Vortrag: Lohnarbeit heute

Anlässlich des 1. Mai lädt der Kapital-Lesekreis Karlsruhe zu einer kleinen Vortragsreihe mit anschließender Diskussion ein:

 

Teil 1:
Lohnarbeit heute
Referent: Dr. Theo Wentzke, GEGENSTANDPUNKT-Verlag
Wann: Dienstag, 20. April, 19.30 Uhr
Wo: Karlsruhe, Planwirtschaft, Werderstr. 28

 

Aus dem 1. Mai, der früher einmal als „Kampftag der Arbeiterbewegung“ ausgerufen wurde, ist inzwischen ein gesetzlicher Feiertag geworden. Selbst die Gewerkschaften, die auch heute noch die Organisatoren der Mai-Kundgebungen sind, verstehen diesen Tag inzwischen eher als „Feiertag der Arbeit“ denn als Kampftag. Es scheint, als ob der alte Klassengegensatz, der den 1. Mai einst als Kampftag begründet hat, erledigt ist.

Dabei kündet noch jeder Aufruf der Gewerkschaften von dessen Fortexistenz. Dieses Jahr z. B. stehen die Kundgebungen unter dem Titel:

„Wir gehen vor! – Gute Arbeit, Gerechte Löhne, Starker Sozialstaat“

Es ist wohl immer noch so, dass sich von Arbeit nicht gut leben lässt. Und es ist wohl auch immer noch so, dass die Massen, die den Reichtum produzieren, um die Anerkennung ihrer Interessen kämpfen müssen. Von einem Klassengegensatz wollen sie dabei nichts wissen, deshalb führen sie auch keinen Klassenkampf, sondern stellen „berechtigte Forderungen“.
120 Jahre nach dem ersten 1. Mai-Kampftag hat sich an der Notwendigkeit des Kampfes offensichtlich nichts geändert – allerdings einiges an den Vorstellungen darüber. Die Vortragsreihe soll helfen, diesen Widerspruch etwas aufzuklären.

 

Teil 2: "Gewerkschaften heute" am 4. Mai in Karlsruhe, Werderstr. 28.

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Arbeit lohnt sich! Für wen?

Arbeit gegen Geld – das Kommando des Kapitals über die Arbeitskraft
und seine gewerkschaftliche Mitgestaltung


Um den Lohn haben die, die von ihm leben müssen, einmal gekämpft, um von ihm leben zu können. Das – so lehrte sie die tägliche Erfahrung ihrer ruinösen Lohnarbeit – muss ihren Anwendern, die mit ihrem Lohn als Kost in ihrer Gewinnrechnung kalkulieren, abgerungen werden. Also verweigerten sie spontan oder auch schon gewerkschaftlich organisiert die Bereitschaft, zu den gegebenen Bedingungen weiterzuarbeiten, um unter möglichst verbesserten wieder anzutreten.

 

Ein Jahrhundert später hatte es den Anschein, als sei die Lohnfrage erledigt, als müsste das Proletariat, das mittlerweile „die Arbeitnehmer“ heißt, nicht mehr um seine Existenz fürchten. Das Kämpfen schien obsolet: Gewerkschaften sorgten tarifvertraglich geregelt für Lohngerechtigkeit, Betriebsräte für die Mitwirkung im Unternehmen und Politiker dafür, dass die Marktwirtschaft auch „sozial“ ausgestaltet ist.

Heute ist die Lohnfrage wieder aktuell: Die Unternehmer haben – mit der Berufung auf ihre Konkurrenz und der Berufung auf die Wirtschafts- und die Finanzkrise – mehr Arbeit und freiere Verfügung über die Arbeitskraft für weniger Lohn auf die nationale Tagesordnung gesetzt. Und der Staat hat die Schaffung eines Niedriglohnsektors mit den nötigen Arbeitsmarkt-„Reformen“ unterstützt. Während Unternehmer und Staat damit klarstellen, dass kapitalistischer Wachstumserfolg und Lebensunterhalt der lohnabhängig Beschäftigten unvereinbar sind, leisten sich Letztere die Auffassung, das Gegenteil sei der Fall: „Wachstum bringt Arbeitsplätze“, „Arbeit verdient ihren Lohn“, „sei zum Leben da“, „Leistung soll sich lohnen“… – Und dann sind sie doch – „Hauptsache Arbeit!“ – bei jeder Ankündigung von Entlassungen bereit, für die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze immer mehr von dem zu opfern, wofür sie überhaupt arbeiten gehen: vom Lohn, den sie für ihren Lebensunterhalt benötigen.

 

Bei all dem sind die deutschen Gewerkschaften, die heuer den 60. Jahrestag ihrer Wiedergründung nach dem 2. Weltkrieg feiern, immer dabei. Für ihre Mitwirkung in Sachen Lohn werden sie sogar von denen gefeiert, die ansonsten die von der Arbeitervertretung behaupteten „Besitz-stände“ und das „Besitzstandsdenken“ ihrer Mitglieder angreifen. Das Lob gilt denn auch nicht einer kämpferischen Wahrung von deren Interessen. Gelobt wird der Dienst der Gewerkschaften am deutschen Gemeinwesen, speziell die Pflege des „sozialen Friedens“, für dessen Bewahrung sich der DGB mit zuständig erklärt. Die Friedfertigkeit der arbeitenden Klasse, dass ihre Vertreter „Augenmaß“ walten lassen und zur rechten Zeit Ruhe geben – das ist den Nutznießern schon einmal ein anerkennendes Wort wert und erfüllt die Gewerkschaften selber mit Stolz. Dabei ist ein gewisser Kontrast zwischen den selbstbewusst präsentierten Leistungen der deutschen Arbeiterorganisationen und dem, was deren Mitglieder davon haben, nicht zu übersehen. – Ein überfälliger Anlass, eine etwas andere Bilanz aus 60 Jahre bundesdeutscher Gewerkschaftspolitik zu ziehen!

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Kapital-Lesekreis Karlsruhe