Thüringens Antifa klärt Verfassungsschutz über AfD auf

Erstveröffentlicht: 
29.07.2016

Aktivisten-Blog veröffentlicht Belege über Zusammenarbeit mit extremen Rechten / LINKEN-Abgeordnete König: »AfD ist parlamentarischer Arm der Nazis«

 

Der thüringische Verfassungsschutz klang sicher: Die thüringische AfD verfüge über keine Kontakte zur völkischen Identitären Bewegung (IB). Im Falle der Partei oder bei einzelnen Mitglieder lägen der Behörde »derzeit keine für eine nachrichtendienstliche Beobachtung ausreichenden Anhaltspunkte« vor, teilte das Amt Mitte Juli mit. Es stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage eine Behörde, die offiziell die Rechtsaußen-Partei gar nicht bespitzelt, zu dieser Beurteilung im Stande war.

 

Ist bei der AfD Thüringen nun aber von einem Landesverband voller lupenreiner Demokraten auszugehen, bei denen es keinen Grund zur Sorge gibt? Nicht alle teilen diese Sicht. »Der Verfassungsschutz sagt: Die AfD hat keine Verbindungen zur rechten Szene. Zum Glück gibt es die Antifa-Recherche«, stellte die Landtagsabgeordnete der LINKEN, Katharina König, auf Twitter klar. Sie spielte damit auf eine aktuelle Recherche des antifaschistischen Blogs thueringenrechtsaussen.wordpress.com an, der detailliert über angebliche Kontakte und eine Zusammenarbeit zwischen der thüringischen AfD und der extrem rechten Szene des Bundeslandes informiert.

 

Für König sind die Befunde der Veröffentlichung glaubwürdig - und eindeutig: »Die Antifa-Recherche belegt: Die AfD ist der parlamentarische Arm der Nazis. Und mitverantwortlich für die steigende Gewalt von rechts.«

 

Die Recherchen des Blogs behaupten, dass die Landesvorsitzende der Jungen Alternative Thüringen, Jana Schneider, sich Ende Juni mit Vertretern der Identitären Bewegung zu Gesprächen getroffen habe. Es werden Mailauszüge zitiert, die das Treffen sowie weitergehende Betrachtungen und Auswertungen Schneiders belegen sollen. Auch der frühere NPD-Politiker und jetzige Anhänger der Identitären Bewegung, Kevin S., habe die Gespräche demnach bestätigt. Die E-Mails seien den Antifaschisten zugespielt worden, heißt es.

 

 

Auch weiteren thüringischen AfD-Abgeordneten, -Funktionären und -Anhängern werden in dem Blogbeitrag Verbindungen zu Neonazis, Bürgerwehren und extrem rechten Burschenschaften nachgesagt und mit vermeintlichen Beweisen belegt. Ein Bild auf dem Blog zeigt Anhänger der Identitären Bewegung mit einem Transparent auf einer Demonstration der AfD in Gera. Nach starkem politischen Druck hatte der Bundesvorstand der JA zuletzt einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der völkischen IB verabschiedet.

 

Nach einer Anfrage von »nd« bestätigte Schneider die Auszüge aus den E-Mails, erklärte aber, ihr sei der Absender nicht bekannt und dieser wäre auch kein Mitglied der JA Thüringen. Sie gehe davon aus, dass es sich um einen falschen Namen handeln würde. In einer Antwort bekräftigte sie den Unvereinbarkeitsbeschluss der Jungen Alternative. »Ich habe persönlich auf dem Bundeskongress den Beschluss befürwortet und stehe voll hinter diesem.«

 

Schneider erklärte gegenüber »nd«, Vertreter der Identitären Bewegung wären zweimal auf sie zugekommen, um den Jahreswechsel sowie im April, und hätten eine Kooperation angeboten, die dann durch sie aber abgelehnt worden wäre. Ende April oder Mai wäre es dann zu einem dritten Treffen gekommen. »Dennoch traf ich mich aufgrund einer gewissen Aufdringlichkeit von seiner Seite mit ihm und Herrn S. wenige Wochen später«, erklärte sie. Dort hätte sie ihre Position ein letztes Mal deutlich gemacht. Seitdem habe es laut der Vorsitzenden keine weiteren Treffen zwischen der JA Thüringen und der IB Thüringen mehr gegeben. Weitere Gespräche mit der Identitären Bewegung Thüringen schließe sie kategorisch aus. »Eine Zusammenarbeit hat es zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner denkbaren Form gegeben. Alle Versuche eines Kontaktaufbaus gingen von Seiten der Identitären Bewegung aus.«

 

Unabhängig der möglichen Verbindungen zur Identitären Bewegung fallen Vertreter der AfD Thüringen schon länger durch rassistische Äußerungen und Verbindungen zur völkischen Neuen Rechten auf. Der Landesvorsitzende Björn Höcke erlangte durch diskriminierende Beschreibungen über den »lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyp« bundesweit Bekanntheit. Gute Kontakte zum »Institut für Staatspolitik« um Götz Kubitschek sind belegt. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) bescheinigte dem AfD-Chef eine »Originalsprache der SA der 1920er Jahre.«

 

Der Landessprecher Stefan Möller rief jüngst ebenso mit Äußerungen Empörung hervor: »Die vorbeugende Sicherungsverwahrung ist sicherlich eine geeignete Maßnahme zur Kriminalitäts- und Terrorprävention«, sagte der Politiker gegenüber der »Huffington Post«. Es biete »sich diese Lösung aus Sicht des Thüringer Landesverbands an, um Gefährder aus der islamistischen Szene aber auch mehrfach kriminalitätsauffällige Ausländer bis zu deren Abschiebung an Straftaten oder Anschlägen zu hindern«. Mit Erfüllung des Vorschlages würde ein Sonderstrafrecht für Ausländer geschaffen, die dadurch gesetzlich benachteiligt wären.

 

Der Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek der Grünen wies gegenüber dem Magazin die Forderung vehement zurück. Die AfD solle lieber ihre eigenen Sympathisanten im Auge behalten. Der Todesschütze von München sei schließlich, »nach dem, was man bislang weiß, glühender AfD-Anhänger gewesen.«

 

Rechtsradikale und rassistisch motivierte Gewalt hatte in Thüringen im ersten Halbjahr 2016 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum erneut zugenommen. Die mobile Opferberatung »Ezra« registrierte in den ersten sechs Monaten 72 Fälle mit mehr als 130 Betroffenen. Häufigstes Tatmotiv war Rassismus. Nach einer Kleinen Anfrage von Katharina König hatte auch das LKA Thüringen einen Anstieg von 270 Prozent bei Übergriffen auf Flüchtlingsunterkünfte im 1. Quartal 2016 im Vergleich zum selben Zeitraum des vergangenen Jahres ermittelt.

 

Nach Einschätzung der Landessprecherin für Antifaschismus trägt die AfD eine Mitverantwortung an dieser Entwicklung: »Der Normalisierung von rechter und rassistischer Gewalt geht auch eine Normalisierung von rassistischen und rechtspopulistischen Thesen im öffentlichen Raum voraus«, sagte sie dem Onlinemagazin »Jenapolis«. Die AfD bediene sich dabei bewusst auch immer wieder der Sprache von Nationalsozialisten, um die Grenzen des Sagbaren öffentlich nach rechts zu verschieben. »Rechte Gewalttäter und Brandstifter ziehen auch aus solchen Parolen und Reden immer wieder ihre Legitimation.«