Wegen Problemen in der Schule habe sich die 13-Jährige nicht nach Hause getraut. Am Nachmittag telefonierte Außenminister Steinmeier mit seinem russischen Amtskollegen Lawrow zu dem Fall.
Im Fall der angeblich vergewaltigten Lisa F. aus Berlin-Marzahn werden neue Details bekannt. Wie die Berliner Staatsanwaltschaft mitteilte, hat die 13-Jährige die fragliche Nacht bei einem Bekannten verbracht. Das hätten rekonstruierte Daten aus dem zerstörten Handy des Mädchens ergeben.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte, wegen Problemen in der Schule habe sie sich nicht nach Hause zu ihren Eltern getraut. "Sie wollte weg und hat bei ihm Unterschlupf gesucht."
Bei dem 19-jährigen Bekannten des Mädchens seien Sachen von ihr gefunden worden. Der Mann habe auch zugegeben, dass sie in der Nacht vom 11. auf den 12. Januar bei ihm war. Es gebe aber keine Hinweise auf eine Sexualstraftat. Gegen den Mann werde daher auch nicht ermittelt, er sei nur ein Zeuge, sagte der Sprecher.
Mit Blick auf die jüngsten Ermittlungsergebnisse sagte Berlins Innensenator Frank Henkel: "Die neuen Entwicklungen entlarven deutlich die Propaganda, die in den letzten Tagen mit diesem Fall verbunden war."
Der Kreml schaltete sich ein
Am 11. Januar war die 13-Jährige verschwunden. Als sie tags darauf wieder auftauchte, gab das Mädchen aus einer russlanddeutschen Familie an, "Südländer" hätten sie entführt und 30 Stunden lang vergewaltigt. Die Berliner Polizei dementierte das, doch das Gerücht verselbständigte sich in russischen Medien.
Russlands Außenminister Lawrow war den deutschen Behörden vor, den Fall lange verheimlicht zu haben. Die deutsche Regierung wies die Einmischung zurück. Doch für die russische Regierung ist der Fall offenbar noch immer nicht erledigt. Sie spricht weiterhin von Versuchen, "alles zu verschleiern". Außenministerm Sergej Lawrow telefonierte nach Informationen des Auswärtigen Amtes am Nachmittag mit seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier. Über Ergebnisse des Gesprächs macht das Auswärtige Amt keine Angaben.
Am vergangenen Wochenende war es wegen des Falls in mehreren deutschen Städten zu Protesten gekommen. Neben Russlanddeutschen und Russischstämmigen waren Rechtsextreme und Pegidisten unter den Demonstranten. Im baden-württembergischen Ellwangen zog ein Tross von mindestens 500 Menschen vor eine Flüchtlingsunterkunft und skandierte Parolen.Verbände, wie etwa die "Landsmannschaft der Deutschen aus Russland" und der "Jugend- und Studentenring der Deutschen aus Russland" distanzierten sich von den Vorfällen.
Polizeisprecher: "Nicht geglaubt, dass der Druck aus dem Ausland so groß werden würde"
Bei der Berliner Polizei sei man "erleichtert, dass die Staatsanwaltschaft das Ergebnis jetzt bekannt geben konnte", sagt Pressesprecher Stefan Redlich. Er habe nicht geglaubt, "dass die Kritik und der Druck aus dem Ausland so groß werden würden". Er hoffe nun, dass die meisten Menschen diese Erklärung auch glauben werden; sie sei mit Fakten und Beweisen "komplett untermauert".
Die Polizei war wegen ihrer Öffentlichkeitsarbeit in den vergangenen Wochen in die Kritik geraten; ihr wurde unter anderem "Salami-Taktik" vorgeworfen. "In dem Fall konnten wir praktisch alles, was wir wussten, nicht kommunizieren, weil es die Persönlichkeitsrechte des Kindes massiv verletzt hätte", sagt Redlich. "Wir konnten nur sagen, was es nicht ist: keine Vergewaltigung, keine Entführung." Das habe "unheimlich viel Raum für Interpretation" eröffnet.