Nach dem Übergriff auf eine Pizzeria am Freitag haben sich bis zu 400 Menschen an einer Kundgebung in Wurzen beteiligt. An der Attacke sollen etwa 20 Asylbewerber beteiligt gewesen sein. Vize-Landrat Gerald Lehne (CDU) erwartet von seiner Heimatstadt, die Proteste und Ängste der Bürger ernst zu nehme
Wurzen. Circa 350 bis 400 Personen sind am Montagabend dem Aufruf zu einer Spontan-Demonstration sowie Spendenaktion für die Geschäftsinhaber des Pizza-Hauses in der Bahnhofstraße auf dem Bürgermeister-Schmidt-Platz gefolgt. Das bestätigte am Dienstag das Landratsamt. Auslöser der Kundgebung war ein tätlicher Übergriff am Freitagabend auf Gäste einer Geburtstagsfeier, an dem laut Augenzeugen eine Gruppe von etwa 20 Asylbewerbern beteiligt gewesen sein soll (die LVZ berichtete). Seitens der Kreisbehörde überwachten Amtsleiter Klaus-Thomas Kirstenpfad und Beigeordneter Gerald Lehne (CDU) die Einhaltung von Recht und Ordnung während der Demo.
„Vor allem wollte ich mir natürlich einen eigenen Eindruck von meiner Heimatstadt machen“, sagte Lehne, der zwölf Jahre in Wurzen als Bürgermeister im Stadthaus wirkte und im Januar nach Borna wechselte. Seiner Einschätzung zufolge und nach der Beurteilung verschiedener Behörden befanden sich unter den 350 Teilnehmern circa 50 bis 70 Personen aus dem rechten Spektrum. „Das heißt, der Großteil der Demonstranten waren ganz normale Bürger der Stadt, die ihre Sorgen artikulieren wollten.“
Zu den Anwesenden, so der Vize-Landrat, gehörten „unter anderem sehr viele Unternehmer und Mittelständler, die die Zivilgesellschaft mittragen, Arbeitsplätze in Wurzen sichern und steuern“. Darüber hinaus hätte der 53-Jährige weitere Wurzener getroffen, die er durch seine frühere Tätigkeit kennen und schätzen lernte – „darunter Feuerwehrkameraden, Gastronomen und Kindergärtnerinnen“.
Dass die Menschen nach dem aktuellen Zwischenfall Antworten wünschen, sei ihm klar. „Aber der Landrat und ich haben nicht auf alles eine Antwort. Dennoch stellen wir uns den Problemen hier in Wurzen. Bei vielen Entscheidungen auf Bundesebene teilen wir durchaus das Unverständnis, die Ängste und Nöte der Bürger.“
Doch wie soll es jetzt weitergehen? Zurzeit trage das Landratsamt die Fakten zusammen, um sie zu bewerten, so Lehne. Danach will die Kreisbehörde alle an einen Tisch bitten, die sich in Wurzen mit der Integration von Flüchtlingen beschäftigen – „auch die Stadtverwaltung“. Lehne zum Schluss: „Mein Fazit der Demo ist, wir und die Stadt müssen angesichts der Tatsachen die Sorgen der protestierenden Bürger ernst nehmen.“
Übrigens schickte das Stadthaus am Montag, 18 Uhr, lediglich Thomas Boecker, Leiter der inneren und äußeren Verwaltung, vor Ort. Oberbürgermeister Jörg Röglin (parteilos), der zwei Stunden zuvor auf dem Marktplatz noch Ehrenbürger und Olympiagewinner Philipp Wende vom Balkon des Alten Rathauses begrüßte, blieb der Veranstaltung fern. Wie er auf Anfrage mitteilte, dachte er zwar darüber nach zu kommen, entschied sich aber letztlich dagegen. Und zwar, weil seine Argumente womöglich sowieso kein Gehör gefunden hätten.
Vielmehr wolle er demnächst eine Erklärung verfassen und darin die Forderung an jene stellen, „die die Hauptlast zu tragen haben – die Polizei für die Sicherheit und der Freistaat für die Integration“, betonte der 46-Jährige „Wir als Stadt haben das Beste gemacht.“ Ferner, so Röglin, gebe es Überlegungen, dass künftig der Ordnungsdienst in Wurzen Streife geht – „das kann’s eigentlich nicht sein“.
Neben der Demo fand überdies eine Sammelaktion für die Inhaber des Pizza-Hauses statt, die der Familie Tahiri bereits übergeben wurde – insgesamt 1714,72 Euro.
Von Kai-Uwe Brandt