Braune Hetze aus dem Schwarzwald: So arbeitete die Internetseite Altermedia Deutschland

Erstveröffentlicht: 
27.01.2016

Die Internetseite Altermedia ist ein wichtiges Instrument von Neonazis. Nun wurden Verantwortliche verhaftet und die Seite verboten. Einer der Festgenommenen ist Ralph K. aus St. Georgen.

 

Die rötlich-blonden Haare kurz geschoren, die Figur kräftig, in seinem Heimatort St. Georgen im Schwarzwald lebt er unauffällig, doch der rechten Szene in der Region ist er bekannt: Seit Jahren engagiert sich Ralph Thomas K. für die NPD und die Freien Kräfte Schwarzwald-Baar-Heuberg – nun ging er der Polizei wohl ins Netz.

Ralph Thomas K. (27) ist gemeinsam mit anderen Rechten aus dem Bundesgebiet dringend verdächtig, als Betreiber des Internetportals Altermedia Deutschland strafbare Inhalte, wie etwa volksverhetzende Äußerungen, zu verbreiten.

Die Bundesanwaltschaft hat Haftbefehl erlassen. Wegen der besonderen Bedeutung des Falles hat die Karlsruher Behörde die Ermittlungen übernommen. Die Begründung: „Die strafbaren Inhalte des Internetportals werden weltweit und frei zugänglich verbreitet. Sie sollen andere Rechtsextremisten zu weiteren Straftaten ermuntern und schaffen dadurch ein Klima der Angst bei den betroffenen Personengruppen. Vor diesem Hintergrund war auch mit Blick auf das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland eine Übernahme in die Strafverfolgung des Bundes geboten.“

 

In die Ermittlungen gegen Ralph K. eingeflossen sind auch Erkenntnisse des Verfassungsschutzes. Der schätzt die Internetplattform Altermedia Deutschland als maßgebliches Instrument der Neonazis im deutschsprachigen Raum ein. „Altermedia Deutschland ist eine der wichtigsten Internetplattformen der rechtsextremistischen Szene, auf der in massiver Form rechtsextremistische Propaganda in Form von antisemitischen, ausländerfeindlichen, rassistischen, islamfeindlichen und antiziganistischen Äußerungen verbreitet wird“, teilt die Behörde mit.

 

Manche Inhalte waren selbst NPD-Anhängern zu heftig

 

Die Internetseite verbreitet massenhaft und systematisch rechtsextremistisches und nationalsozialistisches Gedankengut. „Neben verbotenen nationalsozialistischen Grußformeln und Parolen werden auch volksverhetzende Äußerungen veröffentlicht“, sagt die Generalbundesanwaltschaft. „Diese reichen von Gewaltaufrufen gegen in Deutschland lebende Ausländer über die Verächtlichmachung von Menschen anderen Glaubens und anderer Hautfarbe bis hin zur Leugnung des Holocausts.“

Nach Einschätzung von Rechtsextremismus-Experten waren manche Inhalte selbst NPD-Anhängern zu heftig. „Dort hat sich die harte Neonazi-Szene getroffen“, sagt etwa der freie Journalist Toralf Staud. Altermedia Deutschland habe vor allem die Agenda der Neonazis maßgeblich geprägt: „Sie war ein Themenmonitor. Die Autoren haben wichtige Themen der Szene gesetzt.“

 

Ralph K. und die ebenfalls festgenommene Jutta V. waren nach bisherigen Erkenntnissen als Administratoren für die inhaltliche Ausrichtung des Internetportals verantwortlich. „Gemeinsam mit den weiteren drei Beschuldigten überprüften sie – so das Ergebnis der bisherigen Ermittlungen – die von den Nutzern der Internetplattform verfassten Beiträge im Hinblick auf die ideologischen Vorgaben von Altermedia Deutschland und schalteten sie anschließend auf der Internetseite frei“, teilt die Bundesanwaltschaft mit.

