Eilenburgs OBM Scheler ist mit der Aufnahme von Flüchtlingen überfordert

Erstveröffentlicht: 
16.03.2016

Oberbürgermeister Ralf Scheler (parteilos) sieht sich selbst und Eilenburg angesichts des Zuzugs von Flüchtlingen überfordert. Er befürchtet, dass der soziale Frieden in der Stadt nicht mehr haltbar ist.

 

Eilenburg.  Im Sommer hat er die Wahl zum Eilenburger Oberbürgermeister haushoch gewonnen. Im August trat er das Amt als Oberhaupt der Großen Kreisstadt an. Reichlich sechs Monate später scheint Ralf Scheler (parteilos) am Ende seines Lateins, zumindest wenn es um die Flüchtlingsfrage geht.

 

„So geht es nicht weiter. Ich mache mir große Sorgen“, sagt er und: „Den Bürgermeistern droht in der aktuellen Situation die Kontrolle alsbald verloren zu gehen und keiner hat den Mut, es auszusprechen.“ Er arbeite zwar in der Arbeitsgemeinschaft Integration des Sächsischen Städte- und Gemeindetages mit. Doch auch dort habe er bisher kein Gehör gefunden. Seine Forderung: „Dass sich der Landkreis gegenüber Land und Bund so positioniert, dass die Gefahr des entstehenden sozialen Unfriedens nicht einfach so nebenbei behandelt werden kann. Für eine Kommune ist die Aufnahme von Flüchtlingen nur in gewissen Größenordnungen zu schultern, bei 1 bis 2 Prozent Bevölkerungsanteil. Dann kann ich mich der Sache ernsthaft widmen.“

 

Wenn alle Wohnungen, die der Landkreis angemietet hat, belegt werden, wird sich die Zahl der in Eilenburg lebenden Flüchtlinge stark erhöhen. Laut der Informationen des Landkreises halten die Wohnprojekte am Nordring und an der Windmühlenstraße, wo insgesamt 46 Wohnungen angemietet sind, Platz für 175 Menschen vor. „Außerdem wird derzeit die ehemalige Karl-Neumann-Schule in der Halleschen Straße als Unterkunft für unbegleitete Minderjährige ertüchtigt“, so Scheler. Er schätzt, dass dort noch weitere 50 Bewohner dazukommen könnten. „Bis jetzt ist die Situation noch haltbar. Doch es droht, die Kontrolle verloren zu gehen und das ist nicht zu dulden.“ Derzeit leben rund 250 Flüchtlinge in Eilenburg.

 

Besonders brisant sei die Lage in Eilenburg-Ost, wo bereits viele Flüchtlinge in Wohnungen der Eilenburger Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft untergebracht sind und wo nun Quartiere eines privaten Vermieters dazu kommen. „Das Problem wird brachial vom Bund auf Länder, Landkreise durchgedrückt. Ich sehe den sozialen Frieden in Gefahr, wenn, ohne die Leute mitzunehmen, die Verteilung durchgesetzt wird, und letztlich daraus sogar noch Geschäftsmodelle entstehen. 90 Prozent derer, die hier sind, werden schließlich im Hartz-IV-System landen. Integration kann so nicht gelingen.“

 

Rein menschlich könne er verstehen, warum sich die Neuankömmlinge in Eilenburg auf den Weg gemacht haben. „Doch wir leben alle mit einer Doppelmoral: Auf der einen Seite nehmen wir Flüchtlinge auf. Auf der anderen Seite liefern wir Waffen, werden die Mittel für Flüchtlingscamps gekürzt. Fluchtursachen müssen grundsätzlich beseitigt werden“, so seine Forderung. „Die Entscheidung, allen zu signalisieren, kommt her, war grundfalsch. Die verfehlte Bundespolitik hat zu dieser Situation geführt.“

 

Doch was kann, was will er hier und jetzt auf kommunaler Ebene zu tun? Scheler hebt die Hände: „Ich weiß es nicht mehr.“ Vor einigen Wochen jeweils sei er stolz auf den Preis gewesen, den Eileburg für Integrationsleistungen erhalten hat. „Im Café International war ich auch schon“, erklärt er auf die Frage, auf welche Art er selbst bisher Kontakt mit Flüchtlingen hatte. Vor allem aber habe er Anrufe von empörten Eilenburgern erhalten, die aus ihrer Wohnung ausziehen wollen, weil das Landratsamt in der Nachbarschaft in angemieteten Wohnungen Flüchtlinge unterbringen will oder bereits untergebracht hat. Ein Eigentümer wolle sein Mietshaus ganz und gar veräußern. Allerdings betont Scheler dann auch wieder, dass das Flüchtlingsproblem nur eines von vielen Themen sei, die ihn und die Eilenburger beschäftigen: „Wenn ich auf die Straße gehe – und ich komme jeweils nur fünf oder zehn Meter, ohne angesprochen zu werden – dann geht es in erster Linie um Themen wie den neuen Edeka-Markt. Bisher gibt es eine Akzeptanz dafür.“

 

Von Amtskollegen im Umfeld sieht er sich nicht in diesem Anliegen unterstützt. Noch dazu: Jesewitz hat bisher gerade mal eine achtköpfige Familie aufgenommen, in Doberschütz sieht es ähnlich aus. Dort gab es aber ebenfalls Proteste gegen die Ausweisung einer Fläche für ein Heim, so wie in Eilenburg gegen die vorgesehene Fläche auf dem ECW-Gelände. Jesewitz und Zschepplin können keinen geeigneten Wohnraum vorweisen. In Laußig allerdings wurden ebenfalls Wohnungen in den Altneubau-Blöcken mit Familien bezogen. In Taucha wird außer der dezentralen Wohnung eine Fläche für ein Heim ausgewiesen. Der Landkreis hat bisher zirka 50 Wohnprojekte verschiedener Art und Größe angeschoben.

Von Heike Liesaus