Kommen viele Heidenau-Täter davon?

Erstveröffentlicht: 
29.07.2016

Ein Jahr nach dem Krawallwochenende fällt die Bilanz der Justiz ernüchternd aus. Dabei hatte die Politik Härte angekündigt.

 

Dresden. Dass das Geschehen am vorletzten Augustwochenende 2015 im 16.000-Einwohner-Ort Heidenau Folgen hatte, lässt sich schwer bestreiten: Tagelang waren die Randale um einen zur Asylunterkunft umfunktionierten Baumarkt das nationale Nachrichtenthema Nummer 1.

 

Nicht nur die sächsische Regierungsspitze eilte seinerzeit nach Heidenau, sondern erst auch der Vizekanzler und dann sogar die Bundeskanzlerin. Der Empfang war weniger herzlich. Später trat der Landtag zu einer Sondersitzung zusammen, auf der Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) ankündigte, dass es für jene "enthemmte Minderheit" keine Toleranz gebe und die Taten "konsequent geahndet" würden.

 

Der Fall Heidenau scheint dafür jedoch nicht unbedingt das Paradebeispiel zu sein. Zwar darf als gesichert gelten, dass die Anführer der Randale in der Neonazi-Szene und in Hooligan-Kreisen zu verorten sind. Der Beweis konkreter Tatvorwürfe aber ist auch deshalb ziemlich schwer, weil die in Heidenau in beiden Nächten unterbesetzte und deshalb überforderte Polizei kaum Personalien aufnehmen konnte. Zwei Nächte hintereinander lieferten sich Gewalttäter mit ihr Straßenschlachten. Mehr als 30 Beamte wurden verletzt, nachdem sie in der Nacht zu Samstag bei der Auflösung einer Sitzblockade aus einer Menge von 600 Menschen heraus mit Flaschen und Böllern beworfen wurden und sich in der Nacht zu Sonntag dann auch gegen Steinewerfer zur Wehr setzen mussten.

 

Zwar wurden vom "Ines"-Sonderdezernat zur Bekämpfung politisch motivierter Kriminalität zwischenzeitlich bis zu 34 Ermittlungsverfahren geführt. Die Bilanz knapp ein Jahr danach fällt jedoch ernüchternd aus. Einige der 14 Anklagen sind noch anhängig, mehrere Verfahren wurden aber auch schon eingestellt, weil Täter nicht ermittelt werden konnten oder ihnen nichts nachgewiesen werden konnte.

 

Der SPD-Landtagsabgeordnete Henning Homann hatte den Behörden zumindest mit der Sicherung eines zuvor gelöschten Videos helfen können. Illusionen über eine harte Strafverfolgung machte er sich trotzdem nie. In beiden Nächten war er als Augenzeuge dabei - und weiß deshalb, dass die Polizei genug damit zu tun hatte, Gefahren abzuwehren und die Ankunft der Flüchtlinge zu sichern. Gleich am Freitag sei ein Beamter auf ihn zugekommen und habe erklärt, dass er für seine sichere Abreise nicht garantieren könne. Homann ist dann bis weit nach Mitternacht geblieben. Als Beobachter habe er zwar schon viele Neonazi-Aufmärsche gesehen: "Aber die brutale Gewalt von Heidenau werde ich nie vergessen."

 

Dass so viele Täter davonkommen, ärgert den 36-Jährigen bis heute. Für Vorwürfe gegen die Justiz sieht der SPD-Fraktionsvize im Fall Heidenau keinen Grund. Verantwortlich macht er den Polizeiabbau - und das "auch von der CDU jahrelang nicht ernst genommene Rassismusproblem in Sachsen". Nun geht Homann aber davon aus, dass es beim Koalitionspartner seit Heidenau "eine andere Sensibilität" gebe.

 

Die rechtskräftig Verurteilten lassen sich bisher an einer Hand abzählen: Einer bekam eine 14-monatige Freiheitsstrafe vom Amtsgericht Pirna aufgebrummt, wobei nur jeweils vier Monate aus der Beleidigung von Polizisten und Sachbeschädigung an einem Polizeiauto resultierten und der Rest der Strafe auf Delikte ohne Heidenau-Bezug zurückging. Ein zweiter Täter erhielt eine zur Bewährung ausgesetzte achtmonatige Jugendstrafe wegen Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung. Ein dritter wurde wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen mit einer Geldstrafe über 70 Tagessätze verurteilt. Das gleiche Delikt führte gegen einen vierten Täter zum Strafbefehl über 90 Tagessätze.