Wiederholt forderten bürgerliche Politiker, das Berner Kulturlokal Reitschule müsse geschlossen werden. Nun haben die Betreiber selber genug – «bis auf Weiteres». Grund dafür sind Vorkommnisse auf dem Vorplatz des Lokals.
Die Reitschule in der Stadt Bern bleibt vorerst geschlossen. Das teilt
die Reitschule mit. Als Grund geben die Betreiber die andauernden
Probleme auf dem Vorplatz an.
Für diese Ereignisse könne und wolle die Reitschule die Verantwortung nicht tragen.
«Kristallisationspunkt gesellschaftlicher Probleme»
«Nicht zuletzt als Konsequenz der verfehlten Jugend-, Nachtleben-, Sicherheits-, Drogen- und Asylpolitik der Stadt Bern, des Kantons und des Bundes» sei dieser Vorplatz zum «Kristallisationspunkt gesellschaftlicher Probleme» geworden.
Der Reitschule werde damit eine Verantwortung «übergestülpt», welche sie weder tragen könne noch wolle. «Wir haben keine Lust mehr darauf, Freiraum zu sein, dem nicht Sorge getragen wird.»
Tor der Reitschule ist zu
Ein Augenschein zeigte am späteren Nachmittag, dass es den Betreibern offenbar ernst ist: Das Tor zur Reitschule war verriegelt, und daran hing die Medienmitteilung von der Schliessung.
Abzuwarten bleibt, was «bis auf Weiteres» heisst. Kommende Anlässe finden nicht statt. Doch schon Ende Juli will die Reitschule zum dritten Mal ein Sommerfest durchführen.
Unterstützung durch die JUSO
Zustimmung für die Kritik an der «verfehlten Drogen-, Jugend- und Asylpolitik» ernten die Reitschul-Betreiber von der JUSO Stadt Bern. «Die Schliessung» sei eine «logische Konsequenz», heisst es in einer Erklärung.
Wenn man ständig nur kritisiert werde, «ohne irgendwelche Lösungsvorschläge zu hören, dann verstehe ich den Frust der Betreiber», betont Lukas Nyffeler vom Vorstand der JUSO Stadt Bern. Es brauche «mehr Freiräume wie die Reitschule. Weniger Kommerzialisierung des Öffentlichen Raumes würde die Situation auf dem Vorplatz massiv entschärfen», fügt er hinzu. Seine Organisation unterstütze «die Reitschule in ihrer Autonomie vollkommen».
Stadtbekannter Drogenhandelsplatz
Der Vorplatz der Reitschule – ein Unort zwischen einem Parkplatz und der Reitschule; darüber verläuft ein Eisenbahnviadukt – gibt in Bern seit Jahren zu reden. Er ist stadtbekannt als Drogenumschlags- und -handelsplatz. Wenn hier etwas los ist, kommen Hunderte oder gar Tausende. Immer wieder kommt es aber auch zu Rangeleien oder schlimmeren Vorfällen; erst Mitte Juni kam es in diesem Bereich wieder zu einem Angriff, bei dem ein Messer im Spiel war.
Die Reitschüler werfen der Polizei jeweils vor, sie gehe ungerechtfertigterweise vor allem gegen Schwarze vor, welche oft auf dem Vorplatz als Dealer auftreten. Die Polizei wirft der Reitschule ihrerseits unkooperatives Verhalten vor.
Eskalation
Zu einer Eskalation kam es Anfang März, nachdem die Polizei vor der Reitschule Personenkontrollen durchgeführt hatte. Vermummte errichteten Barrikaden und griffen die Einsatzkräfte vom Dach des Gebäudes an. Elf Polizisten wurden verletzt. Danach ergriff die Stadt Bern Sanktionen gegen die Reitschule.
Der neue, vierjährige Leistungsvertrag zwischen Stadt und den Reitschul-Trägern kam wenig später aber dennoch durchs Stadtparlament. Viele Parlamentarier argumentierten, die Reitschule sei nicht verantwortlich für die Gewaltexzesse.
Bundesrichter eingeschaltet
Mitte Mai wurde auch bekannt, dass die Stadt den ehemaligen Bundesrichter Hans Wiprächtiger beauftragt hat, im Konflikt zwischen Stadt und Reitschule zu vermitteln. Damals hiess es, der Dialog sei erst angelaufen, konkrete Ergebnisse lägen nicht vor. Seither hat man nichts mehr gehört.