Leipzig. Ein Jahr nach der ersten Legida-Demonstration konnten die Asyl- und Islamkritiker in Leipzig gestern Abend deutlich weniger Demonstranten mobilisieren als erwartet. Die Schätzungen schwankten zwischen 2500 und 3400 Teilnehmern. Die Anhänger von Legida (Leipzig gegen die Islamisierung des Abendlandes) hatten sich am Naturkundemuseum versammelt, um zum Nordplatz zu ziehen. Die Leipziger Bürgerschaft setzte mit einer Lichterkette um den Ring ein Zeichen für Toleranz und ein friedliches Zusammenleben. An dem Gegenprotest mit mehreren Veranstaltungen beteiligten sich nach Angaben der Studentengruppe „Durchgezählt“ zwischen 2300 und 2800 Menschen. Die Polizei war mit knapp 3000 Beamten aus mehreren Bundesländern und gepanzerten Fahrzeugen im Einsatz.
Wegen des Leipziger Jahrestages hatte auch die Dresdner Pegida-Bewegung dazu aufgerufen, in die Messestadt zu kommen, Pegida-Chef Lutz Bachmann stand an der Spitze. Der Mobilisierungserfolg hielt sich in Grenzen. Ein Grund dafür waren wohl auch Probleme bei der Anreise: Auf die Bahnlinie Leipzig–Dresden wurde ein Anschlag verübt. Gegen 18 Uhr brannte ein Signal zwischen Borsdorf und Engelsdorf, brennbare Substanzen wurden an zwei weiteren Anlagen gefunden, die Strecke war zwischenzeitlich gesperrt.
In Connewitz randalierten rund 250 vermummte Hooligans, die von der Polizei festgesetzt werden konnten. Sie hätten Pyrotechnik gezündet und Schaufensterscheiben mit Steinen eingeworfen, sagte eine Polizeisprecherin. Es handele sich bei den Angreifern „um rechtes Klientel aus dem Fußballbereich“. Polizeipräsident Bernd Merbitz ging am Abend davon aus, dass ein großer Teil der gewalttätigen Rechtsextremen festgesetzt werden konnte. Es wird wegen schweren Landfriedensbruchs ermittelt. Nach Augenzeugenberichten hatten die Hooligans unter anderem versucht, die Bar „Fischladen“ von Roter Stern Leipzig in der Wolfgang-Heinze-Straße zu stürmen, konnten aber zurückgedrängt werden.
Später wurden in Connewitz Fahrzeuge sowie sechs Müllcontainer angezündet und es wurde versucht, Barrikaden zu errichten. Einsatzwagen der Polizei wurden angegriffen. Welchem politischen Spektrum letztere Taten zuzuordnen sind, stand am Abend noch nicht fest. Weiterhin wurden mutmaßliche Linksextremisten auf dem Weg nach Leipzig gestoppt. Sie hatten unter anderem Waffen, einen Kanister Diesel und Steine im Auto.
Der gesamte Tag stand unter dem Eindruck von Mobilisierungen und Gewaltaufrufen durch Links- wie Rechtsextreme. Bereits am Morgen hatte Sachsens Grünen-Chef Jürgen Kasek zwei Morddrohungen auf seinem Anrufbeantworter. Für etwas Entspannung sorgte gestern die kurzfristige Absage einer Kundgebung der rechtsextremen Offensive für Deutschland (OfD).
Beim Friedensgebet in der Nikolaikirche erinnerte Pfarrer Bernhard Stief an 1989 und appellierte, dass eine der Losungen von damals jetzt wieder von Bedeutung sei: Keine Gewalt. Das müsse gegenüber Schwachen gelten, aber ebenso von Flüchtlingen eingefordert werden. Zu der anschließenden Lichterkette „Leipzig bleibt helle“ um den Ring hatte ein breites Bündnis aus Politik, Gewerkschaften, Wirtschaft, Kultur und Vereinen sowie SPD, Grünen und Linken aufgerufen. Auch Porsche, BMW und die Leipziger Messe unterstützten die Aktion. Die Leipziger CDU sowie die CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla lehnten die Lichterkette hingegen ab. Diese torpediere das Ziel, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren, so Kudla. Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) nahm hingegen an der Lichterkette teil.
Legida-Chef Markus Johnke forderte Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) auf, dieser solle sich „als Deutscher bekennen“ oder abtreten. Johnke kündigte an: „Wir werden nicht aufgeben.“
Vor einem Jahr waren rund 4800 Legida-Anhänger auf eine breite Gegenwehr der Leipziger Bürgerschaft gestoßen. 35 000 Menschen hatten damals für eine weltoffene Stadt demonstriert.