Bürger-Bündnis demonstriert in Altrip gegen rechte Kleinstparteien: Fackel-Wahlkampf ging daneben

Erstveröffentlicht: 
13.03.2016

Von Tom Guerrero – Altrip. Die Gemeinde Altrip am Rhein war am Freitag, 11. März, Schauplatz des Versuchs extrem rechter Kräfte, gegen eine weitere Asylunterkunft und noch gegen so manch anderes zu protestieren. Dieses Experiment zwei Tage vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz ging mehr als daneben. Ein bürgerliches Bündnis protestierte. ...

 

Während die Kundgebung der Rechten selbst ohne Zwischenfälle verlief, wurde nach Polizeiangaben eine halbe Stunde nach ihrem Ende ein 19-jähriger Nazigegner von zwei Personen auf der Straße angesprochen und niedergeschlagen. Das berichtet das Rhein-Neckar-Fernsehen.

Die Neonazipartei „Der dritte Weg“ hatte gemeinsam mit dem „DVU e.V.“ und „Aufbruch Deutschland“ zu einer Kundgebung in der historischen Gemeinde Altrip im Rhein-Pfalz-Kreis aufgerufen. Beworben wurde der Aufzug durch Postwurfsendungen, welche bei den Einwohnern gar nicht gut ankamen. In ihnen ging es im Kern um die Errichtung einer weiteren Asylunterkunft in Altrip für Flüchtende.

 

Merkwürdige Wählergemeinschaft

„Der Dritte Weg“ bewirbt sich für den rheinland-pfälzischen Landtag. Er versuchte, die Gelegenheit für den eigenen Wahlkampf zu nutzen, und holte sich dubiose Juniorpartner an Bord. Wer ist dieser „DVU e.V.“? Ein Mitglied der Wählergemeinschaft „Deutsche Volksunion  Rhein-Pfalz e.V.“, die im Februar 2014 im Vereinsregister beim Amtsgericht Ludwigshafen gegründet worden sein soll, ist Hans-Dieter Liederwald. Er sitzt im Gemeinderat von Altrip.

Die DVU (Deutsche Volksunion) erlosch nach der Fusion mit der NPD im Jahr 2011. Nun stellt sich die Frage, weshalb dieser „e.V.“ auf seiner Homepage mit dem alten Parteilogo der DVU wirbt und weshalb es ein Spendenkonto „Deutsche Volksunion“ gibt, da doch diese Partei gar nicht mehr existiert. Umstände, um die sich die Ermittlungsbehörden kümmern sollten.

„Aufbruch Deutschland“ aus Weinheim ist in Altrip nicht ganz unbekannt. Diese Initiative unterstützt nach Aussage einer Bündnissprecherin, den „DVU e.V.“. In welcher konkreten Form ist derzeit nicht bekannt. Die Internetpräsenz dieser Gruppierung deutet darauf hin, dass die Leute dahinter mehr als nur Verschwörungstheoretiker sind.

 

Schwach begonnen und rasch gescheitert

„Der dritte Weg“ bestimmte das Geschehen bei dem kurzen Fackel-Aufzug in Altrip. Keine 40 Minuten dauerte die Kundgebung, bis die 30 bis 40 versammelten Neonazis wieder auf den Heimweg verabschiedet wurden.

Reden hielten der vorbestrafte frühere NPD-Funktionär Mario Matthes („Der dritte Weg“), der sich rhetorisch als Hetzer und emotionaler Einpeitscher versuchte, außerdem ein DVU-Vertreter, dessen stockender Wortbeitrag eher Langweile verursachte.

Der DVU-Redner beklagte sich generell über die schlimme Lage Deutschlands. Besonders bedauerte er es, dass er am 13. März nicht mit seiner Frau zur Stimmgabe ins Wahllokal gehen könne, da die Gefahr bestehe, dass seine Gattin von illegalen Asylanten auf offener Straße vergewaltigt würde.

 

PassantInnen wollten keine rechten Flyer

Mario Matthes vom „Dritten Weg“ las seine Rede von einem Manuskript ab. Er legte den Fokus seiner kurzen Ansprache auf die „Asylflut“, die seiner Meinung nach illegalen Wirtschaftsflüchtlinge in Deutschland und die aus seiner Sicht verfehlte Merkel-Politik. Er warb darum, am 13. März in Rheinland-Pfalz „deutsch“ zu wählen. Der Parteivorsitzende Klaus Armstroff war nicht vor Ort.

Kurioserweise erhielten die Redner kaum bis keinen Beifall aus den eigenen Reihen, geschweige denn von den umstehenden Bürgern am Ludwigsplatz. Auch der Versuch, Flyer an Passanten zu verteilen, misslang mangels Interesses. Insgesamt herrschte unter Fahnen und bei Fackelschein eine eher beklemmende Stimmung, die an die NSDAP erinnerte.

 

Die Polizei, dein Freund und Helfer

Rund 40 bis 50 Polizeibeamte sicherten die Kundgebung und den friedlichen Gegenprotest rund um den Ludwigsplatz und in Altrip ab. Die Einsatzkräfte hielten die beiden Lager, die sich teilweise auf 20 bis 30 Meter annäherten, sehr besonnen, kooperativ und weitestgehend entspannt auseinander.

Es kam zu keinerlei erkennbarem Stress für die Beamten und die Mitarbeiter des örtlichen Ordnungsdienstes. Deutlich wurden Polizeibeamte, als Banner- und Plakatträger des „Dritten Wegs“ versuchten, den ihnen zugewiesenen Versammlungsplatz zu verlassen. Die Neonazis wurden wieder zurück geschickt.

 

Erfolgreicher, pazifistischer Gegenprotest

Das Bündnis für „Toleranz und Vielfalt in Altrip“ konnte über 200 Menschen mobilisieren, um sich dem Gegenprotest friedlich und lautstark anzuschließen. Unterstützung erhielt das Bündnis durch „Vielfalt statt Einfalt im Rhein-Pfalz-Kreis“, dem DGB, von Parteivertretern der Grünen, SPD und FWG. „Mannheim Gegen Rechts“ bewarb die Gegenkundgebung, „Mannheim sagt Ja!“ war vor Ort. Die katholische Kirche in Altrip lud zu einem Gottesdienst ein und ließ um 19 Uhr, als die Neonazi-Kundgebung starten sollte, die Kirchturmglocken läuten. Es gab noch viele weitere UnterstützerInnen.

Die Organisatoren des Protests sprachen sich in ihren Reden eindeutig und klar für eine Willkommenskultur aus. Rechtsradikalen Umtrieben erteilten sie eine Absage. Auch Jürgen Jakob (FWG), Bürgermeister von Altrip, ergriff das Mikrophon. An seine Adresse richtete sich der eindringliche Wunsch der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer, Räume für eine dringend benötigte Wäschekammer zur Verfügung zu stellen.

 

Gegendemonstrant wurde niedergeschlagen

Das Programm der Gegenkundgebung, die zwischen 18 Uhr und 20.30 Uhr im Wesentlichen auf dem Gelände des Sportvereins TUS Altrip stattfand, wurde mit dem musikalischen Beitrag eines Duos abgeschlossen, das Friedenslieder präsentierte.

Die Polizei zählte 46 Teilnehmer an der Kundgebung des „Dritten Wegs“ und etwa 250 GegendemonstrantInnen des Bündnisses für Toleranz und Vielfalt. Eine halbe Stunde nach Ende der Kundgebung sei gemeldet worden, dass in der Wilhelmstraße ein 19-jähriger Mann aus Baden-Württemberg von zwei Personen angesprochen und geschlagen worden sei. Das berichtet das Rhein-Neckar-Fernsehen. Der junge Mann habe zuvor an der bürgerlichen Gegenkundgebung teilgenommen. Die Polizei suche nun Zeugen.