Fast fünf Jahre nach den erfolgreichen Blockaden tausender Menschen im Süden von Dresden, mussten sich am Donnerstag vier Nazis aus dem Rheinland für den Überfall auf ein alternatives Wohnprojekt in Dresden-Löbtau vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf den Männern Landfriedensbruch sowie versuchte gefährliche Körperverletzung vor. Anders als noch im Prozess gegen den Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König, wurde im Prozessverlauf deutlich, wie wenig Eifer die hiesigen Ermittlungsbehörden bei der Verfolgung und Verurteilung der Angreifer vom 19. Februar an den Tag legten.
Nachdem der von der Staatsanwaltschaft als einziger Zeuge geladene Ermittler nicht in der Lage war, den Angeklagten eine Tatbeteiligung nachzuweisen und auch etliche Fragen des Richters unbeantwortet ließ, blieb dem Gericht nichts anderes übrig, als die zwischen 29 und 45 Jahre alten Angeklagten nach nur zwei Stunden freizusprechen.
Am 19. Februar hatten etwa 200 Nazis unter den Augen der Polizei mit Flaschen, Steinen und Stöcken das Wohnprojekt „Praxis“ angegriffen. Obwohl an dem Tag insgesamt 4.500 Beamtinnen und Beamte in der Stadt waren, um mehrere von Nazis angemeldete Aufmärsche in Erinnerung an die Bombardierung der Stadt im Februar 1945 durchzusetzen, zeigte sich die Polizei damals außerstande, die zufällig von einem Studenten gefilmte Attacke zu verhindern. Der Überfall kam jedoch nicht aus heiterem Himmel. Bereits wenige Monate zuvor hatten nach einer Reihe von Angriffen Nazis versucht, das bewohnte Gebäude anzuzünden. Die Täter konnten bis heute nicht gefasst werden.
Obwohl am Abend des 19. Februars die Insassen zweier Nazibusse auf der A17 von der Polizei kontrolliert und die Beschuldigten später anhand ihrer Kleidung überführt worden sein sollen, konnte der LKA-Beamte während des Prozesses die Männer auf dem vorliegenden Bildmaterial nicht zweifelsfrei identifizieren. Einer der Angeklagten behauptete sogar bis zuletzt, im Vorfeld nichts von dem Projekt in der Columbusstraße gewusst zu haben. Vielmehr sei die Gruppe am besagten Tag mit ihren Bussen in Freital-Potschappel angekommen und hätte sich danach zu Fuß auf den acht Kilometer langen Weg zum Startpunkt ihrer Demonstration am Dresdner Hauptbahnhof gemacht. Etwa ein Jahr nach der Tat war es zu Hausdurchsuchungen bei Unterstützern des an dem Überfall beteiligten „Aktionsbüro Mittelrhein“ gekommen, offenbar ohne Erfolg.
Das am Donnerstag ergangene Urteil reiht sich ein in eine lange Liste von unaufgeklärten rechten Straftaten in der sächsischen Landeshauptstadt. Während im Unterschied dazu wenige Wochen nach dem Überfall die Staatsanwaltschaft nicht nur gegen hunderte vermeintliche Blockiererinnen und Blockierer strafrechtlich vorging, sondern mit Hausdurchsuchungen zu einem Rundumschlag gegen die linke Szene insgesamt ausholte, zeigen die im Anschluss geführten langwierigen und teilweise noch immer nicht abgeschlossenen Prozesse gegen Lothar König und Tim aus Berlin, dass sich die staatliche Repression vor allem gegen die Menschen richtete, die sich an den Gegenprotesten beteiligt hatten.
Trotz der anhaltenden Repression ist der einstmals größten Naziaufmarsch in Europa inzwischen Geschichte. Von den einstigen Mobilisierungserfolgen ist die Naziszene zumindest im Februar inzwischen weit entfernt. In diesem Jahr fand der als Demonstration angemeldete Trauermarsch fernab des Stadtzentrums mit nur mäßiger Beteiligung statt.
Bilder der Angreifer: Nazi-Überfall auf Wohnprojekt „Praxis“ in Dresden