Offener Streit bei Pegida: Zwischen Bachmann und Festerling fliegen die Fetzen

Erstveröffentlicht: 
16.06.2016

Bei Pegida fliegen nun auch öffentlich die Fetzen. Die Organisatoren des asyl- und islamfeindlichen Bündnisses werfen ihre ehemalige Frontfrau und OB-Kandidatin Tatjana Festerling aus dem Verein.

 

Dresden. Bei Pegida fliegen nun auch öffentlich die Fetzen. Die Organisatoren des asyl- und islamfeindlichen Bündnisses werfen ihre ehemalige Frontfrau und OB-Kandidatin Tatjana Festerling aus dem Verein. Drumherum wird jede Menge schmutzige Wäsche gewaschen.

 

Festerling stand zuletzt im April auf dem Pegida-Lkw, seitdem fehlte sie. Anhänger quittierten das mit Plakaten wie „Tatjana, wir vermissen dich“ oder „Pegida ohne Tatjana ist wie Dresden ohne Zwinger“. Offiziell gab es zu ihrem Fernbleiben bis dato keine Stellungnahme. Die frühere AfD-Politikerin sagte auf Nachfrage lediglich: „Das sollten sie Herrn Bachmann fragen.“ Die Bilderberg-Konferenz in Dresden brachte das Fass jetzt aber zum Überlaufen. 

 

Auslöser Bilderberg-Protest


Den Stein ins Rollen brachte Pegida-Aktivist Edwin Wagenveld, bei den selbsternannten Patrioten besser als „Ed der Holländer“ bekannt. Wagenveld hatte zusammen mit Festerling und einer Handvoll weiterer Menschen gegen das Treffen im Taschenbergpalais demonstriert. Pegida hingegen verzichtete trotz vorheriger Ankündigung auf Präsenz. Wagenveld polterte daraufhin bei Facebook, sprach erstmals vom „Redeverbot“ Festerlings und dem Rausschmiss aus dem Pegida-Förderverein.

 

Bachmann nahm am vergangenen Montag zur Causa Festerling keine Stellung, rechtfertigte aber den fehlenden Protest gegen Bilderberg mit zu hohen Sicherheitsvorkehrungen. Das allerdings rief nun Götz Kubitschek auf den Plan, Vordenker der neurechten Bewegung und mehrfacher Pegida-Redner. „Ich sehe uns nun instrumentalisiert gegen Tatjana Festerling und ‚Ed den Holländer‘“, schrieb Kubitschek am Mittwochabend und ging auf Distanz zu Bachmann. 

 

Pegida verkündet Ausschluss


Nahezu zeitgleich verkündete Pegida tatsächlich den Rauswurf von Festerling. Der 52-Jährigen werde „vereinsschädigendes Verhalten“ vorgeworfen, heißt es in der am Mittwochabend bei Facebook verbreiteten Erklärung. Hintergrund sei unter anderem die Weigerung Festerlings, dem „Orgateam“ ihre Redemanuskripte vorab vorzulegen. Zudem kritisierte Pegida Festerlings Alleingänge und Reisen durch halb Europa.

 

Weiter, so heißt es rund um Pegida immer wieder, werfe Bachmann Festerling vor, mit zu aggressiven Reden die Teilnehmerzahl der Pegida-Demos nach unten gedrückt zu haben. Festerlings Forderungen, wie die Abspaltung Sachsens oder ein Einkaufskboykott am Mittwoch, seien mit Pegida nicht abgesprochen gewesen. Das allerdings fällt Bachmann reichlich spät ein, die genannten Aussagen stammen zum Teil aus dem Herbst 2015. 

 

Festerling deutet Mauscheleien an


Auf der nächsten Sitzung des Pegida-Fördervereins soll der Ausschluss offiziell beschlossen werden. Allzu lang werden die Diskussionen eventuell nicht dauern. Für den im Frühling 2015 gegründeten Förderverein warb Pegida zwar um Mitgliedschaft und veröffentlichte auch Mitgliedsanträge – offenbar hat der Verein aktuell aber inklusive Festerling nur sieben Mitglieder, verkündete Festerling selbst. 400 Mitgliedsanträge seien "verschwunden", schrieb sie. 

