Rigaer: Einsatz im »Gefahrengebiet« kostet mehrere Millionen

Erstveröffentlicht: 
12.08.2016

Laut Gewerkschaft der Polizei 2016 bisher 120.000 Einsatzstunden im Nordkiez / Grüner Lux: »Lehrstück, wie man es nicht machen sollte«

 

Rund drei Wochen lang begleiteten Polizeibeamte die Teilräumung des linken Hausprojektes in der Rigaer Straße 94. Tagelang war die Straße komplett gesperrt, jeder, der zu Fuß passieren wollte, wurde kontrolliert. Mitte Juli erklärte ein Gericht die Räumung für illegal, und Bauarbeiter und Polizei mussten abziehen. Was der Einsatz gekostet hat, will die Polizei auf Anfrage des »nd« nicht mitteilen.

 

Stattdessen verweist sie darauf, die »Ausgaben für Polizeieinsätze« seien »grundsätzlich durch die im Haushaltsplan von Berlin für die Polizei eingestellten Haushaltsmittel gedeckt« und würden nicht gesondert erhoben. Eine Standardantwort, die auch die Verwaltung von Innensenator Frank Henkel (CDU) häufig auf parlamentarische Anfragen zu Kosten bei Polizeieinsätzen gibt.

Das gleiche sagt die Polizei über den Einsatz der Beamten im gesamten sogenannten Gefahrengebiet des Friedrichshainer Nordkiezes. Wie viele Polizisten seit dem 23. Oktober 2015, als der Nordkiez allem Anschein nach zum »kriminalitätsbelasteten Ort« erklärt wurde, bisher im genannten Gebiet im Einsatz waren, auch darüber gibt die Polizei keine Auskunft. »Eine statistische Erfassung von eingesetzten Kräften in Einsatzräumen erfolgt nicht«, heißt es in der Antwort der Pressestelle der Polizei auf eine Anfrage des »nd«.

Eine Anwohnerinitiative hat unterdessen ihre eigenen Zahlen aufgestellt. Sie schätzt, dass seit Oktober pro Tag drei Hundertschaften, aufgeteilt in drei Schichten, vor Ort im Einsatz waren. Ein Polizist koste pro Tag rund 250 Euro. Insgesamt kämen damit 24 Millionen Euro an Personalkosten zusammen. Zusammen mit übrigen Kosten wie dem Aufwand für Polizeihubschrauber kommt die Initiative sogar auf 30 Millionen Euro.

Benjamin Jendro, Sprecher des Landesverbandes der Gewerkschaft der Polizei (GdP), hält diese Zahl für zu hoch gegriffen. Er hält »einen mittleren einstelligen Millionenbetrag« für den Einsatz der Polizei im Friedrichshainer Nordkiez in diesem Jahr für realistisch. Seinen Angaben zufolge wurden im genannten Gebiet und Zeitraum 120 000 Polizeieinsatzstunden geleistet. Ein Bereitschaftspolizist kostet laut GdP rund 150 Euro pro Tag. Rechnet man nach, kommt man damit im Jahr 2016 auf rund 2,3 Millionen Euro Personalkosten. Für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2015 kämen noch einmal 700 000 Euro hinzu. Macht drei Millionen Euro. Hinzu kommen Personalkosten für Führungskräfte, die Vor- und Nachbereitung der Einsätze sowie Kosten für Einsatzfahrzeuge. Damit wäre man dem Betrag der GdP sehr nahe.

Eine andere Rechnung macht Benedikt Lux auf, der innenpolitische Sprecher der Grünenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus: 50 Euro kostet ein Polizeieinsatz ihm zufolge pro Stunde. Bei 120 000 Einsatzstunden allein 2016 wäre man bei rund acht Millionen Euro für Einsätze im Nordkiez in rund zehn Monaten. Für Lux ist das viel. Im Vergleich: Mit 58 000 Einsatzstunden waren Polizisten im gesamten Jahr 2015 im Görlitzer Park eingesetzt, ein weiterer »kriminalitätsbelasteter Ort«. »Der Einsatz in der Rigaer Straße ist ein Lehrstück darin, wie man es nicht machen sollte: Die Anwohner sind verärgert, die Polizei verheizt«, sagt Lux.

»Selbst wenn es nur drei Millionen Euro sind – das ist eine unverhältnismäßig hohe Summe«, sagt der Abgeordnete Fabio Reinhardt (Piraten). Er hatte 2011 eine Schriftliche Anfrage zu den Kosten des Polizeieinsatzes zur Räumung der Liebigstraße 14 gestellt: Fünf Millionen Euro soll allein für auswärtige Beamte ausgegeben worden sein. Bei diesen Summen wundert sich Reinhardt, dass vier Millionen Euro für den Kauf des Hauses in der Rigaer Straße 94 als zu teuer gelten. »Wie viel ist eine Lösung im Rigaer-Konflikt wert?« Wenn eine landeseigene Wohnungsgesellschaft Eigentümer des Hauses wäre, hätte der Senat zumindest einen verlässlichen Verhandlungspartner. Aktuell wisse man schließlich nicht einmal genau, wer der Eigentümer sei, sagt Reinhardt.