Kollektives Schwarzfahren fürs Sozialticket
Am Samstag waren Demonstranten ohne Fahrschein in den Straßenbahnen unterwegs, um für billige Regiokarten für Bedürftige zu werben / Keine Kontrollen.
"Mobilität ist Menschenrecht", so lautete eine der Parolen, mit denen der "Runde Tisch zu den Auswirkungen der Hartz-Gesetze in Freiburg" und zahlreiche Sympathisanten am Samstag ihrem Anliegen Ausdruck verliehen. Zwei Stunden lang fuhren rund 40 Leute unter Leitung von Martin Klauss ohne Fahrschein Straßenbahn. "Schwarzfahren für ein Sozialticket" hieß die Aktion, mit der die Aktivisten für eine schnelle Einführung einer verbilligten Regiokarte für Bedürftigte demonstrierten. Kontrolliert wurde niemand.
"Mit dem Anliegen bin ich sehr einverstanden. Toll und mutig, dass sie auch eine Strafe riskieren", findet Waltraud Wiedenbach den Protest, von dem sie in der Linie 5 überrascht wurde. 14 Euro monatlich soll das Sozialticket nach Vorstellungen des Runden Tisches kosten, und für Hartz-IV-Empfänger sowie für alle unter der Armutsgrenze lebenden Bürger angeboten werden. Zum Vergleich: Die nicht übertragbare Regiokarte kostet monatlich 45 Euro. Die Differenz soll die Stadt bezahlen. Im Mai soll ein Gutachten vorliegen, auf dessen Basis der Gemeinderat über die Vorschläge beraten und entscheiden will. Doch das geht dem Runden Tisch nicht schnell genug: "Das Gutachten hätte bereits Ende 2009 vorliegen sollen."
Auch OB-Kandidat Ulrich von Kirchbach (SPD) ist für eine baldige Einführung des Sozialtickets."Das muss schleunigst entschieden werden", sagte der Sozialbürgermeister bei seinem Grußwort zu Beginn der Aktion, von der sich seine Partei vergangene Woche distanziert hatte. Anders als Günter Rausch, OB-Kandidat der Initiative "Wechsel im Rathaus" (Wir), ist Kirchbach dann aber nicht schwarzgefahren: "Es gibt auch andere Protestformen." Das findet auch Tramfahrgast Heinz Nägele: "Regeln müssen sein. Sonst zahlt am Ende keiner mehr." Um auf das Problem aufmerksam zu machen, findet er die Aktion aber okay.
Von den Gemeinderatsfraktionen unterstützen nur die Unabhängigen Listen (UL) und die Grüne Alternative Freiburg (GAF) die juristisch illegale Aktion. Die Stadträte Ulrike Schubert (UL) und Coinneach McCabe (GAF) sind am Samstag auch selbst mitgefahren. McCabe: "Zwar bekommen alle Gemeinderäte eine Regiokarte kostenlos, ich habe sie heute aber extra zu Hause gelassen."
Die Grünen vermuten, dass es sich bei der Demonstration um eine Wahlkampfaktion zur anstehenden OB-Wahl gehandelt habe, und Günter Rausch fand in seiner Ansprache auch deutliche Worte: "Lieber schwarzfahren als grünärgern." Trotz dieses Seitenhiebs auf Amtsinhaber Dieter Salomon (Grüne) weisen die Unabhängigen Listen den Wahlkampfvorwurf zurück. UL-Stadtrat Michael Moos: "Wir haben uns schon lange mit dem Thema auseinandergesetzt und sind immer wieder abgewiesen worden." Trotz einzelner kritischer Stimmen, die am Samstag zu hören waren, ist Martin Klauss vom Runden Tisch mit der Aktion zufrieden. Er findet es toll, dass zwei der drei eingeladenen OB-Kandidaten vor Ort waren und dass sich mehr Leute am Protest beteiligt haben als angenommen.
Von den Verkehrsbetrieben erwischt wurde bei der vorher öffentlich angekündigten Aktion keiner der schwarz gekleideten Schwarzfahrer. VAG-Sprecher Andreas Hildebrandt betonte aber: "Das war ein Aufruf zu einer Straftat."
Bildunterschrift: Bei der Demo für verbilligte Regiokarten für Bedürftige verteilte Martin Klauss, Leiter des „Runden Tisches zu den Auswirkungen der Hartz-Gesetze in Freiburg“, Flugblätter in der Straßenbahn. Fast komplett in Schwarz gekleidet war er an diesem Tag im doppelten Sinne Schwarzfahrer.