre damit abgschafft. Gleiches gilt für das Recht, sich nicht selber belasten zu müssen. Mit Hilfe von sogenannten Production Orders sollen Menschen bei Strafandrohung aufgefordert werden können, bestimmte Dokumente der Polizei zu übergeben, auch wenn sie sich damit selbst belasten.

Desweiteren soll es der Polizei (und fast 70 weiteren Behörden wie dem Zoll, dem Fischereiministerium oder dem Sozialamt) erlaubt werden, versteckte Videokameras in Privatwohnungen zu installieren oder Telefondaten von der Telecom herunterzuladen.

Gegen dieses 200 Seiten starke Gesetz hat sich von verschiedensten Seiten Widerstand erhoben. Neben linken Gruppen, der Datenschutzbeauftragten und der Menschenrechts-Kommission haben auch Anwaltskanzleien, Banken und die Telecom Widerspruch eingelegt. Dadurch wurde die Vorlage des Entwurfs zur Diskussion im Parlament bisher zumindest um mehrere Monate verzögert.

Indigene Autonomie - Utopie oder Möglichkeit?

Die Staatsanwaltschaft im Verfahren meint, dass der Zweck der Trainingscamps der bewaffnete Aufstand zur Übernahme eines grossen Waldgebietes durch die indigene Bevölkerung gewesen sei. Die Anklage der kriminellen Vereinigung basiert auch auf diesem selben absurden Konstrukt: dass fünf Leute ein Gebiet das drei mal so gross ist wie das Bundesland Berlin übernehmen wollten.

Allerdings stimmt es natürlich, dass mehrere indigene Stämme in Neuseeland schon lange ihre Autonomie vom neuseeländischen Staat fordern.Ein Stamm ist momentan in Verhandlungen mit der Regierung, wie eine solche Autonomie aussehen könnte. Dass der Staat, ganz im Stile der Kriege gegen die indigen Bevölkerung und Land-Konfiskation des 19. Jahrhunderts, auch im 21. Jahrhundert so weiter macht überrascht hier niemanden. Und auch im globalen Kontext, wo seit 2001 der 'Krieg gegen den Terrorismus' herrscht, reihen sich die neuseeländischen Razzien schön neben der Repression gegen TierrechtsaktivistInnen in Österreich, Anti-Militaristen in Berlin, UmweltschützerInnen in den USA und AnarchistInnen in Frankreich ein.

Die October 15th Solidarity Gruppe fordert weiterhin: Drop the charges - dass die Anklage fallen gelassen wird.

www.October15thSolidarity.info