Deutschlandfunk: Nationalhymne und Einsatzkritik?

Es gibt Neuigkeiten in Sachen kritischer Berichterstattung zur Sicherheitskonferenz, diesmal von Klaus Remme im Deutschlandfunk. In einem knapp 20-minütigen Beitrag (Text und Audio) schlägt Remme die Brücke zwischen einem fast unabhängigen Lagebreicht im Vorfeld der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz und einer äußerst vielseitigen Analyse der deutschen Außenpolitik.

 

"To sit and wait is not an option. If we have means, if we have capabilities, we have the obligation and we have the responsibility to engage." (Ursula von der Leyen)

 

"Hat Deutschland die neuen Gefahren und die Veränderung im Gefüge der internationalen Ordnung schon angemessen wahrgenommen, reagiert es seinem Gewicht entsprechend?" (Joachim Gauck)

 

"Deutschland ist eigentlich zu groß, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren." (Frank Walter Steinmeier)

 

Vielseitig? Ohje, doch nicht? Da fehlen doch noch wichtige Stimmen für eine differenzierte Betrachtung deutscher Großmachtbestrebungen...

Aber keine Angst, auch den Underdogs gibt Remme ein prominentes Plätzchen in seinem Beitrag. Wolfgang Ischinger zu Lybien:

 

„Wir müssen heute sagen, wir sind selbst schuld. Wir sind mit Schuld geworden am Tod von Hunderttausenden von Menschen, weil wir das Land sich selbst überlassen haben, wir haben weggeschaut, nicht hingeschaut. Und wenn wir jetzt jammern, das Russland militärisch eingegriffen hat, dann müssen wir noch einmal sagen: Hätten wir uns engagiert im Jahr 2011, da hat in Moskau noch kein einziger Mensch an die Entsendung von Kampfflugzeugen nach Syrien gedacht. Also, die Lehre aus dem dramatischen Debakel der Syrien Krise der letzten vier Jahre lautet doch, das darf sich im Fall Libyen jetzt bitte nicht wiederholen.”

 

Puh. Gerade noch die Kurve gekriegt. Messerscharfe Analysen, pointierte Schlussfolgerungen, toller Beitrag. Und was meint Remme selbst?

 

„[Man kann] die Reden von Gauck, Steinmeier und von der Leyen 2014 auch als Kurskorrektur nach dem deutschen Libyen-Votum 2011 interpretieren. Sicher ist: Eine Stabilisierung Libyens wäre ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen Fluchtursachen.”

 

Stimmt, ein echter Reporter lässt sich nicht von Populärmeinungen beeinflussen – Lybien ist nicht etwa eine Zwischenetappe in der Migrationsroute vieler Fliehender sondern ein Land in dem Fluchtursachen bekämpft werden müssen. Unabhängig, unemotional, ein journalistisches Kunstwerk. Nach so einer Meisterleistung darf sich auch der Autor ein kleines persönliches Fazit erlauben – vollkommen begeistert wiederholt Remme nach Gauck und Steinmeier immer wieder das neue deutsche Mantra zur Kriegspolitik: „früher, entschiedener und substantieller einbringen.”

 

Nationalhymne, Fade-Out.