Prozess um rechten Überfall in Ballstädt - Streit um geschwärzte Geheimdienst-Akten

Erstveröffentlicht: 
15.08.2016

Eine Frau und 14 Männer sollen 2014 im Thüringischen Ballstädt eine Kirmesgesellschaft brutal überfallen haben. Dafür stehen sie vor dem Landgericht Erfurt. In dieser Woche geht der Prozess weiter. Laut Staatsanwaltschaft sind die meisten Beschuldigten eindeutig der rechten Szene zuzuordnen. Auch der Thüringer Verfassungsschutz hatte schon vor der Tat eine Auge auf sie geworfen. Um die Akten des Geheimdienstes wird vor Gericht gestritten.

 

Von Jennifer Stange, MDR AKTUELL

 

Aufgemotzte Körper, Tätowierungen bis hoch zum kahlrasierten Schädel, Klamotten mit politisch eindeutigen Botschaften. Die Beschuldigten wollen offenbar keinen Zweifel entstehen lassen. Auf der Anklagebank im Schwurgerichtssaal des Erfurter Landgerichts sitzen eingefleischte Rechtsradikale, so die Botschaft. Auch die Vorstrafen sprächen Bände, sagt die Vertreterin der Nebenklage Kristin Pietrzyk MDR AKTUELL: "Mehr als die Hälfte der Angeklagten sind zum Teil erheblich vorbestraft, mit weit über zwanzig Voreintragungen im Bundeszentralregister, sehr oft mit Propagandadelikten. Das heißt, Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen werden verwendet." 

 

Warum hat der Geheimdienst Akten geschwärzt?   

 

Die mutmaßlichen Täter von Ballstädt sind angeklagt wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung. Seit Prozessbeginn Ende 2015 schweigen sie. Um so aufschlussreicher sollen Telefongespräche zwischen den Angeklagten sein, die der Thüringer Verfassungsschutz mitgeschnitten hatte. Präsident Stephan Kramer: "Wir haben dann, nachdem diese Aufzeichnungen ausgewertet wurden, Kontakt mit den Kollegen der Polizei aufgenommen."  

 

Um die Telefonmitschnitte als Beweismittel verwenden zu können, muss das Gericht prüfen, ob das Abhören rechtmäßig war. Für diesen Grundrechtseingriff braucht der Verfassungsschutz gute Gründe, die er nun dem Gericht vorlegen muss. Drei Monate hatte das Gericht auf die entsprechenden Akten des Geheimdienstes gewartet. Zum Ärger von Pietrzyk wurden die vom Verfassungsschutz in Teilen geschwärzt: "Es ist einfach überhaupt kein Grund ersichtlich, warum diese Sachen geschwärzt sind. Weder Quellenschutz noch Geheimnisschutz kommen in Frage." 

 

Daten lassen sich offenbar rekonstruieren

 

Das sei falsch, sagt Kramer MDR AKTUELL: "Man muss sich im Klaren sein, dass wir das nicht aus Jux geschwärzt haben oder um dem Gericht irgendwelche wichtigen Informationen vorzuenthalten, sondern um Sicherheitsinteressen des Verfassungsschutzes und der Mitarbeiter zu schützen."

 

Die Nebenklage hält das auch aus anderen Gründen nicht für stichhaltig. Pietrzyk: "Einigermaßen peinlich ist, dass die geschwärzten Passagen anhand anderer Passagen der Staatsanwaltschaft Erfurt zu rekonstruieren sind und damit diese Schwärzungen eigentlich ad absurdum geführt werden. Man muss sich die Frage stellen, warum der Verfassungsschutz Daten, die sie eigentlich schonmal übermittelt hat, zurück hält."  

 

Beschuldigter soll Kalaschnikow erworben haben

 

Die Staatsanwaltschaft hat dem Gericht nun angeboten, die entsprechende Akte vorzulegen. 2013 hatte das Landeskriminalamt Thüringen mehrere Wohnungen von Rechtsradikalen durchsucht. Ermittelt wurde damals auch gegen einen Beschuldigten im Ballstädt-Verfahren. Gegen ihn richteten sich laut Staatsanwaltschaft auch die Abhörmaßnahmen des Verfassungsschutzes. Staatsanwalt Rainer Kästner-Hengst: "Der zentrale Tatvorwurf war der Erwerb einer Kriegswaffe aus Österreich, eine Kalaschnikow mit 150 Schuss Munition."  

 

Verfassungsschutz will Verurteilung der Täter

 

Zu diesem Zusammenhang, so Kramer, könne er sich nicht äußern. Er bekräftigt jedoch, dass eine Verurteilung der Täter von Ballstädt auch im Interesse seiner Behörde sei. Kramer: "Wir sprechen in diesem Zusammenhang von sogenannten rechtsterroristischen Strukturen. Schlimmer geht es nicht mehr."

 

Immerhin, so Kramer, lieferte der Verfassungsschutz mit den Abhörprotokollen ein wichtiges Beweismittel im Fall Ballstädt. Die richterliche Entscheidung darüber, ob die Telefonmitschnitte rechtmäßig waren und folglich als Beweismittel geltend gemacht werden können, steht noch aus.