In den kommenden Wochen sollen mindestens 800 Leipziger mit Migrationshintergrund zu ihrer Lebenssituation, ihren Problemen, Wünschen und Hoffnungen befragt werden. Das soll unter anderem die Ausrichtung der Integrationsbemühungen verbessern.
Leipzig. LDie Stadtverwaltung plant eine Bürgerumfrage speziell für Menschen mit Migrationshintergrund. Damit soll eine Lücke geschlossen werden, die bei bisherigen Meinungsbildern vor allem aufgrund von sprachlichen Hürden entstanden ist. „Folglich fehlen bisher Daten zu ihrer soziodemografischen und sozioökonomischen Situation für städtische Planungen und zur Ausrichtung von Integrationsmaßnahmen“, heißt es dazu aus dem Neuen Rathaus.
Um die Barriere in der geplanten Migrantenumfrage zu verringern, sollen die Fragen an die ausgesuchten Personen persönlich von Interviewern gestellt werden. Etwa 2000 Leipziger werden stichprobenartig ermittelt und anschließend vom Oberbürgermeister mehrsprachig benachrichtigt. Abzüglich von üblichen Ausfällen strebt die Stadtverwaltung letztlich mindestens 800 tatsächliche Interviews an, um eine repräsentative Stichprobe zu erhalten.
Die gestellten Fragen sollen unter anderem die sozioökonomische Situation der Migranten, ihre allgemeine Lebenszufriedenheit und Alltagssituation erörtern, Kontakte mit Leipzigern ohne Migrationshintergrund, Sprachkompetenzen, Benachteiligungen und Wünsche an die Kommune und andere öffentliche Institutionen erörtern. Die Ergebnisse sollen so letztlich auch Rückschlüsse auf die Leistungen der Behörden erlauben und somit zu einer besseren Verwaltungs- und Ressourcensteuerung im Bereich Migration und Integration beitragen, so die Stadtverwaltung.
Die ersten Ergebnisse der Befragung sollen bereits im Juni 2016 öffentlich gemacht werden, den kompletten Bericht plant die Kommune für August/September ein. Die veranschlagten Kosten aus dem Stadthaushalt betragen knapp 16.000 Euro, hieß es. Ein Großteil davon wird durch die direkten Interviews in Anspruch genommen.
Etwa zwölf Prozent aller Menschen in Leipzig haben einen Migrationshintergrund. Die meisten kamen in den vergangenen Jahrzehnten aus Russland, aus Polen, aus der Ukraine und aus Vietnam. Zunehmend kommen aber auch Menschen aus arabischen Ländern nach Leipzig – vor allem mit den Flüchtlingsbewegungen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan.
Mitte März lebten laut aktuellen Zahlen aus dem Dezernat von Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) 5.459 Asylbewerber in der Messestadt. Dazu kommen 3.412 Migranten, die bereits eine eigene Arbeit gefunden haben und selbstständig sind. Die Erstaufnahmen des Freistaates waren mit gut 1.200 Geflüchteten nur noch zu zwölf Prozent ausgelastet – mehr als 8.000 Betten in den verbliebenen elf Unterkünften standen somit leer.
Ein Großteil (69 Prozent) der Asylbewerber in Leipzig lebt in den bestehenden 31 kommunalen Gemeinschaftsunterkünften im ganzen Stadtgebiet. Aktuell haben die Wohnheime eine Kapazität von 4.764 Betten. Zudem gibt es einzelne Plätze in Pensionen und anderen Wohnheimen, 865 Betten in Gewährleistungswohnungen und vereinzelt in Wohnungen mit eigenem Mietvertrag.
Nach einer ersten Prognose für die Flüchtlingszahlen 2016 für die gesamt Bundesrepublik plant Sachsen in diesem Jahr mit einer Aufnahme von 51.000 neuen Flüchtlingen. Angesichts der geltenden Quoten rechnet die Stadt Leipzig damit, dass bis zum Jahresende 2016 tatsächlich weitere 4.000 Asylbewerber aufgenommen werden. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr erhielten in Leipzig insgesamt 4.230 Menschen vor allem aus Syrien, Irak und Afghanistan eine neue Unterkunft.
Unter den Geflüchteten mit Asylantrag in Leipzig sind auch 1.055 schulpflichtige Kinder und Jugendliche im Alter zwischen sechs und 17 Jahren, teilte das Sozialamt mit. Diese erhalten nach Registrierung innerhalb von vier bis sechs Wochen einen Schulplatz. Insgesamt 1.649 Kinder und Jugendliche lernen aktuell in den „Deutsch als Zweitsprache“-Klassen (DaZ) in Leipzig – darunter auch Schüler, die beispielsweise aus EU-Ländern nach Leipzig gekommen sind. 682 Neu-Leipziger gehen dabei in die Grundschulen, 573 in Oberschulen und 394 an Berufsbildenden Schulen. Grundsätzlich gebe es an den Bildungseinrichtungen keine „reinen Flüchtlingsklassen“, so die Stadtverwaltung.
229 Kinder, die aktuell in den Notunterkünften am Deutschen Platz und in der Messehalle 17 leben, haben bisher noch keinen Schulplatz erhalten. Bei ihrer Registrierung sei eine ebenfalls notwendige Anmeldung bei der Sächsischen Bildungsagentur versäumt worden, so die Stadtverwaltung. Dies werde nun nachgeholt und die Kinder erhalten in den kommenden Wochen ebenfalls einen Schulplatz.
Von Matthias Puppe