Aufruf zur antirassistischen/antifaschistischen Demonstration in Jena. Kommt am 11.12. 16 Uhr zur GU Schulstrasse! deutlichwerden.blogsport.de
Zeit deutlich zu werden:
GRENZEN ABSCHAFFEN & ALLE BLEIBEN!
Der Rechtsruck in Europa, die langanhaltende PEGIDA-Bewegung und ihre Nachahmer, langhaltende AfD-Demonstrationen in Erfurt, rassistische Übergriffe, Brandanschläge auf Geflüchtetenunterkünfte, angstschürende Medienberichte und reaktionäre Politiker_innenaussagen – zweifellos haben wir es mit einer rechten Mobilisierung ungeahnten Ausmaßes und neuer Dimension zu tun. Die wachsende Anzahl von Menschen, die nach Deutschland wollen, ist für Rechtspopulist_innen und Nazis der verunsichernde Boden, auf dem sie ihre rassistische Meinungsmache vorantreiben können.
In diesem Kontext spitzt sich die politische Situation zu:
Asyrechtsverschärfungen, Grenzschließungen, die Mittelmeertoten,
miserable Bedingungen in den Lagern und verschärfte Ausbeutung von
migrantischer Arbeit sind das traurige Ergebnis der jüngsten
Entwicklungen. Auf der anderen Seite haben die sogenannte
„Willkommensbewegung“, verschiedene Fluchthilfekonvois und die
zahlreichen Geflüchtetenproteste an den Grenzzäunen und in den Lagern
(erst im Oktober für mehrere Tage im südthüringischen Suhl) gezeigt wie
es anders gehen kann: Solidarisch und kämpferisch für eine Welt ohne
Grenzen. Diese Impulse gilt es politisch weiter zu entwickeln, genauso
wie eine kritischen Haltung gegenüber den Verhältnissen, die die jene
katastrophalen Zustände dieser Zeit hervorbringen.
Antifaschist_innen und Unterstützer_innen von Geflüchteten laufen jedoch
den unüberschaubaren und beängstigenden Ereignissen und Problemen seit
Monaten mit zunehmender Ohnmacht hinterher. Es ist deshalb Zeit,
zumindest Antwortversuche zu wagen, nicht immer nur auf Gegendemos zu
gehen, sondern zusammen zu kommen, um laut und deutlich für eine
antifaschistische und antirassistische Bewegung einzutreten. Lasst uns
deutlich werden!
Das Problem heißt Rassismus
Seit Winter 2014 formiert sich Sügida, dann Thügida, jede Woche in
verschiedenen Orten Thüringens. Im Herbst hatten wir erschreckend große
AfD-Aufmärsche in Erfurt um den Protofaschisten Björn Höcke.
Rechtspopulistische Strömungen bilden eine gefährliche Mischung
organisierter Neonazis, rassistischer Wutbürger_innen und konservativer
Machtpolitiker_innen. Dabei gehen neonazistische Strukturen gestärkt aus
dieser „Zusammenarbeit“ hervor.
Die Folgen der zunehmenden Stärke und Salonfähigkeit rechter
Meinungsmache äußern sich in der massiven Zunahme rechter Übergriffe.
Allein in Thüringen gab es dieses Jahr mindestens 14 Brandanschläge auf
Geflüchtetenunterkünfte. Auch in Jena gab es im letzten Jahr mehrere
rassistische Angriffe; Beleidigungen und Verleumdungen gegen
vermeintlich nicht wie Herkunftsdeutsche aussehende Menschen sind an der
Tagesordnung.
Rassistische Gewalt auf der Straße steht in Wechselwirkung mit den
jüngst getroffenen politischen Entscheidungen. Die sogenannte
„Flüchtlingskrise“ ist die Grundlage für politische Entscheidungen über
die Lebensumstände von Geflüchteten, welche vor einiger Zeit undenkbar
gewesen wären. Asylrechtsverschärfungen, schnellere, leichtere und
unangekündigte Abschiebungen, repressive Grenzpolitik und die
grauenhaften Zustände in den Lagern werden mit der angeblichen
Überforderung gerechtfertigt. Das ist die Realität in Deutschland,
welches sich als „Willkommensweltmeister“ inszeniert.
Das Problem fängt weder bei Nazis an, noch hört es dort auf. Teil davon
sind rassistische Meinungsmache und Bedrohungsrhetorik in den Medien
ebenso wie die von Deutschland maßgeblich mitverantwortete
Abschottungspolitik der EU und der Aufwind rechtspopulistischer
Bewegungen. Rassismus tritt in verschiedener Gestalt auf, sei es durch
die sogenannten ‚besorgten Bürger_innen‘ oder als ‚politische
Notwendigkeit‘, die mit vermeintlichen Sachzwängen umzugehen hat. Darum
ist es umso wichtiger, Rassismus zu benennen, wo er uns begegnet.
„Flüchtlingskrise“? Was hat das mit Kapitalismus zu tun?
Auf diese bedrückende Situation gibt es keine leichten Antworten. Es
kann sie auch gar nicht geben, weil wir tatsächlich in einer
unübersichtlichen und komplizierten Welt leben. Fest steht für uns: Die
sogenannte Flüchtlingskrise gibt es nicht. Die Probleme sind andere und
schwieriger zu benennen. Trotzdem können wir sagen, dass die Ursachen
der herrschenden Gewalt in Staat, Nationalismus und Kapitalismus
begründet liegen. Dies sind keine hohlen Phrasen, sondern Ausdrücke und
Beschreibungen der Verhältnisse, in denen wir leben und die wir täglich
konkret zu spüren bekommen.
Das kapitalistische, profitorientierte Wirtschaftssystem führt dazu,
dass wir uns in andauernder Konkurrenz mit anderen Menschen befinden.
