„Allgida“: ein Rohrkrepierer?

Erstveröffentlicht: 
01.04.2016

Im Februar mobilisierten Neonazis rund 150 Rechte zu einer unangemeldeten Kundgebung – „Allgida“ war geboren. Die großspurige Ankündigung „Wir kommen wieder!“ konnte die Gruppe trotz zweier Aufrufe nicht verwirklichen. Statt dessen sahen die Rechten sich antifaschistischem Widerstand und einer breiten Solidarisierungswelle mit Geflüchteten ausgesetzt. War’s das nun?

 

Am 20.2. mobilisierten Neonazis rund 150 Rechte zu einer unangemeldeten Kundgebung in die Allgäuer Provinz nach Obergünzburg. Während sich die Sicherheits- und Ordnungsbehörden trotz rechtzeitiger Kenntnis kaum zeigten, nahmen etwa 50 Gegendemonstranten den bereits einen Monat zuvor ergangenen Aufruf der Rechten ernst und stellten sich ihnen entgegen: „Rassismus aus den Köpfen – Nazis von der Straße jagen!“ stand auf einem ihrer Transparente. Auffällig oft wurde in den vorderen Reihen der Rassisten von zum Teil Vermummten der rechte Arm erhoben. Die Polizei, die weder die Versammlung auflösen noch Personalien aufnehmen konnte, ermittelt wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz – wohl auch, weil eine der Fahnenstangen waffentauglich angespitzt war. Vor Ort waren auch Mitglieder der Neonazikameradschaft „Voice of Anger“, Anhänger der NPD und der AfD. Skandierend verließen sie den Platz und drohten: „Wir kommen wieder!“

 

1500 gegen „Allgida“

 

Nur eine Woche später wurden die Neonazis um das zehnfache überboten: 1500 hielten „Hand in Hand für Menschlichkeit“ einen „Lichterzug“ in Obergünzburg ab. Der Bürgermeister der Marktgemeinde mit rund 6000 Einwohnern positionierte sich für „Freiheit, Gleichheit und Menschenwürde“. Ein Vertreter der Bürgerschaft stellte einen Bezug der „Allgida“-Versammlung zum historischen Nationalsozialismus her indem er unterstrich, er wolle sich „klar von Fackelzügen distanzieren, deren Bezug zur Nazizeit unverkennbar ist. Und wir distanzieren uns von den simplen Wahrheiten einiger Schreihälse.“

 

Auch der Kemptener Bezirksverband der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di „verurteilt“ anlässlich des „Allgida“-Aufmarsches „fremdenfeindliche Äußerungen und Bündnisse auf das Schärfste.“ In ihrer „Presseinformation“ vom 22.2. allerdings sieht ver.di-Geschäftsführer Werner Röll die Geflüchteten wohl vor allem auch unter ökonomischen Gesichtspunkten: „Rassismus schadet unserem Ruf im Allgäu als Fremdenverkehrsregion immens, schafft eine Gewaltatmosphäre, verursacht uns Steuerzahlern hohe Kosten und führt letztlich in eine intolerante Gesellschaftsform“. Leute, die Häuser anzünden müssten „hart bestraft“ werden. Statt „stumpfsinnige Parolen“ nachzuplappern sollte für Integration gesorgt werden. Komplex sei das Thema zwar, aber bei näherer Beschäftigung zeige sich ein „gigantisches Konjunkturprogramm“. „Zahlungen an geflüchtete Menschen fließen Großteils sofort wieder in den Wirtschaftskreislauf und es werden viele neue Arbeitsplätze in diesem Bereich geschaffen – das hilft allen Bürgern“. Eine klare Solidarisierung mit den Betroffenen rechter Hetze und Gewalt sieht anders aus.

 

„Allgida“ bleibt aus …

 

Erneut aufmarschieren wollten die Neonazis offenbar am 12.3. in Aitrach im Landkreis Ravensburg. So jedenfalls interpretierten Antifaschisten einen kryptischen Aufruf, den „Allgida“ auf Facebook verbreitete und dabei von 600 Teilnehmenden phantasierte.

 

Die Polizei folgte der Interpretation der Antifaschisten und zeigte diesmal Präsenz in Aitrach und Isny, einer Stadt in der Nähe. Da eine Formulierung auf Mindelheim hätte verweisen können, war auch hier Polizei im Einsatz. Nirgendwo ließen sich die Rassisten blicken. Gesichtet wurden lediglich vereinzelt Autos, die bekannten Rechten zuzuordnen waren und wenige Rechte, deren kurze Anwesenheit eher zufällig wirkte. Angesichts der etwa 60 Nazigegner am Kriegerdenkmal war deren Aufzug in Aitrach allerdings verunmöglicht. Satt dessen behaupteten die Neonazis einen stillen „Fackelmarsch“ durch Aitrang im Landkreis Ostallgäu. Falls dieser stattgefunden haben sollte – wofür nichts spricht – war dieser derart still, dass in Aitrang offenbar kein Mensch Notiz davon nahm.

 

… und scheitert in der Defensive

 

„Hand in Hand gegen Rassismus“ demonstrierten etwa 450 Personen am 19.3. durch die Kemptener Innenstadt, „weil jeder Mensch das Recht hat, egal wo er leben möchte leben darf“, wie es eine Teilnehmerin ausdrückte. Aufgerufen zu der Aktion hatte unter anderem Pro Asyl. Zwei Tage zuvor mobilisierten „Allgida“-Kreise gegen die Versammlung und riefen „zur Gegendemo auf!!! […] Wir würden uns über ein zahlreiches erscheinen von euch freuen […] Danke Kameraden“. Gesichtet wurde statt einer Gegendemo nur einer der Aufrufenden.

 

Das war dann auch schon – nach allen uns vorliegenden Informationen – der letzte Auftritt der „Allgäuer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Aus der Offensive wurden sie dank antifaschistischem Protest bei ihrem zweiten angekündigten Auftritt bereits zur Aufgabe gebracht, um schließlich beim dritten und letzten Versuch auch an der Gegenmobilisierung aus der Defensive zu scheitern. 

 

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