 

Bundesinnenminister Thomas de Maizière verbietet Altermedia Deutschland

 

Altermedia Deutschland arbeitet hochgradig konspirativ. Die Seite wurde von einem russischen Server aus betrieben, um sich gegen staatliche Zugriffe aus Deutschland zu schützen. Die Ermittlungsbehörden baten Russland deshalb, den Server abzuschalten. In Deutschland war die Seite bis zum Vormittag noch erreichbar und ging dann offline. Ob das wirklich das Ende der Plattform bedeutet, ist unklar. Toralf Staud: „Vermutlich wird dann einfach irgendwo anders ein neuer Server installiert. Kurzfristig sehe ich jedenfalls keine andere Seite, die die Funktion für die Szene nahtlos übernehmen kann.“

 

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) reagierte auf die Ermittlungsergebnisse und die Verhaftung des jungen Mannes aus dem Schwarzwald mit einem Verbot von Altermedia Deutschland. Der die Plattform betreibende Verein fördere „die Verbreitung übelster rassistischer und fremdenfeindlicher Kommentare und Beiträge, in denen Straftaten gegen Ausländer verteidigt, zu Straftaten aufgefordert und Taten des Nationalsozialismus gerechtfertigt werden“, begründete der Minister das Verbot.

Das auf Grundlage des Vereinsgesetzes ergangene Verbot setze ein deutliches Zeichen: Der Rechtsstaat toleriere keine Hasskriminalität und gehe konsequent gegen rechtsextremistische Hetze im Internet vor.

 

Ralph K. ist den Behörden seit Längerem bekannt

 

Der festgenommene Ralph K. sowie die in Bielefeld geschnappte Jutta V. (47) werden dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Ralph K. ist den Behörden seit Längerem bekannt. Im Jahr 2014 kandidierte er für die NPD-nahe Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) für den Kreistag.

Er trat damals für den Wahlkreis St. Georgen/Triberg an. Ob er ernsthaft versuchen wollte, im Politikbetrieb Fuß zu fassen, ist unklar. In jüngster Zeit nutzte er immer wieder die Demonstrationen des Pegida-Ablegers SBH-Gida (Schwarzwald-Baar-Heuberg) für öffentliche Auftritte in Villingen-Schwenningen, unter anderem trat er dort als Ordner in Erscheinung.

Die Treffen gelten als Sammelbecken rechter Gruppen. Neben der NPD und den Freien Kräften Schwarzwald-Baar-Heuberg mischen auch die rechte Partei „Der Dritte Weg“ sowie das von Ralph K. gegründete Freikorps Villingen-Bodensee immer wieder mit.

 

Auch linke und rechte Netzwerke im Internet berichten von K.'s Aktivitäten in der Region. Ralph K.'s Kontakte zur NPD Konstanz-Bodensee werden über die Homepage der Rechtsaußen dokumentiert. Demnach habe der St. Georgener im Mai 2015 auf einer Kundgebung in Villingen gesprochen.

Auch das Portal Indymedia bündelt Material zu Ralph K. und seinen politischen Freunden Manuel F. und Markus G.. Die stammen ebenfalls aus St. Georgen. Diese lokale Häufung erklärt Indymedia mit einer Besonderheit in St. Georgen: Rechtsradikale Positionen könnten sich dort ungestört entwickeln, weil hier organisierte antifaschistische Strukturen wie auch gewerkschaftlich-politische Arbeit fehlten. Indymedia bezeichnet sich als dezentral organisiertes, weltweites Netzwerk sozialer Bewegungen.

 

Bürgerlicher Lebenslauf

 

Dokumentiert sind rechtsradikale Aktionen 2015 in St. Georgen über die Freie Kräfte Schwarzwald-Baar-Heuberg. Diese Aktionsgruppe, deren Mitglieder sich als nicht parteigebundene Kameraden mit besonderer Affinität für die nationale Solidarität bezeichnen, hat 2015 vier sogenannte „Recht und Wahrheit-Stammtische“ veranstaltet. Auf der Tagesordnung: Begrüßung und Organisatorisches von „Kamerad Ralph“.

Anfangs wurden die Veranstaltungen in St. Georgen angekündigt, später diffus im Schwarzwald. Laut Homepage gab es im März in St. Georgen auch einen Liederabend mit dem rechtsextremen Hip-Hop-Duo „A3stus“.Ralph K. trat laut Erinnerungen von Gleichaltrigen schon als Jugendlicher mit skurrilen Sprüchen in Erscheinung.

 

Demgegenüber steht sein bürgerlicher Lebenslauf: 2005 schloss er in St. Georgen die Realschule ab.

Als Azubi eines Ausbildungsbetriebs absolvierte er an der Gewerbeschule in Villingen-Schwenningen die dreijährige Ausbildung zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung. Seither steht er in einem festen Arbeitsverhältnis in der Region. Auf seiner Facebook-Seite gibt Ralph K. sporadische Einblicke in seine politische Einstellung: Hier finden sich Einträge, die zumindest der rechtspopulistischen Szene zuzuordnen sind.

Rund 20 seiner Unterstützer demonstrierten am Mittwochabend in Villingen.