Berlin/Wien – Dieser Tage hätte der Wiener IT-Experte Aaron Z. bei renommierten Konferenzen in den USA Vorträge über Computersicherheit halten sollen. Doch seit er am 9. Juli an einer Demonstration in Berlin rund um die Zwangsräumung des linken Wohnprojekts "Rigaer 94" teilnahm, sitzt der 28-Jährige in Untersuchungshaft. Ihm wird schwerer Landfriedensbruch mit gefährlicher Körperverletzung vorgeworfen.
"Er soll einen Gegenstand geworfen haben", sagt Nils Spörkel, Anwalt von Z., zum STANDARD. Belastet wird er von Polizisten, die ihn dabei gesehen haben wollen. Ende Juli wurde die Untersuchungshaft wegen möglicher Fluchtgefahr verlängert. Für Rechtsanwalt Spörkel "sehr ungewöhnlich", da Z., falls er verurteilt werde, nach aktueller Beweislage "nur mit einer Bewährungsstrafe" rechnen müsse. Auch sei sein Mandant nicht vorbestraft und verfüge über einen festen Wohnsitz.
In den Wahlkampf geraten
Neben Z. befindet sich noch ein weiterer Mann in U-Haft, der ebenfalls während der Demonstration verhaftet wurde. Damals kam es zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern und der Polizei, die auf beiden Seiten zahlreiche Verletzte forderten. Die beiden Männer seien mitten in den Berliner Wahlkampf geraten, sagt Spörkel. Am 18. September wird gewählt. Die Auseinandersetzungen rund um die Rigaer Straße 94 seien mittlerweile zu "einem Politikum" geworden, bei dem die CDU, die in der Regierung den Innensenator stellt, mit einer harten Linie gegenüber Bewohnern und ihren Unterstützern punkten wolle.
Rückzugsort der linken Szene
Die Straße liegt im Samariterkiez in Friedrichshain, einer der derzeit angesagtesten Gegenden Berlins. Durch die Gentrifizierung steigen die Mieten, alteingesessene Bewohner werden dadurch verdrängt. Die Rigaer Straße 94 hält als Rückzugsort der linksradikalen Szene dagegen. Bewohner sind dafür ständig in Konflikten mit Hauseigentümern und Polizei.
Am 22. Juni wurden Wohnungen und eine Bar des ehemals besetzten Hauses geräumt. Eine Maßnahme, die mittlerweile vor Gericht für rechtswidrig erklärt wurde.
Freunde und Bekannte von Z. sehen Ähnlichkeiten zur Verhaftung von Josef S., jenem deutschen Studenten, der in Wien bei einem Protestmarsch gegen den Akademikerball rechter Burschenschafter verhaftet und wegen schweren Landfriedensbruchs verurteilt wurde.
"Freiheit für Aaron und Balu"
"Wir hoffen, dass Aaron bald entlassen wird", sagt ein Bekannter von Z. aus der Wiener IT-Szene dem STANDARD. Dem Außenministerium in Wien ist der Fall bis dato nicht bekannt. Die nächste Haftprüfung steht im Oktober an. Rund um dieses Datum soll auch schon bereits der Prozess gegen Z. stattfinden. In Berlin gibt es eine Unterstützungsbewegung für die beiden Inhaftierten. "Freiheit für Aaron und Balu"-Plakate sind vermehrt in der Stadt zu sehen und für Samstag ist eine Kundgebung vor dem Gefängnis angekündigt. (sum, 12.8.2016)