Sitz-Demo vor Gericht: Richterin spricht NoKargida-Aktivisten frei

Erstveröffentlicht: 
08.12.2015

Karlsruhe (Ramona Holdenried) - Am Montag landete der Fall eines 49-jährigen vor dem Amtsgericht, der an einer Demonstration gegen den Karlsruher Pegida-Ableger "Kargida" teilnahm. Dabei versuchte er mit anderen, die Kargida-Demonstation mittels einer Sitzblockade zu verhindern- und bekam Bußgeldbescheide von Stadt und Polizei. Wie bereits andere Aktivisten vor ihm, zog der 49-Jährige vor Gericht. Über das Urteil war er dann aber doch überrascht.

 

Für einen 49-Jährigen wurde es zu Beginn der Woche ernst: An diesem Montag sollte der Fall des "NoKargida"-Aktivisten vor dem Karlsruher Amtsgericht verhandelt werden. Er hatte zusammen mit 16 anderen Personen Ende März versucht, eine Demonstration des Karlsruher Pegida-Ablegers "Kargida", der sich heute "Widerstand Karlsruhe" nennt, mit einer Sitzblockade zu verhindern.

Nach der Aktion erließ die Polizei Kostenbescheide von je 93 Euro für das Wegtragen der Gegendemonstranten. Zudem folgten städtische Bußgeldbescheide von 223 Euro wegen des Nichtbefolgens eines Platzverweises.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich das Karlsruher Amtsgericht mit den Folgen dieser Sitzblockade beschäftigt. Bereits Ende November landete der Fall zweier "NoKargida"-Aktivisten vor Gericht. Diese wollten sich ebenso wie der 49-Jährige gegen den Bußgeldbescheid der Stadt wehren, indem sie Einspruch gegen die Bescheide einlegten.  Das Gericht milderte das städtische Bußgeld in diesen beiden Fällen auf jeweils 50 Euro zusätzliche Verfahrenskosten ab.

 

Applaus und Schulterklopfen im Gerichtssaal

 

Innerhalb weniger Minuten fällt am Montag dann die Entscheidung im jüngsten Fall: Die Richterin stellt das Verfahren gegen den "NoKargida"-Aktivisten ein. Als Begründung für ihre Entscheidung gibt sie den Paragraph 47 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) an. Dieses regelt, dass eine Verfolgungsbehörde für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten zuständig ist- wobei sie immer nach "pflichtgemäßem Ermessen" verfährt. Liegt das Verfahren noch bei der Stadt, kann diese gründsätzlich über die von ihr ausgestellten Bußgeldbescheide entscheiden.

Landet der Fall allerdings vor einem Gericht, hat die Stadt keine Handhabe mehr. Eine Ordnungswidrigkeit muss aber auch von einem Gericht laut OWiG nicht um jeden Preis verfolgt werden. Hält dieses eine Ahndung nicht für geboten, so kann es das Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft in jeder Lage einstellen. Dafür entscheidet sich auch die Richterin bei der Verhandlung am Montag. Eine darüber hinausgehende Begründung gibt sie nicht ab.

 

"Wir haben die Mehrheit des Gemeinderates hinter uns"

 

Während seine Unterstützer die Entscheidung des Amtsgerichts applaudierend aufnehmen, wirkt der "NoKargida"-Aktivist selbst sichtlich überrascht. "Ich finde das natürlich super", meint er im Gespräch mit ka-news. Mit einer solchen Entscheidung habe er nach den beiden vorherigen Urteilen aber nicht gerechnet. "Meinen Respekt an die Richterin", so der Aktivist.

Er ist davon überzeugt, dass das neuste Urteil ein wichtiges Signal ist. "Es ist ein Skandal, dass Nazis und Rassisten auf die Straße gehen können und man ein Bußgeld erhält, wenn man friedlich dagegen demonstriert." Er sieht auch eine Mehrheit im Gemeinderat hinter sich. "Niemand will diese Bußgelder noch- offenbar auch die Gerichte nicht mehr", so der No-Kargida-Aktivist.

In einem offenen Brief an Oberbürgermeister Frank Mentrup hatten Stadträte der Grünen, der Kult und der Linken die Bußgelder als Bagatellen bezeichnet. Die Karlsruher Stadträte baten Oberbürgermeister Mentrup, sich im Namen der Stadt beim Polizeipräsidium, der Staatsanwaltschaft und dem Ordnungsamt dafür einzusetzen, mögliche Ermessensspielräume auszuschöpfen und die laufenden Verfahren soweit wie möglich einzustellen. Die Karlsruher SPD-Fraktion hatte sich in einem eigenen Schreiben an Oberbürgermeister Mentrup dafür ausgesprochen, dass bei solchen Ordnungswidrigkeiten künftig geprüft werden soll, welche Möglichkeiten die Stadt bei ihren eigenen Bußgeldverfahren hat. 

Die Karlsruher CDU-Fraktion wiederum hatte das Einschreiten der Grünen, der Kult-Fraktion und der Linken als "unerträgliche und nicht akzeptable Einflussnahme" kritisiert. Die CDU sei dankbar, dass sich Bürger gegen Fremdenfeindlichkeit in Karlsruhe einsetzen würden. Dies müsse aber auf eine Weise geschehen, die nicht in Konflikt mit der Rechtsordnung stehe.

 

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