Die AfD nach den Landtagswahlen: Das rechte Potpourri

Erstveröffentlicht: 
14.03.2016

 BERLIN taz | Am Montag kostet Gottfried Backhaus seinen Erfolg aus. Seit Wochen sei er im Wahlkreis unterwegs gewesen, „immer nah am Wähler“. Es hat sich gelohnt: Nun ist der 57-Jährige mit dem grauen Rauschebart, bis Sonntag noch Orgelbauer im kleinen Mücheln in Sachsen-Anhalt, plötzlich Landtagsabgeordneter für die AfD.

 

Dabei stand Backhaus nicht mal auf der Landesliste der Rechtspopulisten. Dem vierfachen Vater aber half ein Coup: Er gewann aus dem Stand in seinem Wahlkreis ein Direktmandat, mit 9.670 Stimmen und 33,1 Prozent – gegen eine bekannte CDU-Frau, die seit 26 Jahren im Landtag sitzt. Keiner holte mehr Stimmen für die AfD im Land als er.

 

Backhaus ist kein Einzelfall. 15 Direktmandate ergatterte die AfD in Sachsen-Anhalt – die SPD bekam kein einziges, die Linke nur eines. Landesweit erreichten die Rechtspopulisten 24,2 Prozent. Dabei zählt die AfD im Land nur knapp 300 Mitglieder. 24 von ihnen sitzen nun im Landtag, fast alle ohne Politikerfahrung.

 

Und auch in Rheinland-Pfalz holte die Partei 12,6 Prozent und 14 Sitze. In Baden-Württemberg waren es gar 15,1 Prozent und 23 Mandate, zwei davon direkt: in Pforzheim und Mannheim.

 

Petry wirkte in Berlin angespannt

 

Entsprechend feierte sich die AfD-Spitze am Montag in Berlin. Erstmals war sie in den großen Saal der Bundespressekonferenz eingeladen. Die fünf AfD-Funktionäre genossen sichtlich das Interesse der Hauptstadtpresse. „Unsere Erwartung wurde noch übertroffen“, strahlte Jörg Meuthen, AfD-Bundeschef und künftiger Fraktionschef in Stuttgart. Die Wähler der Partei bildeten einen „Querschnitt der Bevölkerung ab“.

 

André Poggenburg, der national-konservative Parteichef aus Sachsen-Anhalt, sprach gar von einem „großen Tag für die Demokratie, ein großer Tag für Deutschland“.

 

Parteichefin Frauke Petry wirkte dagegen angespannt. Schnell hackte sie ihre Stichworte herunter: „Guter Tag für die Demokratie“, „massive Diffamierungsversuche“. Sie kündigte an, die AfD wolle „die Partei des sozialen Friedens“ werden. Wie das allerdings zum Entwurf ihres Parteiprogramms passt, mit dem die AfD etwa das Arbeitslosengeld I privatisieren will, sagte Petry nicht.

 

Uwe Junge, Spitzenkandidat in Rheinland-Pfalz, bekundete derweil, er strebe keine Fundamentalopposition an: „Wir sind immer dialogbereit.“ Etwas anders klang es bei Alexander Gauland, Vizechef der AfD: „Wir gehören in die Opposition, noch eine ganze Zeit.“

 

Regieren oder nicht regieren?

 

Vielleicht liegt hier der Grund für Petrys Angespanntheit. Bis zu den Wahlen hatte die Parteispitze, die um den Kurs der AfD ringt, einen Burgfrieden geschlossen, um durch Streit das gute Abschneiden bei den Landtagswahlen nicht zu gefährden. Petry hatte jüngst mehrfach ausgeführt, dass sie die AfD möglichst schnell in Regierungsverantwortung führen wolle. Das wiederholte sie am Montag nach Gaulands Einlassung nicht.

 

Der Streit dürfte bald offen aufbrechen – auch in den Landtagsfraktionen. Mit den vielen Abgeordneten findet sich dort nun eine enorme Bandbreite an Positionen. Wie weit rechts sich die AfD positionieren soll – die Gewählten sind sich darüber keineswegs einig. Streit ist also vorprogrammiert.

 

Und noch ein Risiko: eine Selbstdemontage. Schon im Wahlkampf fielen etliche AfD-Kandidaten mit kruden Forderungen auf – nun sitzen sie im Landtag. In Sachsen-Anhalt schrieb ein Neuabgeordneter über Tierquäler: „Erschießen wäre zu soft.“ Eine Kandidatin forderte, Hartz IV abzusenken und mehr deutsche Stücke in Theatern aufzuführen.

 

 

Im Stuttgarter Landtag sitzt für die AfD nun ein Onkologe, der den Koran mit Hitlers „Mein Kampf“ verglich und den grünen Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn einen „fiesen faschistoid-populistischen Scharfmacher“ nannte. Oder eine Zahnärztin, die Einwanderung als „schleichenden Genozid der deutschen Bevölkerung“ bezeichnete. Und Bernd Grimmer, der für die AfD das Direktmandat in Pforzheim holte und Grünen-Mitbegründer war, stand auf einem E-Mail-Verteiler des rechtsextremen „Freundeskreis ein Herz für Deutschland“.

Auch in Rheinland-Pfalz ziehen ein Abtreibungsgegner in den Landtag ein oder eine Ärztin, die vor Infektionsgefahr durch Flüchtlinge warnte.

 

In Sachsen-Anhalt dominiert das Völkisch-Nationalistische

 

Der Ton in den Landtagen dürfte daher mit dem Einzug der AfD rauer werden – und rechter. Vor allem in Sachsen-Anhalt dominieren Anhänger eines völkisch-nationalistischen Kurses die AfD-Fraktion. Anführer Poggenburg gehört zu den Initiatoren von deren Manifest, der „Erfurter Resolution“. Unterzeichner sind auch die sechs folgenden Listenkandidaten. Der Zweite, Daniel Roi, nennt CDU und SPD das „regierende Parteienkartell“, wirft ihnen „Laberei“ und „Lügen“ vor. Im Landtag stand er am Sonntag mit einem Schild: „Das ist unser Land.“ Das „unser“ war doppelt unterstrichen.

 

In seiner Heimat Bitterfeld führt Roi mit den Protest gegen eine Flüchtlingsunterkunft an. Er werde „alles unterstützen, was dazu führt, dass wir dort kein Asylheim hinbekommen“, kündigte er an. Auch Hans-Thomas Tillschneider, der Merkel mal eine „durchgeknallte FDJ-Sekretärin für Agitation“ nannte, gehört zu den Rechtsaußen der neuen Fraktion. Alle drei – Poggenburg, Roi, Tillschneider – bekamen Direktmandate. Dabei zog etwa Tillschneider kürzlich überhaupt erst nach Sachsen-Anhalt.

 

Auch der Müchelner Gottfried Backhaus, der sich gern bodenständig gibt, 1989 Gründungsmitglied des Neuen Forums war und gegen Schulschließungen kämpft, kann anders. Er habe „schon immer angeeckt“, sagt er. Im Internet rief er zum Protest gegen das „kaputte und deutschfeindliche Staatssystem“ auf. Den kann Backhaus nun im Landtag ausleben.