Die Betreiber ziehen die Notbremse: Gemäss einer Medienmitteilung bleibt das Kulturzentrum bis auf Weiteres geschlossen.
Die Berner Reitschule hat am Samstagnachmittag überraschend bekanntgegeben, dass sie «bis auf Weiteres» schliesst. Als Grund geben die Betreiber die andauernden Probleme auf dem Vorplatz an.
Für diese Ereignisse könne und wolle die Reitschule die Verantwortung nicht tragen, teilte die Mediengruppe des alternativen Kultur- und Begegnungszentrums am Samstag per Medienmitteilung mit.
Reitschule Bern
09.07.2016
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Die Reitschule bleibt bis auf Weiteres geschlossen
Die Reitschule - 1987 definitiv besetzt und seither als alternatives Kultur- und Begegnungszentrum genutzt.
Ein Freiraum, für den wir mit unserem Manifest als Betreiber_innen der Reitschule Grundsätze festgelegt haben, die für uns unabdingbare Elemente eines solidarischen und emanzipierten Zusammensein sind:
- kein Rassismus;
- kein Sexismus;
- keine physischen, psychischen oder sexuellen Übergriffe;
- keine Homophobie;
- keine Selbstbereicherung;
- kein Konsumzwang;
- wir versuchen Konflikte gewaltfrei zu lösen;
- wir verhalten uns respektvoll miteinander und gegenüber der Infrastruktur.
Der Vorplatz hat sich in den letzten Jahren, nicht zu letzt als Konsequenz der verfehlten Jugend-, Nachtleben-, Sicherheits-, Drogen- und Asylpolitik der Stadt Bern, des Kantons und des Bundes, zum Kristallisationspunkt gesellschaftlicher Probleme entwickelt, die ausserhalb des Einflussbereichs der Reitschule liegen. Abend für Abend, Wochenende für Wochenende treffen auf dem Vorplatz verschiedenste Menschen und Interessen aufeinander. Der Reitschule wird damit eine Verantwortung übergestülpt, die wir weder tragen können noch wollen. Deshalb sagen wir "Stopp". Für uns ist die heutige Situation untragbar und wir haben keine Lust mehr darauf, Freiraum zu sein, dem nicht Sorge getragen wird.
Aus diesem Grund bleibt die Reitschule bis auf Weiteres geschlossen!
«Nicht zuletzt als Konsequenz der verfehlten Jugend-, Nachtleben-, Sicherheits-, Drogen- und Asylpolitik der Stadt Bern, des Kantons und des Bundes» sei dieser Vorplatz zum «Kristallisationspunkt gesellschaftlicher Probleme» geworden.
«Keine Lust mehr»
Der Reitschule werde damit eine Verantwortung «übergestülpt», welche sie weder tragen könne noch wolle. «Wir haben keine Lust mehr darauf, Freiraum zu sein, dem nicht Sorge getragen wird.»
Ein Augenschein zeigte am späteren Nachmittag, dass es den Betreibern offenbar ernst ist: Das Tor zur Reitschule war verriegelt, und daran hing die Medienmitteilung von der Schliessung.
Abzuwarten bleibt, was «bis auf Weiteres» heisst. Ein Mitglied der Reitschulbetreiber sagte der Nachrichtenagentur sda vor dem Gebäude, die für den (heutigen) Samstag und den kommenden Dienstag vorgesehenen Anlässe fänden nicht statt. Doch schon Ende Juli will die Reitschule zum dritten Mal ein Sommerfest durchführen.
Spätestens dann dürfte man sehen, was mit «bis auf Weiteres» gemeint ist. Weitere Fragen wollten die Reitschüler nicht beantworten. Es werde wieder kommuniziert, sagten sie.
Stadtbekannter Drogenhandelsplatz
Der Vorplatz der Reitschule - ein Unort zwischen einem Parkplatz und der Reitschule; darüber verläuft ein Eisenbahnviadukt - gibt in Bern seit Jahren zu reden. Er ist stadtbekannt als Drogenumschlags- und -handelsplatz, und wenn in der Reitschule etwas los ist, kommen Hunderte oder gar Tausende.
Immer wieder kommt es zu Rangeleien oder schlimmeren Vorfällen; erst Mitte Juni kam es in diesem Bereich wieder zu einem Angriff, bei dem ein Messer im Spiel war.
Die Reitschüler werfen der Polizei jeweils vor, sie gehe ungerechtfertigterweise vor allem gegen Schwarze vor, welche oft auf dem Vorplatz als Dealer auftreten. Die Polizei wirft der Reitschule unkooperatives Verhalten vor.
Zu einer Eskalation kam es Anfang März, nachdem die Polizei vor der Reitschule Personenkontrollen durchgeführt hatte. Vermummte errichteten Barrikaden und griffen die Einsatzkräfte vom Dach des Gebäudes an. Elf Polizisten wurden verletzt. Danach ergriff die Stadt Bern gewisse Sanktionen gegen die Reitschule.
Der neue, vierjährige Leistungsvertrag zwischen Stadt und den Reitschul-Trägern kam wenig später aber dennoch durchs Stadtparlament. Viele Parlamentarier argumentierten, die Reitschule sei nicht verantwortlich für die Gewaltexzesse.
Bundesrichter eingeschaltet
Mitte Mai wurde auch bekannt, dass die Stadt den ehemaligen Bundesrichter Hans Wiprächtiger beauftragt hat, im Konflikt zwischen Stadt und Reitschule zu vermitteln. Damals hiess es, der Dialog sei erst angelaufen, konkrete Ergebnisse lägen nicht vor. Seither hat man nichts mehr gehört.