Viele verletzte Polizisten und Demonstranten sowie ein enormer Sachschaden sind die Bilanz der linksextremistischen Krawalle am Samstag in Leipzig. Die Staatsanwaltschaft hat bereits Ermittlungsverfahren eingeleitet und auch die Politik hat sich des Themas schon angenommen. Dabei ist allseits das Unverständnis über die Eskalation und die Ablehnung dieser Gewalttaten groß. Doch die Opposition hinterfragt auch das Vorgehen der Polizei.
Zahlreiche Verletzte
Bei den Ausschreitungen linksextremistischer Demonstranten am Samstag in Leipzig sind mindestens 69 Polizisten und eine bisher unbekannte Zahl Protestteilnehmer verletzt worden. Im Internet kursierende Gerüchte über einen verstorbenen Demonstranten bestätigte die Polizeidirektion Leipzig nicht. Nach ihren vorläufigen Erkenntnissen musste ein Mann wegen eines epileptischen Anfalls ärztlich behandelt werden. Soll das Krankenhaus aber noch am Abend wieder verlassen haben.
Ermittlungen laufen, erste Verdächtige bekannt
Die Staatsanwaltschaft Leipzig erklärte am Sonntag, sie habe zahlreiche Verfahren eingeleitet, zumeist wegen schweren Landfriedensbruchs. Die Ermittlungen richteten sich zunächst ausschließlich gegen die linksautonome Szene, sagte Behördensprecher Ricardo Schulz. Einige Täter habe die Polizei bereits ermitteln können. Sie hatte am Vortag 23 Menschen vorübergehend in Gewahrsam genommen, die inzwischen alle wieder auf freiem Fuß sind.
Eine Stadt versinkt in Krawallen, enorme Sachschäden
Wie die Polizei in ihrer vorläufigen Bilanz weiter mitteilte, gab es insgesamt 50 Verstöße gegen das Strafgesetzbuch und das Sprengstoffgesetz sowie gegen das Versammlungs- und das Betäubungsmittelgesetz. Noch länger ist die Liste der entstandenen Sachschäden. An erster Stelle listete die Polizei 50 beschädigte Dienstfahrzeuge auf. Dazu kommen in Connewitz und anderen Stadtvierteln beschädigte Privatfahrzeuge, zahlreiche Haltestellenhäuschen der Leipziger Verkehrsbetriebe, die von den Randalierern "entglast" wurden sowie eingeschlagene oder beschädigte Schaufensterscheiben von Geschäften und Kreditinstituten. Die Stadtreinigung wird dutzende angezündete Müllcontainer durch neue ersetzen müssen. Zudem wurden Verkehrsleiteinrichtungen zerstört und alte Reifen auf der Straße verbrannt. Schon vor Beginn der Demonstrationen waren in S-Bahn-Kabelschächten Brandsätze gezündet worden. Dadurch kam es auf zwei Strecken zu Beeinträchtigungen.
Die Leipziger Südvorstadt sei am Samstag in Krawallen versunken, so die Polizei, die wiederholt Wasserwerfer, Tränengas und Schlagstöcke einsetzte, um sich gegen Handgreiflichkeiten, aber auch Pflastersteinwürfe und Attacken mit Pyrotechnik zur Wehr zu setzen. Zeitweise sahen sich die Einsatzkräfte den Angaben zufolge bis zu 1000 vermummten Gewalttätern gegenüber. In der Nacht zum Sonntag beruhigte sich die Lage dann zusehends. Dennoch seien mehr Beamte als sonst auf den Straßen unterwegs gewesen.
Friedlicher Gegenprotest ging im Lärm unter
Der eigentliche Anlass, die von rechtsgerichteten Parteien und
Organisationen angemeldete Demonstration mit letztlich knapp 150
Teilnehmern geriet angesichts der Gewaltexzesse vollkommen in den
Hintergrund. In diesem Zusammenhang erklärte die Polizei, der
überwiegend friedliche Gegenprotest sei aufgrund der Ausschreitungen
kaum wahrnehmbar gewesen. Zugleich kritisierte die Behörde, dass die
gewaltlosen Demonstranten sich nicht stärker und aktiver von den
Randalierern abgegrenzt hatten. Diese hätten dadurch immer wieder in der
Masse der friedlichen Kundgebungsteilnehmer untertauchen können.
