Revolutionärer Aufbau: «Linksextreme bewaffnen sich sogar mit Revolvern»

Erstveröffentlicht: 
24.05.2016

Linksautonome Gewalttäter gehen gemäss Experten brutaler und organisierter vor als noch vor einigen Jahren. Politiker streiten sich um Massnahmen dagegen.

 

Faustgrosse Steine, Angriffe auf Feuerwehrleute und Kommunikation per Funkgerät: Nach den linksautonomen Krawallen in Bern vom Sonntag sorgt die verstärkte Brutalität und der Organisationsgrad der linksextremen Gewalttäter für Gesprächsstoff. Die Demonstranten hätten mit «ungeahnter Brutalität» agiert, sagte der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause am Sonntag und fordert, dass sich Bund und Nachrichtendienst sich dieser Problematik annehmen. «Momentan sind etwa die Hürden für Telefonüberwachungen zu hoch.»

 

Auch in Zürich gingen Linksautonome 2014 besonders brutal vor und setzten gegen Polizisten gezielt brennendes Feuerwerk ein. «Ich glaube, wir sind mit einer neuen Dimension von Gewalt konfrontiert», sagte Justizvorsteher Richard Wolff damals. Erst im März wurden bei Krawallen in der Nähe der Berner Reitschule elf Polizisten verletzt, 2013 verlor eine Demonstrantin der «Tanz dich frei»-Demo in Winterthur fast ein Auge, ein Polizist sein Gehör auf einem Ohr. «Die Aggressivität ist schneller da als vor 20 Jahren», sagte Max Hofmann, Medienverantwortlicher des Verbands der schweizerischen Polizeibeamten, anlässlich einer neuen Statistik über Gewalt gegen Polizisten.

 

«Das sind geplante Attacken»

 

Die neusten Entwicklungen decken sich mit den Beobachtungen von Extremismusexperte Samuel Althof. «Es gibt bereits seit zwei bis drei Jahren ein zunehmend brutales und organisiertes Vorgehen. Linksextreme von Gruppen wie dem Revolutionären Aufbau Zürich oder der Berner 031-Gruppierung bewaffnen sich stärker, das kann vom Pflasterstein bis hin zum Revolver gehen.» Dies würden Kontakte in der linksextremen Szene berichten. «Die Linksextremen sind entschlossen, sehr weit zu gehen. Ob sie tatsächlich töten würden, ist ungewiss, doch sie nehmen klar sogar schwere Körperverletzungen in Kauf.»

 

Man sei auch organisiert. «Linksextreme bereiten diese Eskalationen sorgfältig vor, das sind geplante, gezielte Attacken.» Sie sähen sich selber als politische Kraft. «Mir erklärte einer selbstbewusst: ‹Weisch, mir sind e Macht.›» Linksextreme seien keine Chaoten, sondern hätten ein geplantes taktisches Vorgehen, um ihre «Revolution» voranzutreiben. Besetzte Häuser und Partys würden zu «revolutionären Räumen» erklärt, Sprayereien und Parolen seien nur der Anfang davon.

 

Am 1. Mai 2016 unterband ein Grossaufgebot der Polizei eine illegale Nachdemo in Zürich:

http://www.20min.ch/videotv/?vid=483857&cid=3

 

Streit um Überwachung

Politisch sind die Forderungen umstritten. «Grundsätzlich sollte man alles tun, um Sachbeschädigungen vorzubeugen, dazu gehört auch eine einfachere telefonische Überwachung», sagt Ex-Polizistin und SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler. Als Polizistin habe sie verschiedene Krawalle selbst miterlebt. Sie sieht das Problem auch in der Reitschule. «Gäbe es diesen Rückzugsort nicht, hätten es die Polizisten einfacher.» Juso-Chef Fabian Molina hingegen hält nichts von Nauses Forderung. «Der Ruf nach mehr Überwachung kommt nach solchen Krawallen immer. Was Nause fordert, wäre aber eine präventive Bespitzelung unbescholtener Bürger und somit ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit.»

Auch Althof versteht Nauses Forderung nach einfacherer Überwachung nicht: «Nause weiss, wie schwer es ist, eine Ausweitung der telefonischen Überwachung durchzusetzen. Bereits im Fichen-Skandal in den 90er-Jahren wurden viele unbescholtene Linke überwacht, das könnte sich wiederholen.» Zudem bestehe die Gefahr, in eine Spirale der Gewalt abzurutschen. «Baut man die Überwachung zu stark aus und verstärkt damit die Repression, so kann dies eine gefährliche Reaktion und Eskalation bewirken.» Es sei wichtig, den richtigen Mix von Dialog und Repression zu suchen. Beides solle der Prävention und der Ursachenbekämpfung dienen. «Straftaten müssen geahndet werden, denn diese sind die Leitplanken unserer Gesellschaft. Dialogfähig sind jene, die dies respektieren.»

Der NDB selbst will sich nicht zu Nauses Forderungen äussern. Er zählte im letzten Jahr 199 Ereignisse im Bereich des gewalttätigen Linksextremismus, das sei eine Zunahme von 9 Prozent. Im Bereich Rechtsextremismus waren es 28 Ereignisse, eine Steigerung von 47 Prozent.

(the)