Nach den Ausschreitungen in Bern fordert Sicherheitsdirektor Nause ein Eingreifen des Bundes. Die Juso der Stadt Bern sieht darin den Anfang für die «gewollte totale Überwachung seitens der Polizei».
Von Valerie Zaslawski, Bern
«Jetzt geht's los: Die interplanetar-kosmosolidarische Sauvage beginnt!», hiess es in einer SMS, die am Samstagabend in der Stadt Bern die Runde machte. An die tausend Personen, die meisten zwischen 15 und 30 Jahren, folgten der Einladung und nahmen an der illegalen Party auf dem Gelände der ehemaligen Kehrichtverwertungsanlage (KVA) Warmbächli teil.
Hohe Gewaltbereitschaft
Bevor es zu den nächtlichen Krawallen kam, welche die Berner Politik seit Sonntagmorgen beschäftigen, ging es auf dem Areal einigermassen friedlich zu und her. Ein Feuer habe gebrannt, Bier und Schnaps sei verkauft worden und verschiedene Rap-Crews seien aufgetreten, schildert ein Partygänger der «Berner Zeitung» das Geschehen. Die Polizei hingegen beschreibt die Szenerie in einer Medienmitteilung weniger harmonisch: Die Organisationen hätten sich Zutritt auf das Gelände verschafft, indem sie Tore aufgebrochen hatten. Die Eingänge zur KVA seien durch vermummte Personen kontrolliert worden, die mit Funkgeräten ausgerüstet gewesen seien. Die Polizei ortete eine erhöhte Gewaltbereitschaft, hielt sich zunächst aber im Hintergrund. Wie Polizeichef Manuel Willi in einem Interview mit dem «Bund» sagte, könne man eine unbewilligte Party mit so vielen Beteiligten nicht einfach so auflösen. Die Gefahr einer Massenpanik sei zu gross.
So bereitete die Polizei sich sorgfältig auf die Intervention vor; doch die Chaoten kamen ihr zuvor. Nach Mitternacht hiess es ein weiteres Mal: «Jetzt geht's los!», und ein Demonstrations-Umzug in Richtung Innenstadt formierte sich. Es entstand eine Euphorie, die an den «Tanz-dich-frei»-Kundgebung vor drei Jahren erinnerte. In einem für die Stadt beispiellosen Ausmass wurde gesprayt; Scheiben wurden eingeschlagen, Container abgefackelt und Feuerwerk gezündet. Der Sachschaden bewegt sich im sechsstelligen Bereich.
Laut der Polizei wurden «Einsatzkräfte, die sich dem Umzug näherten, angegriffen». Auch Feuerwehrleute seien mit Steinen beworfen worden. Die Polizei konnte den Umzug schliesslich noch vor der Innenstadt stoppen, indem sie Absperrungen errichtete sowie Wasserwerfer, Reizstoff und Gummischrot einsetzte. Mehrere Personen seien zur Kontrolle angehalten worden.
«Wer einen Weg aus der Polizeisperre fand, traf sich daraufhin auf dem Vorplatz der Reitschule», berichtet der Augenzeuge in der «Berner Zeitung» weiter (siehe Zusatz). Für Sicherheitsdirektor Reto Nause (cvp.) ist klar, dass zwischen dem «Saubannerzug» und der Reitschule eine Verbindung besteht: «Für die Veranstaltung wurde im Vorfeld auch in der Reitschule mobilisiert», sagt er der Nachrichtenagentur SDA.
Zu hohe juristische Hürden
Bei den Vorfällen handle es sich keineswegs um ein «Berner Phänomen». Die «gewaltextremistischen» Umtriebe hätten auch in Basel oder Zürich ein Ausmass angenommen, das die Staatsanwaltschaft und den Bundesnachrichtendienst alarmieren müsste, so Nause. Die juristischen Hürden für Telefonüberwachungen seien heute zu hoch.
Auch die Juso Stadt Bern schaltete sich in die Überwachungsdebatte ein: Sie sehe sich bestätigt, dass ein verschärftes Gesetz zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs (Büpf) nur der Anfang für die «gewollte totale Überwachung seitens der Polizei» sei. Gemäss Vorstandsmitglied Muriel Graf will Nause alle Fahndungsmöglichkeiten zulassen, die es gibt, um die Täter überführen zu können. Mit solchen Aussagen bewege sich der Sicherheitsdirektor im rechtsfreien Raum.
zas. ⋅ Die Stadt Bern hat am Montag das angepasste Sicherheitskonzept für die Reitschule veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass das alternative Kulturzentrum diesen Sommer eine Evakuationsübung durchführen wird. Dabei werden Vertreter des Regierungsstatthalteramts, der Gebäudeversicherung Bern, der Feuerwehr und der städtischen Gewerbepolizei anwesend sein. Dem Papier ist ausserdem zu entnehmen, dass das Dach der Reitschule gegen «unbefugtes Begehen» geschützt werden soll. Dies auf Kosten der Eigentümerin des Gebäudes: der Immobilien Stadt Bern. Der interne Sicherheitsverantwortliche muss die Vorrichtung periodisch überprüfen. Weiter geht es in der Zusatzvereinbarung um Kontrollen der städtischen Orts- und Gewerbepolizei in der Reitschule sowie um die Aus- und Weiterbildung der betriebseigenen Security-Leute. So soll der interne Sicherheitsverantwortliche dem Regierungsstatthalteramt jährlich oder auf Anfrage nachweisen, dass diese Security-Leute die notwendigen Aus- und Weiterbildungen absolviert hätten.