Kein Geld für Kitas, aber Luxus für Illegale" heißt die Überschrift über einem kurzen Text, der im Internet auf der Seite pi-news.net zu finden ist. Am Pranger steht Oberstenfelds Bürgermeister Markus Kleemann.
Von unserer Redakteurin Julia Neuert
Die Gemeinde würde Kindergärten und Schulen schließen, einen Ortsfriedhof nicht sanieren, dafür das Geld für Flüchtlinge ausgeben. Von "Invasoren" ist dort die Rede. "Aber viel wichtiger als die angestammten Bürger ist viel mehr eine andere Bevölkerungsgruppe", schreibt der anonyme Autor. Sein Fazit auf Politically Incorrect lautet: "Nichts für Kinder, nichts für Tote, aber Luxus für Asylanten." Darunter die Kontaktdaten von Kleemann im Oberstenfelder Rathaus.
Strafanzeige
Den Bürgermeister erreicht seither eine Flut von diffamierenden E-Mails mit Beleidigungen und Beschimpfungen − von anonymen Absendern. Auf Anraten des Polizeireviers in Marbach hat er in Einzelfällen Strafanzeige erstattet. "Was da miteinander verknüpft wird, ist nicht ehrlich", macht der 31-Jährige deutlich. "Es ist schlicht falsch."
Um 2016 die laufenden Kosten zu senken, haben Verwaltung und Gemeinderat einen Maßnahmenkatalog erstellt, der unter anderem die Schließung des Kindergartens im Teilort Prevorst und der Grundschule in Gronau vorsieht (wir berichteten). Der Betrieb des Kindergarten koste jedes Jahr 130 000 Euro, der der Grundschule rund 100 000 Euro, stellt Kleemann klar. Beträge, die die Gemeinde sparen muss, um ihr Defizit zu verringern. "Das geht nur durch solche bitteren Maßnahmen", betont der Bürgermeister.
Auch bei den Bürgern gebe es Widerstand, Kleemann hat deshalb am Dienstagabend mit Elternvertretern gesprochen. "Mir ist die sachliche Diskussion sehr wichtig." Die beiden Einrichtungen nicht zu schließen, sei unwirtschaftlich, wiederholt der Rathauschef.
Zumal es in der Lichtenbergschule ungenutzte Räume und freie Plätze im Kindergarten Hauäcker gebe, der dem Prevorster sehr ähnlich sei. Es gebe aber auch positive Reaktionen in Form von Lob, dass "die Dinge endlich angepackt werden".
Dass die Gemeinde ihr Geld statt für die Bürger für Flüchtlinge ausgebe, sei schlicht falsch − das Gegenteil richtig: Durch die Vermietung des ehemaligen Edeka-Gebäudes an das Landratsamt Ludwigsburg bekommt die Gemeinde Geld, bekräftigt Kleemann. Zudem zahle die Behörde die Betriebskosten für das gesamte Gebäude, also auch für die Räume, die der Oberstenfelder Freundeskreis Asyl nutzt.
"Es haut mich nicht um", meint Kleemann auf die Frage, wie er mit der Flut an Beleidigungen umgehe. "Ich nehme das ernst, aber ich verwende meine Zeit nicht dafür."
Ohne Namen
Die Polizei versuche herauszufinden, wer sich hinter dem Internet-Beitrag verbirgt. Ein Impressum hat Politically Incorrect nicht, auch eine Telefonnummer wird nicht angegeben. Lediglich eine Kontaktanfrage per E-Mail ist möglich. Auf Kleemanns Facebookseite wird ebenfalls diskutiert. Dort steht er Rede und Antwort. "Ich versuche dabei, sachlich zu bleiben."
Um die "dramatische finanzielle Situation" langfristig in den Griff zu bekommen, will der Bürgermeister den Druck auf das Landratsamt erhöhen, damit ein interkommunales Gewerbegebiet möglich wird. "Viel wichtiger ist es, zusammenzustehen", meint Klemann. "Gemeinsam werden wir das schaffen."