Sachsen schiebt auch eifrig Menschen aus Krisenländern wie Afghanistan, Irak, Libyen und Georgien ab

Erstveröffentlicht: 
22.12.2015

Solidarität auf die spezielle sächsische Art

 

Solidarität dadurch, dass man die "falschen" Flüchtlinge zurückschickt in ihre verarmten Herkunftsländer? Es muss seltsam zugehen im Leben des Markus Ulbig, seines Zeichens noch immer Innenminister in Sachsen. Seine sonderbare Vorstellung von Solidarität hat er im November öffentlich gemacht.

 

Eigentlich ging es damals auch in Sachsen darum, die Unterbringung der Flüchtlinge in Sachsen endlich winterfest zu machen, mit Unterkünften und Betreuung abzusichern. Aber der sächsische Innenminister gehört zu jener Gruppe christlicher Hardliner auf deutschem Ministerposten, die ihre Nächstenliebe nach Paragraphen aufteilen. Und wenn der Betroffene aus dem bürokratisch falschen Land kommt – zum Beispiel einem dieser von Kriegsfolgen und echter Armut geprägten Länder des Westbalkans – dann kommt der gnadenlose Amtswalter im Minister zum tragen. Er bedauert es nicht mal, dass er diese Menschen, die nach Deutschland gekommen sind, zurückschicken muss in Regionen, in denen die Wirtschaft (anders als in Sachsen) wirklich am Boden ist (über die Zustände in Kosovo, Mazedonien, Albanien usw. kann sich jeder, der mag, auf Wikipedia ein Bild machen. Einfach mal zum Kosovo zitiert: „Derzeit gibt es bei einer Million arbeitsfähiger Bevölkerung lediglich etwa 325.000 Arbeitsplätze (einschließlich nicht registrierter Schattenwirtschaft). Jährlich kommen weitere 36.000 junge Leute neu auf den Arbeitsmarkt; auch in 20 Jahren werden es aufgrund der heutigen Geburtenrate noch etwa 30.000 pro Jahr sein.“).

 

Stattdessen lässt er sein Ministerium vermelden: „Der Freistaat Sachsen hat in diesem Jahr 1.253 ausreisepflichtige Menschen abgeschoben. Im August gab es 134, im September 141 und im Oktober 300 Rückführungen. 2014 gab es insgesamt 1.037 Abschiebungen.“

 

Melden ließ er das, weil er mit anderen deutschen Kraftmeiern zusammen einen neuen Gemeinschaftstransport für Abgeschobene hinbekommen hat.

 

Am 18. November wurden nämlich weitere 36 Personen aus Sachsen in den Kosovo abgeschoben. Im Rahmen eines Frontex-Charters der EU unter Federführung Österreichs wurden vom Flughafen Kassel 21 Personen und im Rahmen eines Fluges unter Federführung Bayerns vom Flughafen München 15 Personen nach Priština rückgeführt.

 

Und dann erklärte Ulbig mal kurz, was er so unter Solidarität versteht: „Der Freistaat Sachsen schiebt weiterhin konsequent ausreisepflichtige Asylbewerber ab. Wir setzen damit unser Recht gegen jene durch, deren Asylanträge abgelehnt wurden und die vollziehbar ausreisepflichtig sind. Gleichzeitig steigern wir die Solidarität für diejenigen, die unsere Hilfe und unseren Schutz benötigen.“

 

Dass sich beide Haltungen nicht wirklich ernsthaft vereinbaren lassen, ahnt der Mann in seinem christlichen Herzen wahrscheinlich nicht einmal.

 

Er zog dann auch noch stolz Bilanz, wen er 2015 schon alles abgeschoben hatte: „Von den bis Oktober 1.253 abgeschobenen Personen wurden alleine 806 Personen in den Westbalkan rückgeführt.“

 

Als wären sie einfach nur aus lauter Ungehorsam gekommen und nicht aus bitterer Armut. Mit Respekt oder Menschenliebe oder Solidarität hat das alles nichts zu tun. Es ist nur die bürokratische Umsetzung falscher Lösungen für ein Problem, das die EU gerade noch viel heftiger zu sprengen droht als die Flüchtlingsfrage – nämlich die Frage der wachsenden Armut an den Rändern des Kontinents und der wachsenden Schar junger, arbeitsloser und perspektivloser Menschen. Ein Problem, für das weder der wortgewaltige Bayern-Chef noch die EU-Kommission auch nur ein ratloses Wort übrig haben.

 

Und man kann ziemlich sicher sein, dass die Wanderung aus den armen Randstaaten in die reicheren Länder der Mitte nicht aufhören wird, auch wenn Markus Ulbig stolz seine Oktober-Bilanz präsentiert:

 

Albanien: 143,

Bosnien und Herzegowina: 13,

Kosovo: 285,

Mazedonien: 83,

Montenegro: 1,

Serbien: 281

 

Und weil er damit auch Landtagsabgeordnete auf Gedanken bringt, packen wir hier jetzt mal eine Antwort auf die Anfrage des AfD-Abgeordneten André Barth drunter. Der hat dann nämlich gleich noch nachgefragt, wohin Ulbig im Oktober alles noch abgeschoben hat. Denn seine Liste war ja unvollständig. Im Oktober kamen zum Beispiel noch 32 Abschiebungen nach Russland dazu – ohne dass klar ist, warum Sachsen nach Russland abschiebt. Ist man mittlerweile wirklich so dicke miteinander?

 

9 Menschen aus Tunesien wurden im Oktober abgeschoben, 11 aus Libyen, 3 aus Algerien und 3 aus Marokko. Das könnte mit Ulbigs Wunsch zusammenhängen, mehrfach durch Straftaten aufgefallene Flüchtlinge schnell wieder abzuschieben, egal, ob das Herkunftsland gerade im Bürgerkrieg versinkt oder nicht. Wenn sie Glück haben, landen sie in einem der überfüllten Auffanglager in Griechenland oder der Türkei – und dürfen dort warten. Worauf auch immer.

 

Apropos Bürgerkrieg: Menschen aus dem Irak (6), aus Afghanistan (2) oder aus Georgien (2) hat Sachsens christlicher Hirte ebenso eifrig abgeschoben. Alle drei keine Länder, die auch nur in die Reichweite des Begriffs „sichere Herkunftsländer“ kommen.