Auschwitz-Witze bei "JuliensBlog": 15.000 Euro Strafe und Haft auf Bewährung für YouTuber

Erstveröffentlicht: 
12.02.2016

Videoblogger Julien fand es offenbar lustig, angesichts des Lokführerstreiks "Vergasen" und "Züge nach Auschwitz" vorzuschlagen. Ein Gericht hat den YouTuber nun zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

 

Von Jörg Breithut

 

Das Amtsgericht Tecklenburg in der Nähe von Osnabrück hat den Videoblogger Julien zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, die zu drei Jahren auf Bewährung ausgesetzt wird. Außerdem muss er eine Geldstrafe von 15.000 Euro bezahlen, was laut dem Gericht zwei Monatsgehältern des Bloggers entspricht.

 

Julien betreibt den YouTube-Kanal "JuliensBlog", der mit 1,3 Millionen Abonnenten zu den populärsten deutschen Kanälen zählt. Julien ist für derbe Sprüche, Kraftausdrücke und Provokationen bekannt, einzelne seiner Clips werden bis zu 1,5 Millionen Mal angeklickt.

 

Die Staatsanwaltschaft hatte den Strafbefehl aufgrund eines im Mai 2015 hochgeladenen Videoclips beantragt, in dem es um das Thema Bahnstreik ging (mehr dazu hier). Der Strafrichter hat diesen Strafbefehl unterschrieben.

 

Julien hatte in dem Clip, der auch von vielen Medien und Internetnutzern kritisiert wurde, Bilder von Zügen mit Menschen und einer leeren Gaskammer gezeigt und dies kommentiert: "Vergasen sollte man diese Mistviecher. Wisst ihr noch, wie die Juden in Zügen nach Auschwitz transportiert wurden? Man sollte die Zugführer alle dahinbringen. Ich fahr auch den Zug, und zwar umsonst - und werde nicht einmal streiken."

 

Im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE sagt Karin Gabriel, die Direktorin des Amtsgerichts Tecklenburg: "Es handelt sich hier um Volksverhetzung und einen Verstoß gegen Paragraph 130, Absatz 3 im Strafgesetzbuch." Darin heißt es, dass mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, "wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost".

 

Anwalt hält Volksverhetzungs-Paragraph für nicht mehr zeitgemäß

 

Das Strafmaß fällt geringer aus, als von der Staatsanwaltschaft ursprünglich gefordert. Denn zunächst lautete die Anklage, dass der YouTuber gegen Paragraph 130, Absatz 1 verstoßen habe. Gegen einen Strafbefehl über eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten mit einer zwei jährigen Bewährungsfrist und 14.000 Euro Geldstrafe hatte Julien Einspruch eingelegt. Im Absatz 1 des Paragraphen wird eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren festgelegt für alle, die unter anderem den öffentlichen Frieden stören und zu Hass aufstacheln sowie zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordern.

 

Laut einem Bericht der "Westfälischen Nachrichten" hat der Anwalt des YouTubers vor Gericht den Paragraphen 130 infrage gestellt und argumentiert, dass der Tatbestand des Volksverhetzungsabsatzes nicht mehr zeitgemäß und in einer Zeit entstanden sei, als die NS-Zeit den Menschen "noch in Erinnerung war".

 

Vor dem Landgericht Detmold wird gerade der Fall eines ehemaligen SS-Wachmanns im Konzentrationslager Auschwitz verhandelt. Ihm wird Beihilfe zum Mord in 170.000 Fällen vorgeworfen.

 

Julien sagte der Zeitung zufolge, er habe es witzig gemeint und nicht gewusst, dass man das nicht dürfe in Deutschland. Die Verteidigung verwies darauf, dass auch andere Künstler ihre Witze über die NS-Zeit machen würden - die Kunst von Julien entspreche mit der rauen Sprache dem Zeitgeist.

 

In seinem Videoblog hat Julien ein breites Themenportofolio: Er zieht zum Beispiel über Ereignisse wie den Lokführerstreik her, lästert aber auch über Titelseiten von Szenemagazinen und ruft seine Fans auf, ihm selbst gedrehte Videos zu senden. In der Rubrik "Spucks aus" bezeichnet er sie dann etwa als "Tuntensohn" oder "Schamlippen".

 

Mit Blick auf das Urteil des Amtsgerichts hat der YouTuber nun die Möglichkeit, Berufung gegen das Urteil einzulegen oder in Revision zu gehen. Das Management und der Anwalt des Bloggers haben auf eine Anfrage von SPIEGEL ONLINE nicht reagiert.