Die Kundgebungen gegen den Parteitag der AfD und der Protestmarsch durch die Stadt sind friedlich verlaufen. Getagt hatten im Bürgerzentrum rund 320 Anhänger der AfD, etwa 200 Menschen hatten dagegen protestiert. Dazwischen standen rund 100 Polizisten, die den Parteitag der Rechtspopulisten schützten. Weitere 100 Beamte waren für den Fall von Randale bereit – einschreiten mussten sie nicht.
Ein breites Bündnis von rund 20 Gruppen hatte im Vorfeld zum Protest gegen den Landesparteitag aufgerufen: darunter die Alternative Liste Waiblingen, Amnesty International, die antifaschistische Jugend im Kreis, lokale DGB-Gruppen, der Verein Fremde unter uns, die IG Metall Waiblingen, Die Linke sowie die Piratenpartei Rems-Murr.
Morgens um 9 Uhr ist die Schar der Demonstranten am Brunnen beim Bürgerzentrum indes noch ziemlich übersichtlich. Der Zugang zu den Sälen ist mit Gittern abgesperrt. Etwa 100 Polizisten haben sich postiert, vier von ihnen zu Pferde. Sogar auf dem Dach haben einige Beamte Plätze eingenommen. Weitere 100 stehen für den Fall von Ausschreitungen bereit. Nach dem Vandalismus aufs Bürgerzentrum in der Nacht zum Donnerstag ist die Polizei auf Ärger vorbereitet. Doch die Randale bleibt aus.
Einigen AfD-Anhängern scheint der Protest zu gefallen
Während die ersten Damen und Herren der AfD gut abgeschirmt zum Eingang schreiten, treffen auch auf der anderen Seite des Zauns immer mehr Menschen ein. „Dass man mal wieder auf die Straße gehen muss ...“, sagt Alfonso Fazio von der Alternativen Liste zur gerade noch amtierenden Sozialministerin Katrin Altpeter. „Ja, das hätte man nicht gedacht“, meint die. Die Stimmung ist verhalten. „Rassisten, verpisst euch, keiner vermisst euch“, beginnen ein paar eher jugendliche Demonstranten zu skandieren. Die in sicherem Abstand vor dem Bürgerzentrum rauchenden und parlierenden AfDler lässt das unbeeindruckt. Einige, wie der Stuttgarter Rechtsausleger Heinrich Fiechtner, scheinen die Aufmerksamkeit geradezu zu genießen.
Derweil steht Oberbürgermeister Andreas Hesky am Rande des Protestes. „Man erwartet von einem Oberbürgermeister, klare Haltung zu zeigen“, meint er. Nicht zwingend sei es aber, an einer Kundgebung teilzunehmen. Den Ärger von Haupt-Organisator Phillip Schneider hat er sich bereits eingehandelt, weil die Stadt den für die Kundgebung gewünschten Platz auf der Straßenseite des Bürgerzentrums nicht genehmigt hatte. Die Begründung: Der Straßenverkehr sollte möglichst wenig gestört werden. Kurzzeitig hatte das zu Rangeleien von Antifa-Leuten mit der Polizei geführt.
Ziemlich bunt gemischt ist die Anti-AfD-Front an diesem Morgen: Junge in schwarzen Sweatshirts sind ebenso vertreten wie Ältere in Anoraks und Mänteln. Zwar ist die bürgerliche Mitte in der Minderheit. Doch auch Waiblinger Ehepaare im besten Alter stehen unter den Demonstranten. Ein Großvater hat seinen Enkel mitgebracht, ein junges Pärchen einen Kinderwagen dabei. Großen Beifall bekommt Thomas Grau von Amnesty International: „Die AfD vertritt eine Politik, die die Menschenrechte mit Füßen tritt.“ Nicht die Wähler sollten verurteilt, doch die Menschen wachgerüttelt werden, damit sie begreifen, dass sich die AfD mit einem Schafspelz verkleide. Äußerungen, bei denen ihr wahres Gedankengut zum Vorschein komme, würden von der AfD sofort zurückgenommen. „Die AfD setzt die Achtung vor den Menschenrechten aufs Spiel“, warnte Grau. Dabei versuche sie, sich einen demokratischen Anstrich zu geben. „Ihr wahres Gesicht wird sie zeigen, wenn sie stärker wird. Das dürfen wir nicht zulassen.“
Zum Kampf um den Erhalt all dessen, was in den vergangenen Jahren errungen worden sei, rief Alfonso Fazio in einer gefühlsgeladenen Rede auf. 130 Nationen lebten in Waiblingen, seien hier zu Hause. Diese Heimat dürfe man sich von der AfD nicht wegnehmen lassen. „Wir lassen uns nicht fertigmachen“, rief er unter dem Beifall der Zuhörer. Die AfD-Mitglieder lud er ein, eine Woche lang in der Sporthalle bei der Betreuung der Flüchtlinge mitzuarbeiten. Bei den ehrenamtlichen Helfern bedankte er sich ausdrücklich: „Und das sind viele“, rief Fazio. „Viel mehr als heute da drin sitzen. Das ist für mich Hoffnung. Dass aus Waiblingen heute das Signal hinausgeht, das Waiblingen verdient.“
Hetze und Rassismus: Ein brandgefährliches Gemisch
Auf die Verwicklungen der AfD mit erzkonservativen fundamentalistischen Kirchenströmungen verwies Linken-Chef Reinhard Neudorfer. Und darauf, dass die meisten antisemitischen Anschläge und Äußerungen noch immer von Rechtsextremisten stammten. Die AfD vertrete nicht die kleinen Leute, sondern klerikale und auch aristokratische Interessen. „Wehret den Anfängen“, appellierte DKP-Sprecher Dieter Keller an alle Demokraten. Die AfD mit ihrer Fremdenfeindlichkeit und ihrem Rassismus könne niemals eine Alternative für Deutschland sein. Hetze, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit seien ein brandgefährliches Gemisch: „Setzen wir uns gemeinsam gegen diese Brandstifter zur Wehr.“ Die AfD mache die Flüchtlinge, die Opfer der Politik seien, zu Sündenböcken. Das Problem seien Wirtschafts- und Steuerflüchtlinge. Geld sei vorhanden, doch falsch verteilt: „Die AfD ist keine Alternative für die Zukunft, sondern ein Schritt zurück in die braune Vergangenheit.“
Im Anschluss an die Kundgebungen zog der Protestmarsch zum Alten Postplatz.