 

Schlammschlacht beginnt


Der Ausschluss sorgt nun für jede Menge böses Blut. Bachmann biedere sich der AfD an, heißt es aus dem Festerling-Lager, von „Falschbehauptungen, Verdrehungen und welcher Kinderkacke“ ist die Rede. Das Pegida Orga-Team sei „komplett hirnlos oder aber von Verfassungsschutz unterwandert“, so die Seite „Solidarität mit Tatjana Festerling“. Festerling warf Pegida und Bachmann persönlich Lügen vor, der Verein gehe zudem zu lax mit Spendengeldern um. Es habe in sechs Monaten keine einzige offizielle Mitgliederversammlung gegeben, ihr sei jeder Einblick in die Finanzen verwehrt worden. "Jeder, der bei ihm in Ungnade fällt, wird von ihm mit dem Stigma des Verfassungsschutzes gebrandmarkt. Möglicherweise um von sich selber abzulenken?", schoss sie gegen Bachmann. Siegfried Däbritz, bei Pegida Versammlungsleiter, kündigte am Donnerstagnachmittag an, Festerling wegen deren Äußerungen anzeigen zu wollen.

 

Der Pegida-Chef selbst spricht von „Sektenanhängern“ und Instrumentalisierung. Der Pegida-Chef bekommt allerdings in den Facebook-Kommentarspalten kräftig Gegenwind. Selbstverliebt sei er, Bachmanns Vorstrafen werden thematisiert, viele werfen Pegida vor, von oben gesteuert worden zu sein. Es geht um die intransparenten Pegida-Finanzen und jede Menge nicht eingehaltener Versprechen vom GEZ-Entscheid bis zur Parteigründung. Von Abkehr und Boykott ist die Rede. Unterstützer beider Seiten beschimpfen sich mit Wonne, viele wittern böse Mächte am Werk, andere trauern um die Einigkeit Pegidas. 

 

Nicht der erste Bruch bei Pegida


Die aktuelle Spaltung ist für Pegida bereits die Zweite. Schon Anfang 2015 war es zum Bruch gekommen, auf dem Höhepunkt der Bewegung. Damals war Bachmanns Foto mit Hitler-Bärtchen bekannt geworden, zudem asylfeindliche Äußerungen, für die Bachmann inzwischen wegen Volksverhetzung verurteilt worden ist.

 

Bachmann zog sich kurz zurück, stand jedoch bald wieder in der ersten Reihe. Die Hälfte der damaligen Pegida-Gründer um Kathrin Oertel und Rene Jahn verließ daraufhin im Streit den Verein. Deren Alternativbewegung DDFE versandete jedoch schnell. Die Bewegung radikalisierte sich zusehends, auch mit Festerling als neuem Gesicht in der ersten Reihe. 

 

Festerling orientiert sich offenbar nach Leipzig


Während Bachmann weiterhin bei Pegida das Zepter inne hat und offenbar eine enge Zusammenarbeit mit der AfD anstrebt, hat sich Festerling bereits neu orientiert. Ihr neues Vehikel heißt „Festung Europa“ und orientiert sich stärker an der vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung und den neurechten Ideologien um Götz Kubitschek.

 

In dem Bündnis hatten sich zu Jahresbeginn islam- und fremdenfeindliche Gruppen und Parteien aus mehreren europäischen Staaten vernetzt. Mit „Festung Europa“ trat Festerling bereits am Pfingstmontag in Dresden auf, als Pegida pausierte. Der Bruch sei vermutlich auf die „verletzte Eitelkeit eines Herrn Bachmann“ zurückzuführen, weil Festerling und nicht er zum Sprecher der „Festung Europa“ gewählt worden sei, mutmaßen Festerling-Unterstützer.

 

Zudem versucht die Hamburgerin, beim Leipziger Ableger „Legida“ Fuß zu fassen. Dort hatte sie im Januar nach ihrem „Mistgabel“-Auftritt mehrere Strafanzeigen provoziert. Im Juni waren Festerling und Wagenveld die beworbenen Redner. Gleiches gilt für die nächste angekündigte Veranstaltung im Juli. Laut dem Bündnis „No Legida“ kursiere zudem das Gerücht, Festerling wolle nach Leipzig ziehen. Die Einigkeit zwischen Legida und Pegida scheint jedenfalls dahin. Der ehemalige Legida-Sprecher Jörg Hoyer kündigte für den Freitag die nächste "Abrechnung" mit Lutz Bachmann an. Ihm habe der Pegida-Chef schon Anfang 2015 berichtet, dass die gut gefüllten Spendenboxen der einzige Existenzgrund für Pegida seien.

 

Von S. Lohse (mit dpa)