Naunhof zwischen Gelassenheit und Hass: Flüchtlingsfest offenbart massive Probleme

Erstveröffentlicht: 
22.08.2016

Naunhof -  Nachdem zum ersten Sommerfest des Vereins Vielfalt-Leben-Naunhof im vergangenen Jahr die Begrüßung von Flüchtlingen im Vordergrund gestanden hatte, sollte sich die zweite Auflage an diesem Sonnabend im Alten Kranwerk (AKW) mehr darum drehen, wie sich die Neubürger in der Stadt eingelebt haben. Die Wahrnehmungen darüber gehen auseinander. Manche sprechen über positive Erfahrungen, andere berichten von massiven Anfeindungen.

 

Bürgermeister Volker Zocher (parteilos), erstmals zu Gast, hieß die Flüchtlinge in Naunhof herzlich willkommen. Dass es keine Probleme gebe, liege daran, dass die Naunhofer ein gelassenes Völkchen seien. „Ich glaube, wir haben alles gut im Griff“, erklärte er. Überrascht nahm er jedoch zur Kenntnis, was er daraufhin zu hören bekam.

 

Karin Kerem, Leiterin der Gemeinschaftsunterkunft, berichtete, wie einige ihrer Schützlinge in einem Fitnessstudio abblitzten, weil dort keine Ausländer erwünscht seien. „Manche spucken unseren Leuten vor die Füße, Radfahrer riefen: ,Kanaken raus!‘“, sagte sie. Iris Diebel vom AKW wusste gar davon zu berichten, dass jugendliche Gruppen Flüchtlinge zwangen, den Hitler-Gruß zu zeigen.

 

An den Bürgermeister wurde die Bitte herangetragen, die Stadt möge sich in einem Statement zu den Zugezogenen bekennen. Während Zocher mehr Polizei forderte, will sich Michael Eichhorn, der dem 34 Mitglieder zählenden Hilfsverein vorsteht und zugleich Stadtrat ist, für eine Positionierung der Kommune einsetzen.

 

Die, um die es eigentlich geht, gaben sich zum Fest zufrieden. Ahmad Atie beispielsweise, der nichts anderes als das Asyl kennt. Der Palästinenser wurde im Libanon geboren, wo die Menschenrechte für ihn nicht galten. In Naunhof, wo der Geschichtslehrer 2014 eintraf und mit seiner Frau eine Wohnung bezog, fühlt er sich zum ersten Mal in seinem Leben geborgen, fand er deutsche Freunde, für deren Hilfe er dankt. „Sicherheit ist der Hauptgrund, weshalb die meisten Flüchtlinge nach Deutschland kommen“, sagte er. „Die wenigsten tun es wegen des Geldes.“ Gäbe es daheim keinen Krieg, würde er gern zurückkehren. Denn: „Es gibt keinen Ort, der besser als die Heimat ist.“

 

Assem Abu Shakra (28) ist ebenfalls Palästinenser, er wuchs in Damaskus auf und flüchtete, weil er zur Armee eingezogen werden sollte. „Ich wollte aber nicht gegen andere Menschen kämpfen“, erklärte er. Vor zwei Jahren verließ er Syrien, sein Germanistik-Studium unbeendet. In der Naunhofer Gemeinschaftsunterkunft verbrachte er sieben Monate. Da er aber keine Wohnung fand, zog er nach Leipzig, wo er gern eine touristische Ausbildung beginnen würde.

 

Ein Einkommen und eigene vier Wände, diese Wünsche stehen bei vielen Flüchtlingen oben an. Bürgermeister Zocher versprach, mit Privateigentümern zu reden, um Wohnraum aufzutun. Die Häuser der stadteigenen Wohnbau GmbH seien allerdings zu 100 Prozent vermietet, weshalb er da keinen Spielraum sehe. Unterstützend wolle die Kommune eingreifen, wenn der Hilfsverein federführend Beschäftigungsmöglichkeiten entwirft. Als eine „super Idee“ bezeichnete Zocher den Vorschlag von Iris Diebel, dass die Stadt eine Fläche sucht, auf der die Flüchtlinge Landwirtschaft betreiben können, weil viele von ihnen diesen Beruf erlernt hätten.

 

Fachvorträge, Schilderungen persönlicher Schicksale, ein Büffet mit Speisen aus den Ländern der in Naunhof lebenden Flüchtlinge, eine Umweltaktion und vieles mehr machten den Nachmittag zu einem bunten Fest der Begegnung. Eine Abordnung des Naunhofer Männerchors gab ein Ständchen mit deutschen Volksliedern.

Von Frank Pfeifer