NPD-Verbotsverfahren: Rechte Störfeuer

Erstveröffentlicht: 
01.03.2016

Die NPD kämpft in Karlsruhe um ihr Überleben. Dabei setzen die Rechtsextremisten vor allem auf Verzögerung. Die zuvor angekündigten "Knaller"? Fehlanzeige.

 

Um Leben oder Tod gehe es, sagt NPD-Funktionär Udo Voigt, als er das Verfassungsgericht in Karlsruhe betritt. Das sehen anscheinend nicht alle seiner Kameraden so.

 

Die rechtsextremistische Partei zeigte sich im Saal bei der für sie so wichtigen Verhandlung im Verbotsverfahren nicht gerade geschlossen: Der Platz von NPD-Fraktionschef Udo Pastörs blieb am Dienstag leer. Pastörs sei persönlich verhindert, habe Termine, hieß es schmallippig auf Anfrage. Der NPD-Vize kam später, Chefideologe Jürgen Gansel erst abends.

Peter Richter, NPD-Anwalt und zugleich Vizechef der rechtsextremen Partei im Saarland, gab die Marschrichtung vor: "Wenn man uns diese Plattform hier hinstellt, dann nutzen wir sie auch", sagte er und schritt Richtung Saal.

 

Der Einzug der NPD war dann weniger glamourös: Die Rechtsextremisten mussten sich zwischen Tischreihen durchschieben, vorbei am sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich, zurzeit Bundesratspräsident, vorbei an den Prozessvertretern des Bundesrats.

 

Das Verfassungsgericht als Bühne für die NPD, so versteht Richter das Verfahren. Und sich selbst sieht er als denjenigen, der sie gegen die "Todesstrafe" Parteiverbot verteidigt. Er gegen den Bundesrat, der die rechtsextremistische Partei verbieten lassen will. Die Taktik des 30-Jährigen ist dabei ganz einfach - er stellte am Tag eins der Verhandlung Antrag um Antrag, spielte so auf Zeit:

 

1. Versuch, die Richter zu diskreditieren


Noch vor Beginn der offiziellen Verhandlung holte Richter zu einem breit angelegten Störfeuer gegen die Richterbank aus. Der Richter und Berichterstatter Peter Müller sei befangen, sagte er. Müller hatte als saarländischer Ministerpräsident gesagt, dass das Gedankengut der NPD "ekelerregend" sei. Auch Richter Peter Huber sei befangen, setzte der Jurist Richter nach. Huber hatte als früherer thüringischer Innenminister angeregt, der NPD per Gesetzesänderung die Staatsfinanzierung zu streichen. Der Rechtsextremist rügte auch die Richter des Zweiten Senats ab, die nicht direkt vom Plenum des Bundestags, sondern indirekt vom Richterwahlausschuss gewählt wurden.

 

Fast eine Stunde dauerten die Ausführungen, am Ende beantragte der NPD-Mann eine sofortige Entscheidung, doch die bekam er nicht. Die Verfassungsrichter lehnten später seine Anträge ab - und zwar alle.

 

2. Zweifel gegen die Behörden streuen


"Den einen oder anderen Knaller" hatte Richter angekündigt, am lautesten knallte aber die Mikrofonanlage, weil es mehrfach zu Tonstörungen kam.

 

Langatmig führte NPD-Anwalt Richter aus, dass die vorgelegten Belege des Bundesrats, die sogenannten Testate der Innenminister, dass V-Leute in den Führungsebene der NPD abgeschaltet seien, nicht vollständig ausreichen würden. Die seien nach dem Aufdecken der Staatsspitzel 2003, als das erste Verbotsverfahren deswegen platzte, nicht glaubwürdig. Wer einmal lüge, dem glaube man nicht mehr - so lautet kurz zusammengefasst Richters Argumentation. Und solange nicht klar sei, ob er überwacht werde, könne er mit NPD-Vertretern keine Verteidigungsstrategie für den Prozess erarbeiten.

 

Doch das verfing bei den Richtern nicht, zumal die Behörden ausführlich dargelegt haben, wie die V-Leute etwa abgeschaltet wurden und welche zufälligen Kontakte es danach gegeben hat. Berichterstatter Müller fragte den Rechtsextremen Richter: "Sie sagen einfach, Sie glauben nicht, dass es keine V-Leute mehr gibt. Finden Sie nicht, dass das etwas dünn ist?"

 

3. Nebelkerzen werfen


Irgendwann holte der NPD-Mann dann ein Schreiben der Polizei Wuppertal aus einer orangefarbenen Aktenmappe hervor. Danach waren zwei Frauen aus dem NPD-Landesverband Nordrhein-Westfalen 2015 einen Monat lang überwacht worden. Wie sich herausstellte, hatte dies nichts mit dem Verbotsverfahren zu tun. Zum einen musste Richter zugeben, dass er mit den Frauen gar nicht über den Prozess gegen die NPD gesprochen hatte. Zum anderen hatten die Frauen nach Angaben der Polizei einen "gefährlichen und gewaltbereiten Gewalttäter von rechts" am Tag seiner Haftentlassung abgeholt. Die Behörden hatten den Wohnort des Mannes ermitteln wollen.

 

4. Behauptungen aufstellen


Mehrfach bezog sich NPD-Mann Richter darauf, dass das Verfassungsgericht 2003 "rechtskräftig" geurteilt habe, eingeschleuste V-Leute müssten auch wieder zurückgezogen werden. Dazu hätte sich der Bundesrat aber in seinen Schriftsätzen gar nicht geäußert, betonte der Rechtsextremist. Doch dieser Beschluss stützte sich damals nur auf die Meinung von drei Verfassungsrichtern, die damit 2003 eine Fortsetzung des Verfahrens gegen die NPD blockierten. Vor allem Richter Herbert Landau betonte am Dienstag ausdrücklich, dass dieser Beschluss im laufenden Verfahren keineswegs bindend sein müsse.

 

5. Beharren auf Anträgen


NPD-Jurist Richter zeigte sich so sehr von sich überzeugt, dass er mehrmals nicht merkte, wenn die Verfassungsrichter ihm nicht mehr folgten. Zum Beispiel forderte er wieder drei Monate Zeit, um nach Klärung der V-Mann-Frage inhaltlich auf den Verbotsantrag des Bundesrats eingehen zu können. Wieder ging das Gericht darauf nicht ein. Richter Landau ließ zudem deutliche Zweifel erkennen, der Rechtsextremist aber erläuterte seinen Antrag einfach noch einmal.

 

Und die Verfassungsrichter? Die blieben trotz all dieser Störfeuer ruhig. Sie zogen am Dienstag Punkt um Punkt der Gliederung durch. Ausführlich befragten sie Verfassungsschützer und Polizisten zu der Arbeit von V-Leuten und Überwachung der NPD - sehr zum Leidwesen der Rechtsextremisten, die sich stundenlang die Ausführungen der Behördenvertreter anhören mussten.