Ulbig: Blinde Zerstörungswut ist unerträglich
Sachsens Innenminister Markus Ulbig sagte, die Krawalle in Leipzig
zeigten einmal mehr, wie radikal und gewalttätig die politische
Auseinandersetzung geworden sei. Der CDU-Politiker betonte zugleich, wer
Polizisten angreife, weil er die Rechtsstaatlichkeit ablehne, werde
diese in aller Härte zu spüren bekommen.
Dass die Kriminellen sogar in der Adventszeit voller blinder Zerstörungswut in einer Einkaufsstraße agieren und schwere Verletzungen von unbeteiligten Familien mit Kindern in Kauf nehmen, ist unerträglich.
Markus Ulbig, sächsischer Innenminister
Pallas: Gewalttäter schnell verurteilen
SPD-Innenpolitiker Albrecht Pallas erklärte, von den Demonstrationen
im Leipziger Süden habe ursprünglich ein friedliches Zeichen gegen
Rassismus und rechte Gewalt ausgehen sollen. Stattdessen dominierten nun
Bilder von einer Minderheit, die sich in einem sinnlosen Gewaltexzess
gegen Unbeteiligte und Polizisten gewandten hätten. Solche Aktionen
nützten am Ende nur den rechten und rassistischen Gruppen. Die Täter
sollten allesamt ermittelt und möglichst schnell angeklagt und
verurteilt werden, meinte Pallas.
Diese Gewalttäter sind weder weltoffen noch tolerant und ziehen mit ihrem kriminellen Verhalten das Anliegen aller friedlichen Demonstrationsteilnehmer in den Dreck. Dabei ist es gerade jetzt wichtig, sich kraftvoll aber friedlich für Demokratie, Weltoffenheit und gegen Radikalisierung in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen einzusetzen.
Albrecht Pallas, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag
Gebhardt: Aus Vorfällen in Leipzig lernen
Auch die sächsische Links-Partei verurteilte die Ausschreitungen in Leipzig scharf. Der dortige Kreisverband und die Wahlkreisabgeordnete Juliane Nagel erhielten dabei Unterstützung durch Landespartei- und Fraktionschef Rico Gebhardt. Er beklagte aber auch, dass nicht nur die linksextremistischen Gewalttäter, sondern offenbar auch einige Polizisten ein falsches Weltbild im Kopf hätten, wenn sie teilweise massiv selbst gegen friedliche Demonstrierende vorgegangen seien.
Wer meint, mit Körperverletzungen und Sachbeschädigungen seinem Unmut Ausdruck verschaffen zu müssen, und selbst Unbeteiligte gefährdet, hat ein falsches Feindbild und muss strafrechtlich belangt werden.
Rico Gebhardt, Vorsitzender der Linkspartei in Sachsen und ihrer Fraktion im Sächsischen Landtag
Das sei mit einer objektiven Fürsorge für die öffentliche Sicherheit nicht vereinbar. Beides müsse jetzt ohne Vorverurteilungen und Vorurteile ausgewertet und aufgearbeitet werden, forderte Gebhardt. Dabei lehne die Linke eine Kriminalisierung des vielfältigen bunten, friedlichen Protestes ebenso ab wie pauschale Vorwürfe an die Polizei, die in solchen Situationen einen verantwortungsvollen und schweren Dienst zu tun habe. Der sächsische Linke-Chef betonte, dass der eigentliche Ausgangspunkt eine Demonstration rechter geistiger Brandstifter gewesen sei. Dieser rechte Terror sei die eigentliche gesellschaftliche Herausforderung.
Lippmann: Krawalle nicht politisch zu legitimieren
Die sächsischen Grünen fordern eine umfassende parlamentarische
Aufarbeitung der Eskalation in Leipzig. Auch sie sehen Schuldige auf
beiden Seiten. Ihr innenpolitischer Sprecher im Landtag, Valentin
Lippmann, sagte, zum einen werde der friedliche Protest gegen Nazis
durch solche Gewalttäter massiv diskreditiert, die zudem Unbeteiligte
gefährdeten. Zum anderen müsse gefragt werden, wie verhältnismäßig das
massive Vorgehen der Polizei auch gegen friedliche Demonstranten sei.
Leipzig hat einen Tag der Gewalt erlebt. Ich verurteile die massiven Ausschreitungen aufs Schärfste. Wer Böller und Steine auf Polizisten wirft, Barrikaden entzündet und eine Spur der Verwüstung hinterlässt, hat jeglichen Anspruch darauf verloren, sein Handeln in irgendeiner Form politisch zu legitimieren. Den Gewalttätern ging es nicht um irgendwelche politischen Ziele, sondern um die Ausübung von Gewalt.
Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag