Die NPD ist rassistisch und radikal. Doch wie gefährlich sind die Rechtsextremisten für den Staat? Eine Zwischenbilanz nach drei Tagen Verhandlung in Karlsruhe.
Er gilt in der NPD als Verräter, doch vielleicht hat der Ex-Vorsitzende Holger Apfel seiner Partei am Ende in Karlsruhe doch noch einen Dienst erwiesen.
Die Schlagkraft der rechtsextremistischen NPD sei in der Öffentlichkeit immer überschätzt worden. Sie veranstalte einen "Popanz, der nicht ernst zu nehmen ist", sagte der langjährige ehemalige Spitzenkader in Karlsruhe am dritten Tag der Verbotsverfahrens.
Ist das mit der NPD also mehr Schein als Sein, wie Apfel sagt? Natürlich hatte er lange Jahre Spitzenpositionen in der Partei inne, doch von der damaligen Kameradschaft ist heute nichts mehr zu spüren. Noch immer heißt es in der rechtsextremistischen Partei, Apfel habe junge Männer sexuell belästigt - ein Vorwurf, den Apfel bestreitet und der bis heute nicht aufgeklärt wurde.
Drei Tage lang verhandelte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts - drei Tage fragten die acht Richter streng bei Innenministern, Verfassungsschützern, Experten nach: Woran ist die Dominanz der NPD festzumachen? Einer Partei, die nur noch 5400 Mitglieder hat. Die gerade mal rund 360 von 230.000 lokale Mandaten in Deutschland auf sich vereint. Wie gefährlich ist diese Partei wirklich?
In dem Verfahren gilt es die Frage zu beantworten, wann im 21. Jahrhundert eine Partei verboten werden darf. Reicht allein geistige Brandstiftung als Grund? Sind manche der von einer solchen Partei verursachten Zumutungen, wie es Andreas Voßkuhle, Vorsitzender des Zweiten Senats, formulierte, nicht sogar "das Salz in der Suppe der Demokratie"? Er bezeichnete ein Parteiverbot als "zweischneidiges Schwert". Freiheit werde eingeschränkt, um Freiheit zu bewahren.
"Reine Überzeugungen genügen nicht, um eine Partei zu verbieten", sagt der Bundesrat, der das NPD-Verbot beantragt hat. Der Staat müsse aber nicht warten, bis eine Partei in die Gewalttätigkeit abgerutscht sei, betonte der Prozessvertreter Christoph Möllers, Professor an der Berliner Humboldt-Universität. Eine Partei könne auch mit legalen Mitteln anstreben ("darauf ausgehen", wie es im Grundgesetz heißt), die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen, ihre Worte auf Taten angelegt sein.
Ob das Gericht dieser Argumentation des Bundesrats folgt, ist schwer abzusehen. Mehrmals fragten die Richter skeptisch nach: Ob es nicht konkrete Hinweise auf einen belegbaren "Zusammenhang zwischen Programmatik und Gewalt" geben müsse? Was genau ein "Klima der Angst" bedeutete? Ob klar sei, wer da agiere? Nicht immer tritt die NPD unter ihrem Namen auf (lesen Sie die Reportage aus Neubrandenburg); ob bei Aktionen unterscheidbar sei, wann es sich um NPD-Mitglieder handelt oder um andere Rechtsextremisten?
Dahinter steckt das Bestreben des Zweiten Senats, einen sehr strikten Maßstab zu formulieren, der Parteiverbote nur in seltenen Ausnahmen möglich macht - und der für die kommenden Jahrzehnte Bestand haben soll, auch auf europäischer Ebene.
Die NPD hat angekündigt, im Falle einer Niederlage in Karlsruhe nach Straßburg vor dem Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen. Sie nennt ein Parteiverbot eine "Todesstrafe", das Instrument sei "Ausdruck eines Staatsnotstands". NPD-Jurist Richter pocht darauf, dass allein ein Parteiprogramm und darauf basierende Äußerungen, so verfassungsfeindlich sie auch sein mögen, kein Verbot rechtfertigten. Es müsse rechtswidriges und strafbares Verhalten hinzukommen. Dieses weist Richter für die NPD natürlich weit von sich, so wie er auch Belege des Bundesrats immer wieder als nicht "verwertbar" oder als "aus dem Zusammenhang gerissen" bezeichnete.
Voßkuhle und seine Richterkollegen gingen akribisch vor - und zeigten sich wie Richter Peter Huber dabei durchaus provokant: Wie denn die NPD bei dieser "relativ bescheidenden Größe" von Anklam bis München die ganze Republik aufmischen könne? Richter und Berichterstatter Peter Müller hielt den Innenministern zum Beispiel Verfassungsschutzberichte über die NPD vor (Nordrhein-Westfalen: "kaum Aktivitäten", Thüringen; "Weder willens noch in der Lage kontinuierlich zu arbeiten").
Diese strengen Nachfragen könnten erste Hinweise auf das Urteil geben, doch sie betrafen keineswegs nur die Bundesländer. Sehr genau hakten die Richter am ersten Verhandlungstag beim Vortrag des NPD-Anwalts Richter nach, als es darum ging, ob seine Partei noch überwacht werde. Richter erlitt hier eine Niederlage, obwohl er viel Getöse um mögliche V-Männer in ihren Reihen und Überwachung gemacht hatte. Der Bundesrat hatte sich gut auf die Störfeuer vorbereitet.
Am dritten Verhandlungstag traf es dann Vertreter der NPD. Das Gericht warf den Rechtsextremisten mit Blick auf ihren Begriff der Volksgemeinschaft wiederholt ein rassistisches Weltbild vor. Der Senat zitierte NPD-Schriften. Dort heißt es, "ein Afrikaner oder Asiate kann nie Deutscher werden", und "Angehörige anderer Rassen bleiben immer Fremdkörper".
Richter Müller hielt NPD-Chef Frank Franz vor, die Partei wolle alle "Nicht-Deutschen" des Landes verweisen, und sie bezeichne "Integration als Völkermord". Mehrmals fragten die Richter bei Franz nach, der sich wandte. Er wollte nicht von Rassentheorie sprechen, sondern lieber von "ethnischer Kontinuität". Die sprachliche und kulturelle Eigenart des deutschen Volkes gehe verloren, wenn zu viele Fremde nach Deutschland kämen. Richter Peter Huber sprach dann auch von einer "deutlichen Diskrepanz" zwischen den Schriftstücken der NPD und Franz' Aussagen.
Doch ob das am Ende für ein Verbot reicht? Auf die Gutachten zur Wesensverwandtschaft der NPD zur NSDAP gingen die Richter kaum ein, obwohl dies einer der Kernargumente des Bundesrats ist. Und so war es Ex-NPD-Mann Apfel, der feststellte: "Teile der Partei befinden sich immer noch in der Gedankenwelt des Dritten Reiches".
Die NPD hat jetzt noch einmal sechs Wochen Zeit, weiteres Material zu liefern. Wenn es von Gewicht ist, wird noch mal verhandelt. Wenn nicht, sprechen die Richter in den kommenden Monaten ihr Urteil. Es wird historisch - so oder so.
Zusammengefasst: Lässt sich nach drei Verhandlungstagen im NPD-Verbotsverfahren absehen, wie das Verfassungsgericht entscheiden wird? Zuerst scheiterte die Strategie der NPD-Verteidiger im Punkt Überwachung durch V-Leute kläglich. Auch warf das Gericht der Partei wiederholt ein rassistisches Weltbild vor. Ob jedoch eine Bedrohung des Staates durch die NPD vorliegt, was für ein Verbot erforderlich wäre, ist fraglich.