Das bedeutet Leistungsdruck, Ungleichheit und Verwertungsdenken. In der
aktuellen Debatte finden wir dies wieder: Geflüchtete werden aufgeteilt
in „gut“ und schlecht“. Die „nützlichen“ Facharbeitskräfte dürfen
bleiben, während sogeannte „Wirtschaftsflüchtlinge“ in Sonderlager
gesteckt und abgeschoben werden. Besonders Roma aus den angeblich
„sicheren Herkunftsländern“ im Balkan sind die Leidtragendeen dieses
menschenfeindlichen Nützlichkeitsdenkens.
Die Konkurrenz findet auch zwischen Nationalstaaten statt und schafft
ein globales Ungleichgewicht. Der Kapitalismus produziert Armut, Krieg,
Vertreibung und Umweltzerstörung, welche für viele Menschen ein Grund
sind, zu fliehen. Die Refugee-Bewegung hat das selbst auf den Punkt
gebracht mit dem Slogan: „Wir sind hier, weil ihr unsere Länder
zerstört!“
Nationalismus und Rassismus entstehen nicht als Reaktion auf die
Migrationsbewegung, sondern sind fest in der Gesellschaft und unseren
Köpfe verankerte Strukturen. Das „Wir-gegen-Die“-Denken ist Teil dieser
Ideologien. Rechtspopulist_innen, konservative Kräfte und
Verschwörungstheorien knüpfen an dieses Denken an und bedienen die
Ängste der Menschen, die von kapitalistischer Konkurrenz und
Ungleichheit unter Druck gesetzt werden. Sie bieten scheinbar einfache –
aber irreführende – Antworten…
Grenzen abschaffen & alle bleiben!
… Dagegen setzen wir die Vorstellung einer besseren, menschenwürdigen,
gewaltfreien Gesellschaft. Dies ist kein bloßes Gedankenspiel, sondern
gelebte Hoffnung und alltägliches Aufbegehren gegen die uns umgebenden
Verhältnisse. Wenn wir von einer „grenzenlosen Welt“ reden, meinen wir
tatsächlich die inneren und äußeren Grenzen Europas abzuschaffen. Wir
meinen aber vor allem, alle Trennungen zu überwinden und alle
Herrschaftsverhältnisse anzugreifen, die Menschen in Konkurrenz und
Ungleichheit setzen und sie in Ausbeutung und Unterdrückung halten.
Alle die hier her kommen müssen oder wollen, sollen ohne Bedingungen
kommen und bleiben – egal aus welchen Ländern und warum auch immer. Wir
wissen: Sie haben viele und berechtigte Gründe. Wir befinden uns in
einem der reichsten Länder der Erde, welches seinen Reichtum durch die
schonungslose Ausbeutung der Umwelt, der arbeitenden Menschen und
brutale internationale Machtverhältnisse erzeugt. Wir sagen dagegen: Es
ist genug für alle da! Die seit Jahren von Geflüchteten erhobenen
Forderungen haben in diesen Zeiten rassistischer Mobilmachung und der
Aushebelung des Asylrechtes mehr denn je ihre Berechtigung: Abschaffung
des Lagersystems, Stopp aller Abschiebungen, volle Bewegungsfreiheit.
Zeit praktisch zu werden!
Die sogenannte „Willkommensbewegung“ hat praktische Unterstützung
organisiert, wo die staatliche Verwaltung aufgrund politischen Unwillens
notwendigerweise versagen musste. Sie hat gezeigt, dass der
rassistische Mob zwar am lautesten ist, aber keineswegs die einzige
Antwort von Menschen, auf die Herausforderungen der Situation zu
reagieren. Darum fordern wir alle auf, die von sich behaupten, eine
antirassistische Einstellung zu haben, weiter zu denken, sich kritisch
zu positionieren und auf die Ursachen und Zusammenhänge zu schauen,
welche die unhaltbaren Lebensbedingungen von Geflüchteten hervorbringen.
Unser intuitives Aufbegehren darf nicht bei Appellen an politische
Machthaber_innen und karikativen Verschenkaktionen an Geflüchtete stehen
bleiben. Es soll von der Wohltätigkeit zu einer echten politischen
Solidarität wachsen, was politische Bewusstseinsbildung und
Organisierung verlangt. Den Menschenfeinden, Rechtspopulisten und
Neonazis gilt es entschlossen entgegen zu treten – bei Demonstrationen
und nicht weniger in unserem Alltag. Wir nehmen für uns in Anspruch,
eigene Politik zu machen, wollen nicht vertreten werden, sondern uns
zusammenschließen, um eigene Perspektiven zu entwickeln. Dabei wollen
wir unsere Kritik an den herrschenden Verhältnissen zum Ausdruck
bringen, politisch handeln und uns gemeinsam organisieren. Eine Kritik
an den linken Parteien in der Regierung ist angesichts der
katastrophalen Entwicklungen in Thüringen deshalb ebenfalls unbedingt
notwendig. Sie ist verantwortlich für die Aussetzung des
Winterabschiebestopps und das Herunterspielen des entwürdigenden Umgangs
mit Geflüchteten. Lasst uns darum gemeinsam mit den Geflüchteten
kämpfen und ihre politischen Forderungen unterstützen! Der rechten
Mobilmachung dieser Zeit müssen wir als Antifaschist_innen entschlossen
begegnen, aber all die Nazis und Rassist_innen, sollten uns nicht davon
abhalten, eigene Akzente zu setzen. Lasst uns deshalb deutlich werden
und mit unserer eigenen Position aus der Deckung kommen:
Für eine grenzenlose, solidarische, befreite Gesellschaft!
Solidarität mit allen Geflüchteten!
Grenzen abschaffen und alle bleiben!