Immer mehr Sachsen wollen erlaubnispflichtige Waffen

Erstveröffentlicht: 
03.12.2015
Grüne: „Diffuses Unsicherheitsgefühl“ / Minister Ulbig bestätigt: Besitzer werden zu wenig kontrolliert
VON ANDREAS DUNTE

 

Leipzig. Immer mehr Sachsen versuchen an erlaubnispflichtige Waffen heranzukommen. Pfefferspray, Tränengas und Schreckschusspistolen reichen offenbar nicht mehr aus. Das geht aus einer Antwort von Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf eine kleine Anfrage der Grünen hervor.

 

„Die Zahlen sind erschreckend“, sagt Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion. Waren Ende 2013 noch 34 615 Personen aus Sachsen mit waffenrechtlicher Erlaubnis im Nationalen Waffenregister gespeichert, sind es Ende Oktober dieses Jahres bereits 37 579. „Ein Plus von 2964 Personen in nicht einmal zwei Jahren. Offensichtlich geht mit dem diffusen Unsicherheitsgefühl sächsischer Bürger das Bedürfnis einher, sich bewaffnen zu müssen“, sagt Lippmann.

 

Besonders besorgniserregend empfinde er es, dass immer mehr Personen eine Sachkundeprüfung in Schießsportvereinen ablegen wollen. Von Januar bis Oktober 2015 meldeten sich insgesamt 346 Personen zu Prüfungen an. „So viele Prüfungsteilnehmer haben sich in den gesamten letzten vier Jahren nicht angemeldet“, kommentiert Lippmann. Auch bei den staatlich anerkannten Lehrgangsträgern sei die Zahl der Prüfungsteilnehmer gestiegen. Waren es in den Vorjahren im Schnitt 350 Teilnehmer, lag die Zahl 2014 bereits bei 450 und in den Monaten Januar bis Oktober 2015 bei 451. Die Zahlen seien noch nicht einmal vollständig. Bei den Waffenbehörden im Landkreis Leipzig und in Chemnitz lägen keinerlei Aufzeichnungen aus den Jahren 2010 bis 2013 mehr vor, obwohl eine Meldepflicht bestünde, so Lippmann. Die Grünen fordern die Landesregierung auf, alles zu tun, um die Zunahme der Zahl der Waffenscheininhaber und Waffenbesitzer zu begrenzen. „Dem Run auf erlaubnispflichtige Waffen muss ein Riegel vorgeschoben werden.“

 

Beim Sächsischen Schützenbund, der größten Schützenvereinigung in Sachsen, dessen Präsident Frank Kupfer ist (zugleich Chef der CDU-Landtagsfraktion) heißt es, dass es keinen deutlichen Anstieg der Mitgliederzahlen gibt. Das sieht auch Minister Ulbig so. Eine auffällige Entwicklung bei den Sportschützen sei nicht zu verzeichnen, teilt er auf Anfrage dieser Zeitung mit. Lippmann: „Aus den Unterlagen des Ministers geht etwas anderes hervor.“ So hätten sich für die Sachkundeprüfungen bei den Schießsportvereinen 2014 65 Teilnehmer angemeldet, allein in den ersten zehn Monaten dieses Jahres seien es wie erwähnt 346 gewesen.

 

Ulbig könne auch keinen aktuell „deutlichen Anstieg“ der Anzahl waffenrechtlicher Erlaubnisinhaber in Sachsen erkennen, wie er mitteilt. Richtig sei aber, dass es im langfristigen Trend ein zunehmendes Interesse für Jagd und Schießsport gebe.

 

Bei der Zunahme des Waffenbestands spricht Ulbig ebenfalls von einem langfristigen Trend. Der habe auch „damit zu tun, dass Waffen, selbst wenn sie verschrottet oder ins Ausland verkauft werden, noch mindestens zehn Jahre im Nationalen Waffenregister der Bundesrepublik Deutschland stehen bleiben“.

 

Vor dem Hintergrund des deutlichen Anstiegs beim Kleinen Waffenschein, der zum Führen von Signal-, Reizstoff- und Schreckschusswaffen berechtigt, räumt Ulbig indes schon ein: Das „subjektive Sicherheitsgefühl“ in der Bevölkerung sei zurückgegangen. „Dem wirkt man allerdings nicht entgegen, indem man untersagt, in Schützenvereine zu gehen, sich mit Schreckschusspistolen auszurüsten oder einen Selbstverteidigungskurs zu absolvieren.“ Der Freistaat habe reagiert und die notwendigen Konsequenzen gezogen. So sei der Stellenabbau bei der Polizei gestoppt worden. Darüber hinaus würden künftig Wachpolizisten die Beamten auf der Straße entlasten.

 

Zugleich bestätigt der Minister, dass die Zahl der Kontrollen von Schusswaffen in letzter Zeit zurückgegangen ist. Die Grünen kritisieren das heftig. „Wurden 2011 sachsenweit noch 2000 Waffenbesitzer überprüft, waren es 2013 nur noch 500“, sagt Lippmann. Zwischen 2010 und 2014 seien folglich gerade einmal 17 Prozent der privaten Waffenbesitzer im Freistaat kontrolliert worden. Das sei vollkommen unzureichend. Ulbig begründet den Rückgang mit dem Aufbau des Nationalen Waffenregisters, der Personal binde. Das fehle anderswo. Im Übrigen seien für die ausreichende personelle Ausstattung der Waffenbehörden die Kommunen zuständig.

 

Seit 2013 werden im Nationalen Waffenregister Informationen über alle genehmigungspflichtigen Waffen zusammengefasst. Bislang waren diese Daten bei über 550 einzelnen Behörden gespeichert, aber nicht zentral zugänglich. Zum Teil waren die Daten noch auf Karteikarten festgehalten. Deutschland setzt damit eine EU-Richtlinie um. Die Forderung nach einem Waffenregister war unter anderem nach dem Amoklauf von Winnenden aufgekommen.

 

Der Minister versuche sich aus der Verantwortung zu stehlen, kritisiert Lippmann. Waffenrechtliche Kontrollen dienten auch der Vorbeugung von Straftaten. Ulbig müsse Druck auf die Kommunen ausüben, damit diese die Waffenbehörden mit mehr Personal ausstatten.