Spezialeinheit trainiert Einsatz gegen Hooligans in ausrangierten Tatras

Erstveröffentlicht: 
07.06.2016

Die vermummten Hooligans grölen und bringen den Straßenbahnwagen zum Schaukeln. Als Einsatzkräfte der Polizei anrücken, brüllen die Randalierer: „Bullenschweine! Verpisst euch!“ Dann dringen die Beamten auch schon in den Wagen ein.

 

Leipzig. Die vermummten Hooligans grölen und bringen den Straßenbahnwagen zum Schaukeln. Als Einsatzkräfte der Polizei anrücken, brüllen die Randalierer: „Bullenschweine! Verpisst euch!“ Dann dringen die Beamten auch schon in den Wagen ein. Obwohl es so eng ist, dass man sich kaum bewegen kann, greifen sie sich einzelne Störer, fixieren sie und führen sie nach draußen. Eine halbe Stunde später: Eine Bahn fährt ein, plötzlich stürmen zwei Dutzend Schläger auf den Wagen zu. Doch die Polizeieinheit ist hellwach, drängt die Hooligans zurück, fesselt sie mit Kabelbindern am Boden.

 

Die Stimmung ist aufgeheizt, laute Schreie auf beiden Seiten, Nebelbomben zünden, ein T-Shirt wird zerfetzt. Doch so realistisch die Szenarien wirken: Das, was an diesem Montagmittag am Straßenbahnhof Leutzsch über die Bühne geht ist zum Glück nur eine Übung.

 

28 Beamte der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten der Bereitschaftspolizei absolvierten hier ein Training im Rahmen ihrer Spezialgrundausbildung. Zuvor hatten sich die Polizisten bei einem Aufnahmetest für die besondere Einheit qualifiziert. Sie übten unter anderem das Stoppen einer Straßenbahn mit mehreren Fahrzeugen und die Kontrolle eines Wagens.

 

Dabei ging es etwa darum, einzelne Tatverdächtige aus einer voll besetzten Bahn zu isolieren. Und das mit dem nahezu kompletten Programm zusätzlicher Stressfaktoren. „Hitze, Enge und Krach sind Umstände, mit denen man bei solchen Einsätzen umgehen muss“, sagte Bereitschaftspolizeisprecher Stefan Walther. „Deshalb muss das auch möglichst realistisch geübt werden.“

 

Den Part der aggressiven Störer übernahmen 50 Schüler der Polizeifachschule, die es ihren Kollegen keinesfalls leicht machten. Es war förmlich zu spüren, wie die Mischung aus Adrenalin und Gruppendynamik in der Realität wirken kann. Das Gelände des Straßenbahnhofs Leutzsch ist für derlei Praxistests ideal. Wie berichtet, stellen die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) hier ihre ausrangierten Straßenbahnen ab. Weil die alten Tatra-Wagen ohnehin bis Ende dieses Monats in die Schrottpresse kommen sollen, mussten die Beamten auch keine Rücksicht nehmen, um etwaige Schäden zu vermeiden.

 

„Möglich sind solche Übungen dank einer schon über Jahre bestehenden Zusammenarbeit zwischen Leipziger Verkehrsbetrieben und Bereitschaftspolizei, die letztlich beiden Seiten zu Gute kommt“, so LVB-Sprecher Marc Backhaus. Denn die polizeilichen Maßnahmen, die regelmäßig im Straßenbahnhof trainiert werden, sind für Bereitschaftspolizei und natürlich auch LVB Alltag, wenn es etwa um die Begleitung von Auswärtsfans bei Fußballspielen oder die An- und Abreise zu den zahlreichen Demonstrationen in Leipzig geht. Mit dem Aufstieg von RB Leipzig in die 1. Bundesliga ändere sich für die Bereitschaftspolizei insofern etwas, als dass nun noch größere Publikumsströme zu bewältigen sind, prognostizierte Behördensprecher Walther.

 

Deshalb wollen LVB und Bereitschaftspolizei auch an ihrer Kooperation festhalten. Selbst wenn die alten Tatras auf dem Leutzscher Straßenbahnhof wohl zum letzten Mal als Übungsobjekte genutzt wurden, sei für Nachschub gesorgt, versicherte Backhaus. Bis 2020 wollen die LVB bekanntlich 41 neue Niederflurwagen anschaffen. Für jeden von ihnen gehen zweieinhalb Tatras in Rente.